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22.01.2008

"Aus der Mystik Glaube und Kraft schöpfen"

GMD Istvan Dénes
GMD Istvan Dénes
Uraufführungen gehören bei den gängigen Konzert-Zyklen zu den absoluten Ausnahmen. Gefragt ist das klassische Repertoire, toleriert wird allenfalls ein unbekanntes Musikhäppchen. Beim vierten Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters in der früheren Abteikirche St. Maximin kommt es jedoch nach dem Präludium und der Fuge Es-Dur von J.S. Bach (BWV 552) zu einem außergewöhnlichen Ereignis: Mit der erstmaligen Aufführung der „Treveris-Fantasia“ über Texte von Ausonius und Alcunius erklingt nicht nur ein Werk mit Lob preisendem Trier-Bezug, vielmehr steht mit Generalmusikdirektor Istvan Dénes der Schöpfer der Komposition selbst am Pult. Die Rathaus Zeitung unterhielt sich mit dem Dirigenten, dessen Tätigkeit als GMD am Trierer Theater zum Ende der Saison nach 13 Jahren endet, über die Entstehung, Struktur und Botschaft der „Treveris-Fantasia“.

RaZ: Herr Dénes, was veranlasste Sie, die „Treveris-Fantasia“ zu komponieren?

GMD Dénes: Die Lateinlehrerin Birgit Auernheimer ist die Patin des Projekts. Sie kam vor gut drei Jahren auf mich zu und fragte, ob ich zu dem Text ein Lied komponieren könne. Zuerst habe ich abgewunken. Der Text lag dann etwa ein Jahr bei mir zu Hause. Irgend wann habe ich jedoch eine unglaubliche Kraft der Worte verspürt.

Hat Sie der Text so sehr fasziniert, dass Sie eine Vertonung überlegt haben oder passten die ausgewählten Worte zu schon verspürten Klangbildern?

Mir kam eine von mir bereits komponierte Fuge in den Sinn, die nach meinem Empfinden den dritten Teil „Armipotens“ der jetzigen Fantasie musikalisch genau traf. Das war der Ausgangspunkt der Vertonung. Um diese Fuge habe ich dann das ganze Stück aufgebaut.

Wie ist das Werk im Einzelnen strukturiert?

Als Gattung gehört es zur Kantaten-Form mit zwei Solo-Frauenstimmen, gemischtem Chor und Orchester, wobei dem Schlagzeug und der Solo-Violine eine besondere Rolle zukommt. Das Stück mit einer Dauer von circa 30 Minuten gliedert sich in zwölf Teile. Es hat starke rhythmische, teilweise tänzerische Elemente, erinnert aber auch an gregorianische, urchristliche Klänge. Deshalb bin ich sehr froh, dass das Werk mit St. Maximin in einer früheren Kirche mit außerordentlich bedeutungsvollem Umfeld uraufgeführt wird. Aber die musikalische Sprache ist nicht nur ernsthaft oder tiefgründig. Im Scherzo gibt es mit leichter Ironie durchaus auch witzige Anklänge an das bekannte Lied „O Mosella“ und im Intermezzo von „Treveris sonans“ erinnere ich an das besondere Klangbild der Trierer Glocken. Es fehlt auch nicht an Theatralik in dem Stück, beispielsweise für das Schlagzeug, das bei der Schilderung von Kampfszenen eine geradezu „barbarische Rolle“ spielt.

Was ist der Grundgehalt Ihrer musikalischen Aussage?

Ich habe versucht, mit der Musik auf der Grundlage eines ausdrucksstarken Textes eine mystische Versenkung in die Vergangenheit zu bewirken. Beispielsweise wollte ich bei dem Eingangstück „Treveris“ die uralten Gefühle von dem beschwörenden Charakter des mittelalterlichen Menschen darstellen. Die grundsätzliche Erfahrung der Mystik ist mir das wichtigste Anliegen. Sie verleiht uns Glaube und Kraft.

Neuzeitliche Kompositionen gelten oft als sehr schwer aufführbar. Wie ist das bei Ihrer Komposition?

Also ich denke, es ist ein anspruchvolles Werk mit „normalen Tönen“, um es mal so zu umschreiben. Für das Orchester hält sich die Herausforderung, denke ich, im Rahmen, aber für den Chor ist die Trier-Fantasie schon sehr schwer zu singen. Deshalb proben wir auch schon seit Juli vergangenen Jahres.

Stimmt es, dass dieses Werk Ihr musikalisches Abschiedsgeschenk als Trierer GMD für die Musikfreunde in der alten „Augusta Treverorum“ ist?

Die „Treveris-Fantasia“ war immer als ein Geschenk an diese Stadt gedacht. Dass daraus nun ein Abschiedsgeschenk geworden ist, macht es vielleicht noch schöner.

Das Gespräch führte Hans-Günther Lanfer