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06.12.2016

Heimat, das bin ich selbst

Emilie Valentin
Emilie Valentin
Mit dem Iraner Hamid Reza Yousefi, der vor 26 Jahren in Deutschland einen Neuanfang wagte, startete die neue Serie „Wir in Trier“ des Beirats für Migration und Integration. Im Fokus stehen zugewanderte Menschen, die über ihren Weg zur Integration erzählen. Im zweiten Teil wird die gebürtige Togoerin Emilie Valentin vorgestellt.

Als dritte von fünf Geschwistern wurde Emilie Valentin (Foto: privat) in einem kleinen Dorf in Togo geboren. Ihre Eltern, beide sehr gläubig, haben ihr Lebensweisheiten mit auf den Weg gegeben, die bis heute eine starke Wirkung entfalten: Der Vater, Landwirt und Hauptversorger der Familie, lehrte sie, furchtlos über die eigenen Grenzen hinaus zu gehen. Ihre Mutter vermittelte ihr, dass gute und schlechte Taten immer auch eine Wirkung auf einen selbst haben. Diese Prinzipien sollten sie fortan auf ihrem Lebensweg begleiten.

Durch eine Sehschwäche eingeschränkt, musste sie schon früh Mittel finden, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Ihre oberste Maxime war es schon als kleines Kind, vollkommen frei zu sein. Sie wollte niemanden herumkommandieren, sich aber gleichzeitig auch nicht von anderen herumkommandieren lassen. Nach der  sechsten Klasse zog die ganze Familie nach Mali, weil der Vater dort als Agraringenieur in der Entwicklungshilfe Arbeit gefunden hatte. Dort angekommen, mussten sie sich an eine neue Sprache gewöhnen und erfuhren zum ersten Mal Ablehnung.

In Mainz Deutsch gelernt

Der Vater arbeitete ständig in verschiedenen Ländern und um den Kindern das Leben zu erleichtern, traf die Familie die Entscheidung, sich zu trennen. Emilie Valentin wurde von ihrer großen Schwester und deren deutschem Mann adoptiert und wanderte mit ihnen als Jugendliche nach Deutschland aus.

In Mainz lernte Valentin in kurzer Zeit Deutsch und erinnert sich bis heute noch gerne an ihren Lehrer „Oncle Frank“, der ihr und ihrer Schwester Lea spielerisch und mit Leichtigkeit die Tür in eine neue Kultur öffnete. Anschließend begann sie eine Ausbildung zur Masseurin. Mit viel persönlichem Einsatz hat sie es geschafft, ihren Platz zu finden und sich durch Fortbildungen stets weiterzuentwickeln.

Nach Deutschland würde sie jederzeit wieder kommen. Auch wenn es in den letzten Jahren Rückschläge gab, so sieht sie sich als „Schülerin des Lebens“, die auch schwierigen Situationen Positives abgewinnen kann und daran wachsen will. Ganz in diesem Sinne sagt sie mit voller Überzeugung, dass Heimat für sie kein bestimmter Ort ist, sondern „Heimat, das bin ich selbst“. Sie hat bis heute gute Verbindungen nach Togo und schätzt die Erinnerungen aus ihrer Kindheit sehr. Heute lebt sie glücklich mit ihrer eigenen Familie in Trier. Sie ist davon überzeugt, dass jeder Mensch an einem beliebigen Ort der Welt leben kann, wenn er nur mit sich selbst im Reinen ist. Voraussetzung dafür sei die Bereitschaft, andere Menschen in ihrem Innersten zu verstehen.  Dann würden Mauern zwischen Hautfarben, Sprachen oder Herkunftsländern von ganz alleine fallen. Das Menschenbild von Emilie Valentin ist dabei universell: „Jeder hat Schattenseiten, das ist menschlich.“

Vor diesem Hintergrund kann Integration nur dann funktionieren, wenn beide Seiten bereit sind, Einsatz zu bringen. „Die Tränen einer anderen Person kann man nur trocknen, wenn man bereit ist, sich selbst die Hände nass zu machen.“ Beide Seiten müssten im Einklang mit sich selbst sein, um offen auf den anderen zugehen zu können.

Emilie Valentin ruht tief in sich selbst. Deshalb hat sie ablehnende oder rassistische Sprüche nie persönlich genommen. Hass sei immer zuerst ein Problem desjenigen, der ihn aussendet und nicht des Empfängers. Hinter Hass und fremdenfeindlichen Aussagen würden stets eigene Ängste und Nöte stehen, die nur auf andere projiziert würden. Allen Asylbewerbern kann sie deshalb nur raten, sich in einer solchen Situation selbst frei zu machen, auch wenn es im ersten Moment schmerzt. Es sei essentiell „immer zu hinterfragen, welche Signale man selbst aussendet und mit welcher Haltung man die Dinge angeht.“