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07.03.2023

Meinung der Fraktionen

Bündnis 90/Die Grünen
Nicht jeden Evergreen singen wir mit

Was in der Nacht zum 17. Februar, mitten in der beginnenden Hochphase des diesjährigen Karnevals, in unserer sonst so friedlichen und gemütlichen Stadt passiert ist, hat auch uns erschrocken. Wenn sich rund 40 Personen sammeln und gemeinsam mit Schaufeln, Einkaufswagen und ähnlichen Waffen über Polizist*innen herfallen, verurteilen wir dies in aller Schärfe und hoffen, dass alle Tatbeteiligten am Ende ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.

Wenn solche Dinge passieren, wird natürlich zuverlässig schnell die berechtigte Frage gestellt: Wie kann das verhindert werden? Und ebenso zuverlässig taucht – meist von konservativer Seite – dann auch einer von zwei „Evergreens" politischer Forderungen auf: „Härtere Strafen!" oder „Mehr Überwachung!".

Beide Forderungen gehen dabei von der gleichen Prämisse aus: Wenn Menschen Angst haben müssen, erwischt und empfindlich bestraft zu werden, lassen sie Gewalttaten sein. Dass diese Prämisse aber offensichtlich nicht zutrifft, zeigt ein Blick in die USA. Das Land hat enorm hohe Strafen und eine nahezu flächendeckende Videoüberwachung in seinen Städten, aber durch eine besonders niedrige Kriminalitätsrate zeichnet es sich nicht gerade aus.

Die Wirksamkeit von solchen Maßnahmen darf also deutlich bestritten werden. Ihre negativen Implikationen, beispielsweise das Eindringen in die Privatsphäre aller Bürger*innen (im Falle der Überwachung), aber treten in jedem Fall ein. Wir als Grüne stellen uns daher seit unserer Gründung gegen derartige Forderungen.

Wir werden den – mit dem 17. Februar begründeten – Antrag, die Überwachung in der Trierer Innenstadt durch mehr Videokameras auszuweiten, in der kommenden Stadtratssitzung daher ablehnen.

Johannes Wiegel


CDU
Wo ist die Judengasse?

Seit vielen Monaten sucht man das Schild, das den Weg zum Eingang der Judengasse – vom Hauptmarkt aus gesehen –wies, vergebens. Auch die Gästeführenden in Trier, wenn sie touristisch das Areal zwischen Simeon-, Jakob- und Stockstraße erläutern, vermissen diesen wichtigen Hinweis. Immerhin wurde dieses Gebiet bereits 1066 erstmals schriftlich erwähnt. Welcher Schatz für die – nicht nur mittelalterliche – Geschichte Triers! Doch er wird seit Jahrzehnten nicht gehoben. Bereits Anfang der 1980er Jahre hatte sich der 2021 verstorbene Doyen der mittelalterlichen jüdischen Geschichte Triers, Prof. Dr. Alfred Haverkamp, an den Stadtvorstand und an die Stadtratsmitglieder gewandt und eindringlich gebeten, der Judengasse ein würdiges Antlitz zu verleihen, denn sie war zu einer vermüllten Saufmeile mit vielen Kneipen und einhergehendem Uringeruch verkommen.

Immer wieder gab es seitdem Versuche von Ehrenamtlichen, hieran etwas zu ändern. Zuletzt 2015, als sich eine Gruppe von Historikern und Kunsthistorikern der Sache annahm. Seitdem wurde ein Schaukasten mit Informationen zum jüdischen Trier angebracht, Infostelen errichtet, der Eingang frisch gestrichen und eine neue Beleuchtung angebracht. Es wurde aber auch gefordert, dass das Haus Judengasse 4, in dem sich eine Mikwe (Ritualbad) befindet (frühere Diskothek „Beachcomber") zu einem Jüdischen Dokumentationszentrum gemacht werden solle. Wie da der Stand der Dinge ist, fragen wir in der Stadtratssitzung nach.

Jutta Albrecht


SPD
Frau. Leben. Freiheit.

Der Monat März ist der Frauenmonat. Denn mit dem Internationalen Frauentag am 8. März und dem Equal Pay Day am 7. März finden gleich zwei Aktionstage statt, die für die Gleichberechtigung der Geschlechter kämpfen. Wir als SPD-Fraktion kämpfen mit und richten in diesem Jahr unseren Fokus auf die Widerstandsbewegung im Iran. Wir solidarisieren uns mit den mutigen Frauen und Männern, die gegen das Mullah-Regime auf die Straße gehen und ihr Leben riskieren, um gegen Frauenhass, Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt zu kämpfen. Alle Interessierten laden wir herzlich zum Agendakino im Broadway am 8. März um 19 Uhr ein, um mit uns gemeinsam den prämierten Film „Holy Spider" anzuschauen und über die Situation im Iran zu diskutieren.

