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29.10.2007

Trier entdeckt die Mosel neu

Das westliche Moselufer soll städtebaulich aufgewertet werden.
Das westliche Moselufer soll städtebaulich aufgewertet werden.
Eine Stadt will ihren Fluss neu entdecken, neu erschließen, neu beleben: Dieses Fazit lässt sich nach der von OB Klaus Jensen initiierten Konferenz „Trier: Stadt am Fluss“ in der Europäischen Kunstakademie ziehen. Rund 60 „Betroffene“ – darunter Kommunalpolitiker, Unternehmer, Architekten, Tourismus-Experten, Kulturschaffende und Gastronomen – beteiligten sich an der von Jensen als „Stoffsammlung“ bezeichneten Veranstaltung.

Für den Oberbürgermeister ist klar: „Wir müssen mehr aus unserem Fluss machen.“ Das Moselufer biete ein „großes Potenzial“ in den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Wohnungsbau und Tourismus. Die Stadtentwicklung an der Mosel sei „kein weiches Thema“, denn es gehe um elementare Fragen, betonte Jensen.
Trier und die Mosel – das war nicht immer eine Liebesbeziehung. In der Antike und im Mittelalter grenzte sich die Stadt mit einer Mauer vom Fluss ab, was damals aber für alle an Flüssen gelegenen Städte typisch war. Doch auch in späteren Jahrhunderten fand eine Öffnung zur Mosel nicht statt, heute bildet die vierspurige Uferstraße eine moderne Barriere. Jetzt muss ein Mentalitätswechsel her, um „die Mosel in den Köpfen positiv zu verankern“, wie es Landschaftsarchitekt Christoph Heckel formulierte.

Von Monaise bis Zurlauben

Dass die Mosel trotz allem schon heute einen hohen Freizeitwert hat und intensiv genutzt wird, unterstrich der Vortrag von Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani. Auf einer Länge von immerhin 23 Kilometern fließt der seit 1964 schiffbare Fluss durch das Trierer Stadtgebiet. Kaes-Torchiani stellte die einzelnen Abschnitte – von Monaise über die Schleuse und Zurlauben bis zum Hafen – aus stadtplanerischer Sicht vor. Die Diskussion konzentrierte sich jedoch auf den Kernbereich zwischen der Konrad-Adenauer- und der Kaiser-Wilhelm-Brücke.

Die Defizite sind unbestritten und vielfältig: „Bisher ist es nicht gelungen, unsere Bürger optimal an die Mosel heranzuholen“, beschrieb OB Jensen die mangelnde Vernetzung mit der Altstadt, der Südstadt, Trier-West und Trier-Nord. „Der typische Tagestourist nimmt die Mosel nicht wahr“, bestätigte Hans-Albert Becker, Leiter der Tourist-Information Trier. Häufig wurden auch die unzureichende Infrastruktur für Fahrgastschiffe und das zugewachsene Ufer genannt. Ein Teilnehmer sprach gar von der „hässlich-sten Uferpromenade zwischen Koblenz und Remich“.

Visionen statt Klein-Klein

Von einem neuen Anstrich der Ufermauern bis zur Wiederbelebung der Kabinenbahn gibt es zwar viele kleine Einzelprojekte, die schnell realisiert werden könnten. OB Jensen unterstrich jedoch: „Wir müssen uns zunächst darüber klar werden, wo wir grundsätzlich hin wollen.“ Gefragt ist also ein Leitbild, sind Visionen für
einen großen städtebaulichen Wurf.  Dafür war bei der Konferenz Ansgar Lamott zuständig: Der Darmstädter Architekturprofessor, zugleich Mitglied im Architektur- und Städtebaubeirat der Stadt Trier, warnte bei allem Verständnis für die vorrangige Beseitigung von partiellen Missständen vor allzu kleinteiligen Lösungsansätzen. „Die Summe von Einzelprojekten ergibt noch kein Ganzes“, gab Lamott zu bedenken.

Derzeit sei das Mosel-Thema architektonisch-stadträumlich „völlig unbearbeitet“, so Professor Lamott. Ein großes Potenzial zur Attraktivierung des gesamten Stadtbereichs bleibe ungenutzt. Einzelne Stadtteile seien abgeschottet, große Straßen und Bahngleise würden den Zugang zum Naturraum Fluss verhindern. Auch die drei Brücken würden keine Vernetzung ermöglichen. Zudem gebe es viele Brachflächen. Mit den aufgezeigten Herausforderungen müssten sich allerdings auch andere Fluss-Städte auseinandersetzen.

Von Bilbao bis Bingen

Als Beispiel gelungener Alternativen nannte Lamott die Städte Lyon, Bilbao, Barcelona und auch Bingen. Die Stadt am Rhein nutzt als Gastgeber der rheinland-pfälzischen Landesgartenschau 2008 die Gelegenheit zur kompletten Umgestaltung der mehrere Kilometer langen Uferpromenade.

Als Visionen bezeichnete Lamott die Ergebnisse von studentischen Arbeiten, die die Anbindung der Stadt an die Mosel als Kommunikations-, Bürgerbegegnungs- und Freizeitraum vorsehen. Um die Mosel als Element der Kernstadt erfahrbar zu machen, sind demnach Brücken und Fußgängerstege, eine bessere Verzahnung mit Trier-West und attraktive Wege von der Stadt an die Mosel erforderlich. Als mögliche Leitprojekte für einen attraktiven Freizeitbereich am Wasser nannte Lamott die Vernetzung von Fahrradfahren, Skaten oder Flanieren mit Cafés und unterschiedlichen Spielorten.

Bald „vertiefende Gespräche“

Dass bei alldem die Finanzierung ein großes Problem darstellen wird und auch der Hochwasserschutz immer berücksichtigt werden muss, ist allen Beteiligten klar. Auch der Antrag der Moselanrainer auf Anerkennung des Tals als Unesco-Welterbe wird bei künftigen Planungen eine Rolle spielen. Vielleicht ergibt sich dadurch
sogar die Chance, außerplanmäßige Fördergelder zu erhalten.

Die Konferenz „Stadt am Fluss“ war jedenfalls nur der Auftakt für ein großes Projekt der Stadtentwicklung. OB Klaus Jensen kündigte für die nahe Zukunft „vertiefende Gespräche“ zu den jetzt identifizierten Handlungsfeldern an.