Sprungmarken
18.08.2009

Auf Tuchfühlung mit den Römern

n elf Jahren „Brot und Spiele“ bekamen etwa 220.000 Besucher viel Informatives rund um das römische Alltagsleben geboten. Im Amphitheater gab es spektakuläre Stunteinlagen zu sehen, wie der Sprung durch ein brennendes Rad (Foto) beim Spektakulum 2009.
n elf Jahren „Brot und Spiele“ bekamen etwa 220.000 Besucher viel Informatives rund um das römische Alltagsleben geboten. Im Amphitheater gab es spektakuläre Stunteinlagen zu sehen, wie der Sprung durch ein brennendes Rad (Foto) beim Spektakulum 2009.
Römische Geschichte zum Anfassen in den Kaiserthermen und das mitreißende Spectaculum „Schicksal in Flammen“ erlebten knapp
23 000 Besucher am vergangenen Wochenende bei „Brot und Spiele“. Die Veranstaltung der Stadt, organisiert von der Medienfabrik, war  ein voller Erfolg.

Rauch steigt auf über den Kaiserthermen, Römer in glänzenden Rüstungen schreiten mit Speer und Schild bewaffnet durch Vicus und Legionärslager, ärmlich gekleidete Sklaven beschlagen Schuhe.  Zwischen den Römern, die ihren Alltagsgeschäften im Vicus nachgehen, streifen mehrere Hundert neugierige, modern gekleidete Frauen, Männer und Kinder, die aus einer ganz anderen Welt stammen und denen die
Begeisterung für das Leben der römischen Kultur deutlich anzumerken ist. Einen guten Einblick in diese Zeit bietet ihnen das Geschehen von „Brot und Spiele“ in den Kaiserthermen, zu dem rund 15 000 Besucher aus den Nachbarländern und ganz Deutschland angereist sind. Wie Familie Argo aus Römerberg bei Speyer, die wegen des Römerspektakels extra den Schwedenurlaub verkürzt hat und in historischen Kostümen dem Treiben im Vicus beiwohnt.

Während sich eine Gruppe überwiegend Erwachsener die Waffe „Scorpio“ erklären lässt, mit der die Römer sechs Schuss in der Minute abfeuern konnten, zieht es die Kinder weiter zum Münzprägen. Aufmerksam lauschen Moritz, Claudia, Hannes und Florian den Erklärungen des „Sklaven“: „Wenn die Römer kein Wechselgeld hatten, haben sie eine Ecke von der Münze abgehauen, weil das Material entscheidend war. Das Bild war dagegen nur eine Werbefläche, zum Beispiel für das Gesicht des Kaisers.“ Danach schreiten die Kinder selbst zur Tat und prägen mit festem Schlag ihre eigene Münze.

Mit dem neuen Geld in der Tasche ziehen sie weiter zur Mühle. Hannes legt sich mit vollem Körpereinsatz ins Zeug, lässt seine Muskeln spielen, um aus Weizenkörnern Mehl zu mahlen. Daraus bereitet eine Frau mit Salz und Wasser einen Teig, der über dem offenen Feuer zu einem Brot gebacken wird. Es lässt sich geschmacklich von dem heutigen Vollkornbrot kaum unterscheiden. „8 000 Soldaten haben
1000 Mühlen mit insgesamt 40 Tonnen Stein mit sich herumgetragen, um Mehl für ihr Abendbrot zu mahlen“, bringt der römische Mühlenbauer die Zuhörer zum Staunen.

An Korbflechterinnen und der Töpferei streifen die wissbegierigen Massen vorbei, helfen ihrem Glück mit einem eigens für sie gefertigten Hufeisen etwas auf die Sprünge. Das können vor allem die kleinen Besucher gebrauchen, schließlich steht anschließend das Training in der Gladiatorenschule an. Hier lernen sie in einer Gruppe die richtige Kampftechnik, probieren sich mit dem Lehrer zunächst an einer Strohpuppe und müssen sich dann im Kampf gegen einen Soldaten mit Schwert und Schild behaupten. Wenn sie am Ende der Gladiatorenschule ihr Zertifikat in der Hand halten, sind sie für den Kampf in der Arena gerüstet. Doch bis es so weit ist, haben die jungen Gladiatoren noch etwas Zeit. Deshalb streifen sie, wie zahlreiche weitere Besucher, zum Exerzierfeld im Palastgarten, ziehen Kerzen, riechen an verschiedenen Kräutern und begutachten anschließend den Kampf der Reiter des Imperiums. Nach einer kleinen Schießübung mit Pfeil und Bogen setzt eine Wanderung der modernen Lagerbesucher Richtung Amphitheater ein. Dort tauchen sie in eines der geheimnisvollsten Kapitel der Geschichte Roms ein. Die 30 Grad warme Sonne brennt vom strahlend blauen Himmel, mit Regenschirmen und der Römerzeitung „Ave“ basteln sich die Besucher des ausverkauften Amphitheaters einen Sonnenschutz, bis sie vom neuen Spectaculum „Schicksal in Flammen“ von Alexander Etzel-Ragusa in ihren Bann gezogen werden. Das Schauspiel, das mit knapp 8 000 Besuchern fast ausverkauft war, sei ganz klar das Zugpferd gewesen, resümiert Ronald Frank von der Medienfabrik, die „Brot und Spiele“ im Auftrag der Stadt veranstaltet.

Bei den Gladiatorenkämpfen des Mailänder Instituts Ars Dimicandi fiebern die Besucher mit, ducken sich wie die Darsteller aus Schutz vor den Schwertern und geben ein mitfühlendes „Autsch“ von sich, wenn ein Schlag einen Gladiator zu Boden stürzen lässt. Eine Mischung aus Applaus und Bedauern ist dann in der Arena zu hören. Doch noch mehr als die Gladiatorenkämpfe, die stets nach festen Regeln ablaufen, bannt der mörderische Kampf um die Bücher, die das Schicksal Roms enthalten, die Zuschauer. Antigonos alias Tim Olrik Stöneberg, einst Sklave, nun Stadtoberhaupt der Augusta Treverorum, wird während der Handlung durch sein sicheres Spiel mit einem Mix aus Ernst, Verzweiflung und lockeren Sprüchen, zur Sympathiefigur des Spectaculums.

Während sich der Schatten immer mehr über den Besucherrängen, die wieder im Rund des Amphitheaters angesiedelt sind, ausbreitet, werden auch die Schicksalswolken über Antigonos Haupt immer dunkler. Die Besucher leiden mit ihm, wenn er im Kampf um sein Leben den lodernden Fackeln immer näher kommt und das Feuer im Gefecht seinen Körper nur kurz verfehlt. Sie halten den Atem an, als er durch einen brennenden Feuerring springt. Nach einigen weiteren zündenden Effekten wendet sich in Antigonos Leben alles zum Guten, mit Standing Ovations und tosendem Beifall feiern die Zuschauer die Darsteller.

Doch nach der beeindruckenden Show endet der Tag in Deutschlands ältester Stadt noch lange nicht. Beispielsweise erleben die Römer-Fans bei der Mystischen Nacht in historischer Kulisse eine unvergessliche, laue Sommernacht.

Tanja Jost