Wenn man die brutale Unterdrückung von Frauen und Freiheitskämpfenden im Iran betrachtet, wird deutlich, wie dankbar wir sein können, in einer wehrhaften Demokratie zu leben. Doch auch wenn wir auf unsere Grundrechte bauen können und in den letzten Jahrzehnten wichtige Erfolge in Sachen Gleichberechtigung erzielt wurden, so gibt es auch bei uns noch zahlreiche Missstände.

Wir als SPD-Fraktion setzen uns, nicht nur am Weltfrauentag, sondern das ganze Jahr über für die Gleichberechtigung der Geschlechter in allen gesellschaftlichen Bereichen ein. So können wir es nicht hinnehmen, dass es immer noch eine Lohnlücke zwischen Frauen und Männern von 18 Prozent gibt. Deshalb engagieren wir uns im Trierer Aktionsbündnis des Equal Pay Days. Wir machen auch in diesem Jahr wieder auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam, stellen Ursachen dar und zeigen, was Wirtschaft und Politik tun können, um diese Lücke zu schließen.

Isabell Juchem


AfD
Entschuldung ja - höhere Steuern nein

In der Stadtratssitzung dieser Woche steht unter anderem der Tagesordnungspunkt „Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland- Pfalz" (PEK) auf der Agenda. Nachdem der Landtag durch ein entsprechendes Gesetz den Weg für eine Teilentschuldung derjenigen Kommunen freigemacht hat, die durch besonders hohe Liquiditätskredite belastet sind, geht es jetzt darum, den Beitritt der Stadt Trier zu dieser Partnerschaft vorzubereiten.

Als AfD-Fraktion begrüßen wir diese Entwicklung ausdrücklich. Kann doch der städtische Haushalt angesichts einer Liquiditätsverschuldung von fast 450 Millionen Euro durch einen solchen Schritt um voraussichtlich 283 Millionen Euro entlastet werden. Es wäre unverantwortlich, diese Gelegenheit nicht zu nutzen.

Allerdings sind mit der Teilnahme an PEK eine Reihe von Auflagen für die Stadt verbunden. Zum einen müssen die verbleibenden Schulden in einem Zeitraum von 30 Jahren zurückgeführt werden. Das bedeutet eine jährliche Haushaltsbelastung in Höhe von 5,5 Millionen Euro. Da jedoch gleichzeitig die Zinszahlungen langfristig sinken werden, sollte diese Kraftanstrengung zu leisten sein.

Erheblich brisanter stellt sich die Verpflichtung zu einem ausgeglichenen Haushalt dar. Trotz der Erhöhung der Landeszuweisungen an die Stadt könnte es angesichts wachsender Herausforderungen insbesondere im Sozialbereich auch in Zukunft zu einer Unterfinanzierung kommen. Diese müsste dann regelmäßig durch Steuererhöhungen ausgeglichen werden. Das ist mit uns als AfD-Fraktion definitiv nicht zu machen. Es kann nicht sein, dass unsere Bürger und Betriebe am Ende die Zeche dafür bezahlen, dass der Staat trotz stetig steigender Einnahmen nicht auskömmlich zu wirtschaften vermag.

AfD-Stadtratsfraktion


Die Linke
Digitale Teilhabe ist soziale Gerechtigkeit

Digitale Teilhabe funktioniert nur dann, wenn alle die gleichen Zugangsmöglichkeiten haben. Dank der vielen Online-Ratssitzungen wissen wir, dass das Netz auch schnell überlastet sein kann und auch in der Stadt ein stabiler Zugang ins Internet aus infrastrukturellen Gründen nicht immer gegeben ist.

Auch haben wir im öffentlichen Raum große Sprünge gemacht, was das Angebot eines städtischen W-Lans anbelangt, doch sind auch hier die Hürden noch recht groß und könnten abgebaut werden. Denn von einem flächendeckenden, barrierefreien WLan-Angebot in der City, profitieren in erster Linie nicht Tourist*innen, sondern Trierer*innen mit kleinem Geldbeutel. Gleiche Zugangsmöglichkeiten für alle Menschen ins Internet zu schaffen, ist ein wichtiger Punkt, um Digitalisierung und soziale Gerechtigkeit gleichermaßen zu denken. Durch das Online-Zugangsgesetz sind die Kommunen verpflichtet, jede Dienstleistung der Stadt auch digital anzubieten. Hier muss die Stadt handeln. Wenn alle Dienstleistungen im Netz angeboten werden, entstehen weniger Wartzeiten vor Ort, lästige Gänge zum Amt würden vermieden werden.

