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25.11.2008

Agenda-Prozess ist nicht wirtschaftsfeindlich

Johannes Metzdorf-Schmithüsen.
Johannes Metzdorf-Schmithüsen.
Zehn Jahre nach dem Stadtratsbeschluss zur Gründung des Vereins Lokale Agenda 21 findet am 28. November, 16.30 Uhr, ein Festakt im Rathaus statt. 1998 hatte sich der Stadtrat zu seiner Verantwortung für eine „nachhaltige Entwicklung in allen Lebens-, Politik-, Verwaltungs- und Wirtschaftsbereichen“ bekannt. Der Verein LA 21 erhält zur Umsetzung konkreter Projekte einen jährlichen Zuschuss. Im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ) zieht der scheidende Vorsitzende Johannes Metzdorf-Schmithüsen eine Bilanz. Der frühere Studentenpfarrer gehörte zu den Gründungsvätern des Vereins.

RaZ: In welchen Bereichen wurden die größten Fortschritte für eine nachhaltige Entwicklung gemacht?

Johannes Metzdorf-Schmithüsen: Im Bewusstsein der Bevölkerung. Ich glaube schon, dass wir mit unseren Anliegen bei den Menschen ein offenes Ohr finden. Das wird begünstigt durch die gesellschaftliche Entwicklung, aber auch die Konstruktion eines selbstständig agierenden Vereins. So können wir auf vielen Kanälen immer wieder auf Nachhaltigkeit drängen. Ein sehr starkes Vehikel sind Bildungsprojekte, vor allem das Zukunftsdiplom. Außerdem bewegen Klimafragen generell die Menschen. Wir sind da mit unserer
Energieangentur schon vorgeprescht. Jetzt gehen die Stadt und die Kreise des früheren Regierungsbezirks dieses Thema im großen Stil an.

Wo gibt es den größten Nachholbedarf?

Bei der Altbausanierung liegen noch Riesen-Probleme vor uns, es gibt aber auch die größten Einsparpotenziale. Toll ist aber, dass viele im Bausektor schon Initiativen ergriffen haben. Beim Verkehr müssen wir Bereiche stärken, die die Lebensqualität in der Stadt steigern: Mobilität zu Fuß, mit dem Rad und im ÖPNV. Wir müssen es schätzen lernen, dass der zeitweise Verzicht auf das Auto die Lebensqualität steigert. Das ist keine autofeindliche, sondern eine kluge Haltung, nach dem Motto: Lass uns das Auto dort verwenden, wo es wirklich angebracht ist. Eine grundlegende Verhaltensänderung zu bewirken, ist ein schwieriger, langer Prozess, den man ideologiefrei diskutieren muss. Zum Verkehr gibt es unendlich viele Bemühungen und Konzepte, die nur noch einmal hervorgeholt werden müssten. Man muss hier das Rad nicht neu erfinden. Nachholbedarf gibt es auch beim strategischen Konzept Trier 2020 und der Frage, wie sich die Stadt langfristig behaupten kann.

Wie stellt sich die Situation des Agenda-Vereins im Vergleich mit ähnlichen kommunalen Initiativen dar?

Mit Blick auf Rheinland-Pfalz haben wir eine sehr stabile Entwicklung und eine gute Konstruktion gefunden. Vor zehn Jahren entschied man sich dagegen, einen Nachhaltigkeitsbeauftragten im Rathaus zu integrieren, sondern schuf einen Verein als Gegenüber, der viel flexibler ist. Das heißt aber nicht, dass man die Aufgabe, Prinzipien der Nachhaltigkeit zu etablieren, aus der Verantwortung des Stadtrats und der Verwaltung herausnehmen kann. Trotz der Delegation an einen Verein bleibt es eine Querschnittsaufgabe ähnlich der Gleichberechtigung der Frauen. Unser Verein hat eine wachsende Mitgliederzahl. In Zukunft wollen wir auch noch mehr Firmen-Mitglieder werben.

Der Beschluss der Konferenz von Rio sieht das aus gutem Grund in Kapitel 28 der Agenda 21 vor. Warum spielt die Bürgerbeteiligung in ihrem Konzept eine große Rolle?

Wenn es um die Zukunftsfähigkeit geht und die Frage, ob unsere Kinder und Enkel noch die Lebensgrundlagen haben, die wir vorgefunden haben, kann man Lösungen nicht administrativ von oben verordnen, sondern muss viele Menschen mit ins Boot holen. Sie haben ein existenzielles Interesse daran. Die Stadt praktiziert diesen Ansatz mit Stadtteilrahmenplänen und Zukunftskonferenzen. Das ist ein beachtlicher Versuch, die Bürger dort mitzunehmen, wo sie leben, und sie mit ihren Interessen einzubinden. Über dieses Konzept wird intensiv in den Fraktionen diskutiert. Die Idealvorstellung ist ein Ausgleich zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit. Deswegen gehören alle Akteure an einen Tisch. Der gesamte Agenda-Prozess ist nicht wirtschaftsfeindlich.

Wie fällt die persönliche Bilanz Ihrer langjährigen Vereinstätigkeit aus?

Mir ist bei meinen vielfältigen Engagement aufgefallen, dass die Vereine Beratung brauchen, etwa bei der Personalführung. Man kann sie heute nicht mehr einfach so führen, sondern braucht vielfältige Kompetenzen, um sich nicht zu verheddern und Kommunikationsprobleme und instabile Strukturen zu vermeiden. Man muss den guten Willen der Freiwilligen gut organisieren. Diejenigen, die Entscheidungen treffen, müssen diejenigen beteiligen, die die Arbeit erledigen. Die meisten Verstrickungen passieren durch unklare Rollen oder Strukturen. Wir brauchen in diesem Bereich ein gutes Beratungskonzept, um bürgerschaftliches Engagement und die Zivilgesellschaft, die beide ein kostbares Gut sind, zu stärken.   

Das Gespräch führte Petra Lohse