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09.12.2008

Vom Kloster und Knast zur Kommunalpolitik

Das Bild zeigt eine Stadtratssitzung aus dem Jahr 1971: Viel hat sich in fast vier Jahrzehnten nicht verändert. Foto: Stadtarchiv Trier
Das Bild zeigt eine Stadtratssitzung aus dem Jahr 1971: Viel hat sich in fast vier Jahrzehnten nicht verändert. Foto: Stadtarchiv Trier
Von der mittelalterlichen Klosterkirche bis zum Gefängnis der französischen Besatzer, vom Armenhaus im 19. Jahrhundert bis hin zum heutigen Ratssaal – für die verschiedensten Zwecke wurde die ehemalige Augustinerkirche im Laufe der Jahrhunderte genutzt. Vor 40 Jahren, am 12. Dezember 1968, tagte der Stadtrat unter der Leitung von Oberbürgermeister Josef Harnisch erstmals in dem historischen Saal am Augustinerhof, der heute als Großer Rathaussaal bezeichnet wird.
Auf der Tagesordnung der 73. Stadtratssitzung stand neben der Haushaltssatzung für das Jahr 1969 auch die Würdigung von Stadträtin Martha Brach, die für ihre 20jährige Ratsmitgliedschaft geehrt wurde. Wie aus dem Sitzungsprotokoll hervorgeht, nahmen 41 Stadträte, darunter nur fünf Frauen, an dieser Premiere teil. Zuvor hatten die Sitzungen des städtischen Gremiums im Lesesaal der Stadtbibliothek stattgefunden.

Mobiliar aus den 60er Jahren

Wie auf den historischen Aufnahmen der ersten Ratssitzung zu erkennen ist, war der Saal damals noch restlos kahl – heute zieren unter anderem die Flaggen der Partnerstädte den Raum. Ansonsten hat sich in den vergangenen 40 Jahren im Ratssaal nicht allzu viel getan: Das Mobiliar stammt noch aus den 60ern, Stühle und Tische der Stadträte und auch des Stadtvorstands versprühen einen ganz eigenen Charme. Obwohl sich also das Erscheinungsbild in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht bedeutend geändert hat, hat der Ratssaal bereits eine bewegte Geschichte hinter sich.

Bei dem Saal handelt es sich um den Chor einer Klosterkiche, der aufgrund seiner hochgotischen Architektur in die Zeit um 1320/25 datiert wird. Die Kirche, deren Rest zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgerissen wurde, war Teil des Trierer Augustiner-Eremiten-Klosters. Der erhalten gebliebene Chor besteht nach Angaben von Dr. Angelika Meyer, Leiterin der städtischen Denkmalpflege, insgesamt aus vier Jochen und einem polygonalen 5/8-Chorschluss. Überwölbt ist der Raum mit einem Kreuzrippengewölbe. Die Schlusssteine, die runden, verzierten Steine im Scheitelpunkt des Gewölbes, sind alle unterschiedlich gestaltet. Der letzte im Chorschluss zeigt eine Abbildung des Agnus Dei, des Lamm Gottes.

Bei den Augustiner-Eremiten handelte es sich um einen Bettelorden, der sich besonders der Seelsorge widmete. Die Ordensklöster lagen oft am Rande der Stadt nahe der Stadtmauer, so auch in Trier. Ihre Kirchen waren für möglichst große Volksmengen konzipiert, Weite und Klarheit des Raums prägen die Architektur. Da der Orden der Armut verpflichtet war, waren die Kirchen, wie auch in Trier, in ihrer Ausdehnung und Höhe auf das notwendige Maß reduziert und in ihrer Ausstattung möglichst schlicht.

Nach dem Einmarsch der Franzosen im Jahr 1794 waren in den Klostergebäuden zunächst Truppen einquartiert. 1799 diente der Komplex als Gefängnis, kurz darauf als Reiterkaserne. Wenig später wurde das Kloster aufgehoben, Einrichtungsgegenstände versteigert. Ab 1804 durfte kein Gottesdienst mehr abgehalten werden. Ab 1810 wurde in dem inzwischen erweiterten Kloster ein Landarmenhaus eingerichtet. Bis auf den Chor, der zu einer katholischen Anstaltskirche umgebaut wurde, riss man die Kirche damals ab.

Bereits 1925 übernahm die Stadt das Gebäude und baute es als zweites Rathaus um. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem das alte Rathaus am Kornmarkt zerstört wurde, zog  die Stadtverwaltung in den 50er Jahren an den Augustinerhof. Die Augustinerkirche, die wie der gesamte Komplex 1944 beschädigt worden war, wurde erst in den späten 50er Jahren instand gesetzt. Im Rahmen der Umgestaltung wurde das Relief des abgebrochenen Neutors über der neuen Eingangstür eingebaut. Dieses bedeutende Werk romanischer Monumentalskulptur zeigt in der Mitte Christus, links davon Petrus und rechts vermutlich Erzbischof Eucharius. 1877 war das Neutor, das sich am Südende der Neustraße befand, abgebrochen worden. Das Relief kam als Leihgabe der Stadt in das neu gegründete Provinzialmuseum (heute Landesmuseum). 1965 nahm die Stadt es gegen den Protest des Museums zurück und ließ es im Sitzungssaal in der Originalhöhe des Neutors einbauen. Seit 1967 dient die Augustinerkirche der Stadtverwaltung als Großer Rathaussaal für Sitzungen und zur Repräsentation.