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18.12.2007

"Die Offenheit hat mich am meisten beeindruckt"

OB Klaus Jensen sprach zum 64. Jahrestag des Kriegsendes im luxemburgischen Diekirch.
OB Klaus Jensen sprach zum 64. Jahrestag des Kriegsendes im luxemburgischen Diekirch.
Oberbürgermeister Klaus Jensen ist seit dem 1. April neues Stadtoberhaupt der ältesten Stadt Deutschlands. Im RaZ-Interview zum Jahresende zieht Jensen eine Bilanz der zurückliegenden Monate und benennt wichtige Aufgaben für das kommende Jahr. Jensen geht auch auf persönliche Erfahrungen ein. Doch die eigenen
guten Vorsätze für das neue Jahr behält er lieber für sich.

RaZ: Das Jahr Ihrer Amtsübernahme als Trierer Oberbürgermeister geht zu Ende. Was waren für Sie einige der herausragenden Momente Ihrer nunmehr neunmonatigen Amtszeit?

OB Jensen: Es fällt mir schwer, auszuwählen. Jeder Tag bringt Interessantes. Aber prägend war schon der erste Arbeitstag am 2. April mit der Begegnung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen einer  Personalversammlung. Bürgerschaftliches Engagement konnte ich bereits mit der Übergabe des Frankenturms an die Stadt durch die Trier-Gesellschaft am 14. April erleben und beeindruckt hat mich einen Monat später der Besuch von Marion Cassirer aus Kanada, einer jüdischen Patin für die Stolpersteinaktion. Unvergessen bleibt natürlich die Konstantin-Ausstellung mit der Eröffnung am 1. Juni. Fasziniert haben mich die vielen städtepartnerschaftlichen Aktivitäten, meine Antrittsbesuche in Metz, Weimar und Den Bosch und die Begegnungen mit den Kollegen aus den QuattroPole-Städten. Wichtige Stationen waren die Verkehrskonferenz am 13. Juli mit Bundesverkehrsminister Tiefensee, Ministerpräsident Beck, Staatsminister Hering mit guten konkreten Ergebnissen für Trier und die Region, aber auch die Auftaktkonferenz zum Generationenprojekt „Trier – Stadt am Fluss“ am 25. Oktober. Bei Zusammentreffen mit Premierminister Jean Claude Juncker, der ja unser Ehrenbürger ist, und mit Ministerpräsident Beck, konnte ich deren große Nähe zu Trier erfahren, der wir viel zu verdanken haben. Solche Freunde sind eine große Bereicherung für die Stadt. Imponierende Erlebnisse sind immer wieder die Besuche und Gratulationen, insbesondere zu 100jährigen Geburtstagen, aber auch zu Ehejubiläen: Diese Menschen haben viele interessante Biografien.

Was hat Sie denn an diesen vielen Erfahrungen persönlich am meisten beeindruckt?

Ganz allgemein die positive Resonanz, Offenheit und Zugewandtheit der Bürgerinnen und Bürger, der Verbände, Institutionen, Unternehmen und Kammern, aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dann das großartige bürgerschaftliche beziehungsweise ehrenamtliche Engagement in unserer Stadt, das sich in vielen Facetten, Formen und Farben zeigt. Es macht deutlich, dass viele Bürgerinnen und Bürger, ob Jung oder Alt, Mitverantwortung für eine lebenswerte Stadt übernehmen. Überrascht bin ich, dass mich viele Bürgerinnen und Bürger morgens und abends im Bus ansprechen und verwundert darüber sind, dass ein OB wirklich Bus oder Rad fährt.

Nun waren ja sicher nicht alle Erfahrungen ausschließlich positiv. Gab es Hürden oder Schwierigkeiten, mit denen Sie so nicht gerechnet hatten?

Eine ganz besondere Enttäuschung war das Scheitern der Fusion der Sparkasse Trier mit der Kreissparkasse Bitburg-Prüm, die eigentlich schon beschlossen war und dann an der Unverbindlichkeit einiger politischer  Entscheidungsträger scheiterte.

Mit welchen politischen Bausteinen haben Sie versucht, erste Weichenstellungen Ihrer Tätigkeit als OB vorzunehmen?

Ganz wichtig waren und sind mir die Bereiche Schulen, Kinder und Jugend. Dem Schulentwicklungskonzept und der Beseitigung des Sanierungsstaus wird mit aller Energie höchste Priorität eingeräumt. Für 2008 erwarte ich konkrete Ergebnisse und erste Umsetzungsschritte. Die finanziellen Mittel für die Schulen werden merklich erhöht. Dann müssen wir den Wirtschaftsstandort Trier weiter attraktivieren. Meine Initiative  „Gesundheitswirtschaft Trier 2020+“ wird diesen Wachstumsmarkt weiterentwickeln. Ich bin dankbar, dass sich die regionalen Akteure in der Lenkungsgruppe zusammengefunden haben, um den Job- und Wachstumsmotor gemeinsam mit Universität, Fachhochschule und Land voranzubringen. Der „Runde Tisch Logistik“ wird den Wachstumsmarkt in Zusammenarbeit mit Luxemburg beschleunigen. Diese Intentionen und Ziele werden in das Landeslogistikkonzept einfließen. Auf der Prioritätenliste steht weiter das Generationenprojekt „Trier – Stadt am Fluss“, bei dem gemeinsam mit relevanten Akteuren und engagierten Bürgerinnen und Bürgern Konzepte entwickelt werden sollen, um die Attraktivität von Kultur, Wohnen, Freizeit, Wirtschaft und Tourismus anzukurbeln. Wichtig bleibt zudem das Thema des Wissenschaftsparks Trier-Luxemburg.