Doch der Weg der Beantragung muss auch barrierefrei sein: Formulare, die selbsterklärend sind, einfache Abwicklung von Bezahlung und Informationen in allen Sprachen. Wäre es nicht klasse, wenn alle Angebote der Stadt und der städtischen Unternehmen mit einem Klick für alle verfügbar wären? Ja, und aus diesem Grund bringt die Linksfraktion mit CDU, UBT und der Fraktion „Die Fraktion" einen Antrag zu Digitaler Teilhabe in den nächsten Stadtrat ein.

Marc-Bernhard Gleißner


UBT
Der Kampf um Zentralität

Die Innenstadt hat eine lange Durststrecke hinter sich – und wird auch noch eine vor sich haben. 2005 wurde das Einzelhandelskonzept verabschiedet. Mit einer Zentralität von über 215, das heißt einem erzielten Umsatz in Relation zum Kaufkraftvolumen, hatte Trier eine Spitzenposition erreicht. Unsere SIM war damit auf Augenhöhe mit der Düsseldorfer „Kö" oder der Kaufinger Straße in München.

Aber – das hat sich in den letzten Jahren geändert: Jeder, der jetzt mit offenen Augen durch die Stadt geht, stellt fest: Leerstand im ehemals florierenden Karstadt-Gebäude; bei Galeria Kaufhof und dem Kaufhof in der SIM ist die Zukunft noch nicht geklärt; ein großes Zugpferd aus der Trier-Galerie wird sich auch verabschieden. Dazu kommen viele weitere Leerstände, verursacht durch Sanierungen- und Umbauten, Umstrukturierungen und Insolvenzen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der letzten Jahre haben sich nachhaltig verändert. Begonnen hat dieser Prozess mit dem Umbruch zum Online-Handel, hinzu kamen coronabedingte Schließungen, steigende Kosten und Mieten und – leider auch – erzwungene Steuererhöhungen, wie bei der Grund- und Gewerbesteuer durch die ADD. Das bringt viele Eigentümer und Mieter in arge Bedrängnis. Folgt man den Prognosen für 2024, dürfte ähnlich wie in vielen anderen Städten die Pleitewelle weiter rollen. Hoffentlich kann in Trier der Umbruch gestaltet werden. Denn es gibt durchaus auch Licht am Ende des Tunnels; man sollte die Krise auch als Chance begreifen. Mit Fördermitteln zur Belebung der Innenstadt, der Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger, der Touristen, vor allem aber der Geschäftsinhaber und Eigentümer kann der Turnaround geschafft werden und Triers Innenstadt mit einer neuen Qualität wieder zu dem werden, was sie sein soll: „Triers gute Stube" in jeder Hinsicht.

UBT-Stadtratsfraktion


FDP
Politische Bildung weiter stärken

Politische und historische Bildung ist fundamental für die Aufrechterhaltung einer stabilen Demokratie und das beste Mittel gegen Rassismus, Antisemitismus, Demokratiefeindlichkeit, Hass und Ausgrenzung.

Leider dürfen wir nicht vergessen, dass die Mittel der Kommunalpolitik begrenzt sind. Wir können mit unseren Entscheidungen lediglich den Weg frei machen für Finanzierungsmöglichkeiten und Förderprogramme. Politische Bildung fängt bereits in der Schule an, hier sind die Länder bei der Erstellung der Unterrichtscurricula in der Pflicht, der historisch-politischen Bildung einen größeren Stellenwert einzuräumen. Politische Bildung bleibt immer eine Daueraufgabe, ein stetiger Prozess, um unsere pluralistische und demokratische Gesellschaft positiv zu stärken und gegen ihre Feinde von Innen und Außen widerstandsfähig zu machen.

Ich möchte daher den Verantwortlichen im Bildungs- und Medienzentrum für die Evaluation der aktuellen Strukturen politischer Bildungsarbeit in Trier danken. Das Ergebnis vieler Gespräche und Expertenanhörungen ist eine Verwaltungsvorlage, welche im Stadtrat mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv abgestimmt wird. Mit viel Engagement haben sich im vergangenen Jahr die Verwaltung und die Ausschussmitglieder des Dezernats III mit diesem wichtigen Thema intensiver beschäftigt. Kommunalpolitik ist also nicht immer nur Abstimmungen über Baumaßnahmen sondern beinhaltet auch generelle Debatten über die Stärkung unserer demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft und mit welchen Maßnahmen und Schaffung neuer Strukturen deren Widerstandsfähigkeit aufrechterhalten werden kann.

Katharina Haßler-Benard