Was kann Trier zum Thema Klimaschutz beitragen?

Der Klimawandel stellt eine große Herausforderung in allen Bereichen des Lebens, Wohnens und der Arbeit dar. Energieeffizienz steht überall auf der Tagesordnung. Die Mobilität muss insgesamt in den kommenden Jahren verbessert und ausgebaut werden, indem Regionalbahn, Busse und Radverkehr und die Sanierung
maroder Straßen und Verkehrsumgehungen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes entwickelt werden. Ich bin sehr froh darüber, dass im Rat eine große Einigkeit vorhanden ist, um den Radwegeausbau zu forcieren. Hier hat parteiübergreifend ein Umdenken stattgefunden. Die Mittel hierzu werden verdreifacht.

Dem Thema „Bürgerbeteiligung“ hatten Sie in Ihrer Antrittsrede einen besonderen Stellenwert zukommen lassen.

Ich will gemeinsam mit dem Rat und den Ortsbeiräten die jetzt vorliegenden Ergebnisse auswerten. Der Ausbau der Bürgerbeteiligung ist mir ein großes Anliegen. Ich bin über die große Resonanz in meinen regelmäßig stattfindenden Bürgersprechstunden froh. Im neuen Jahr werde ich auch die Möglichkeiten des Internets, beispielsweise durch „Internetchats“, vermehrt nutzen. An einem themenspezifischen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ist mir sehr gelegen, denn sie sind die „Experten in eigener Sache“.

Die schwierige defizitäre Haushaltslage der Stadt bestimmt zu einem großen Teil das politische Handeln. Wie beurteilen Sie die derzeitige finanzielle Situation?

Unsere Situation ist mit fast 500 Millionen Euro Schulden dramatisch. 2008 müssen wir allein über 20 Millionen Euro Zinsen zahlen. Erste Konsolidierungsmaßnahmen habe ich eingeleitet. Auch wenn mein ehrgeiziges Konsolidierungsziel nicht vollständig erreicht werden konnte, sind doch erste Erfolge, wenn man bei dieser Verschuldungssituation überhaupt von Erfolgen sprechen kann, sichtbar. Ohne eine größere Unterstützung durch Bund und Land werden wir die Lage aber nicht nachhaltig verbessern können. Was wir selbst in der Hand haben, müssen wir in den nächsten Jahren umsetzen. Dabei hoffe und vertraue ich auf das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger.

Nennen Sie uns zwei besondere Arbeitsschwerpunkte für 2008.

Die Wirtschaftsentwicklung und -förderung steht bei mir an erster Stelle. Das gute Miteinander mit der Trierer Wirtschaft ist dabei eine positive Grundlage, neben der so wichtigen „Bestandspflege“ neue Akzente in den Zukunftsbranchen zu setzen. Die Modernisierung der Stadtverwaltung wird unter mehreren Fragestellungen fortgesetzt: Was können wir besser, effizienter und kostengünstiger gestalten? Wie lauten unsere Prioritäten und was wollen wir nicht mehr machen? Wir bereiten jetzt schon die Etatberatungen 2009 vor, die uns den ersten, nach kaufmännischen Regeln aufgebauten so genannten „Doppischen Haushalt“ bringen werden.

Am Ende des „Kulturhauptstadtjahres Luxemburg und Großregion“, in das die Stadt Trier eingebunden war, wird überlegt, wie der Schub dieses einmaligen Ereignisses in die Zukunft transferiert werden kann. Was ist zu tun?

Hier sind erste Schritte eingeleitet worden. Ich werde mit meinem Kollegen Holkenbrink in Kürze mit den Verantwortungsträgern der Museen zusammenkommen. Wir werden ein langfristiges, in enger Kooperation und Partnerschaft abgestimmtes Konzept erstellen lassen, um die Museumsstadt Trier weiter zu entwickeln. Die Antikenfestspiele werden langfristig auf gutem Fundament aufgebaut. Mit unseren Partnern in Luxemburg und der Großregion werden über das QuattroPole-Städtenetz die Kulturaktivitäten koordiniert. Die Strukturen in der Großregion, die anlässlich des Kulturhauptstadtjahres geschaffen wurden, bleiben in wichtigen Teilen erhalten.

Herr Jensen, verraten Sie uns zum Schluss Ihre ganz „persönlichen guten Vorsätze“ für das neue Jahr?

Der Sport ist in meinem Einarbeitungsjahr zu kurz gekommen. Das will ich ändern. Andere Vorsätze behalte ich für mich ...

Und wie werden Sie die bevorstehenden Feiertage verbringen?

Mit Frau, Kindern, Mutter und Schwiegereltern werden wir es uns im Schammatdorf gemütlich machen.

Das Gespräch führte Hans-Günther Lanfer