Sprungmarken
28.04.2015

"Trier ist mehr als nur Kulisse"

Simone Kaes-Torchiani in ihrem Büro im Rathaus.
Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani in ihrem Büro im Rathaus.
Simone Kaes-Torchianis achtjährige Amtszeit als Beigeordnete mit dem Geschäftsbereich Planung, Bauen, Umwelt und Verkehr geht in dieser Woche zu Ende. Zum Abschied sprach die Rathaus Zeitung (RaZ) mit der 59-Jährigen Christdemokratin über Lieblingsprojekte, Diplomatie und den Trend zur Politik nach Stimmungslage.

RaZ: Frau Kaes-Torchiani, Klaus Jensen hat Sie bei Ihrer Verabschiedung im Stadtrat eine „Verfechterin der Qualität“ genannt. Würden Sie sich das zu eigen machen und wenn ja, was waren denn die wichtigsten Qualitätskriterien für Sie als Baudezernentin?

Simone Kaes-Torchiani: Ich habe mich darüber gefreut, dass Herr Jensen den Begriff Qualität mit mir in Verbindung bringt. Wenn man unter Qualität versteht, dass man nicht die erstbeste Lösung umsetzt, sondern darum ringt, eine richtige und nachhaltige Lösung zu finden, dann kann ich mich gut damit identifizieren. Unter Qualität verstehe ich auch, dass man das Zeitfenster, das man für eine schwierige Operation wie zum Beispiel den Umbau der Bitburger Straße zur Verfügung hat, einhält. Qualität heißt aber auch, dass die Stadt ihre Verantwortung gegenüber ihrer Geschichte annimmt. Im Krieg sind viele Gebäude zerstört worden, aber das, was wir noch haben, müssen wir besonders wertschätzen. Dafür ist eine vernünftige Werbesatzung, eine vernünftige Sondernutzungssatzung und eine vernünftige Parkraumbewirtschaftung von hoher Bedeutung. Die Stadt Trier ist nicht nur die Kulisse, mit und vor der Geld verdient wird.

Sie sprechen hier eine Entwicklung an, die aktuell durch die sozialen Medien und Online-Foren verstärkt in Erscheinung tritt: Diskussionsteilnehmer sprechen scheinbar im Namen des Gemeinwohls, vertreten aber bei genauem Hinsehen rücksichtslos ihre eigenen Partikularinteressen. Ist das ein Trend, den Sie bestätigen würden und wie kann man dem entgegenwirken?

Es stimmt, der sich mündig und verantwortlich fühlende Bürger, mit dem ich es in den achtziger Jahren zu tun hatte ist immer mehr zu einem rabiaten Egoisten geworden. Respekt wird oft und laut eingefordert, aber nicht selbst gewährt: Vertreter der Verwaltung werden häufig nur als Fußabtreter für jedermann wahrgenommen, die man unter dem Beifall von Versammlungen beleidigen darf, eine Rolle übrigens, die ich nie akzeptiert habe. Verändert haben sich auch die von der Bevölkerung gewählten Vertreter. Im Laufe meines Berufslebens habe ich die Wandlung erlebt: Ratsmitglieder sind immer weniger bereit oder vielleicht auch nicht mehr in der Lage, sich eine auf rechtliche und sachliche Grundlagen gestützte, begründbare Meinung zu einem Sachverhalt zu bilden. Entscheidungen gegenüber den Bürgern zu begründen, fällt dann schwer.

Sie spielen auf den Flächennutzungsplan an?

Das ist ein gutes Beispiel. Viele Vertreter im Stadtrat und in den Ortsbeiräten können nicht mehr erklären, worum es dabei geht, die Gefahr, nur noch Stimmungen zu folgen, liegt auf der Hand. Zum Beispiel haben wir bei der Werbesatzung Workshops veranstaltet, haben mit den Vertretern aus der Wirtschaft, mit Verkäufern und Kunden, mit den Bürgern insgesamt, diskutiert, was wie und warum geregelt werden muss. Das waren sehr sachliche Veranstaltungen mit guten Ergebnissen. Dasselbe muss man eben auch zur Frage der Ausweisung von Wohngebieten machen. Es ist ein Erfordernis des Gemeinwohls, anderen Menschen zu ermöglichen, in der Stadt ein Zuhause zu finden. Denn die Alternative ist, dass mehr Wohngebiete im Umland ausgewiesen werden. Und wie kommen die Menschen aus dem Umland dann in die Stadt? Über unsere ohnehin stark belasteten Einfallstraßen. Viel besser ist es doch, die Menschen, die hier ihr Geld verdienen und möglichst auch ausgeben, finden in Trier ein bezahlbares Grundstück oder eine bezahlbare Wohnung.

Damit sind wir mitten in der aktuellen Debatte – in diesem Gespräch soll es aber auch um einen Rückblick auf Ihre gesamte Amtszeit gehen. Welche Projekte haben Trier in diesen Jahren voran gebracht, was ist besonders gut gelungen?

Mir lag es besonders am Herzen, Dinge anzupacken, die Jahrzehnte lang liegengelassen wurden, aber für eine Stadt von hoher Bedeutung sind. Zum Beispiel musste das Mobilitätskonzept, eine wirklich schwierige und langwierige Aufgabe, dringend zu Ende geführt werden. Ich denke, hier konnte wirklich ein Meilenstein gesetzt werden. Aber mein Lieblingsprojekt war Trier-West, ein Stadtteil, der lange vergessen wurde, aber viel Charme und einen rauen Esprit hat. Mit dem Masterplan hatten wir den richtigen Riecher, wie sich jetzt in der erhöhten Zuschussbewilligung der Bundes- und Landesregierung und mit der Reaktivierung der Westtrasse zeigt. Ich freue mich auch, dass ich als Aufsichtsratsvorsitzende die EGP für das Gelände Eybl-Bobinet begeistern konnte. Man muss andere dazu motivieren, an solchen Projekten mitzuarbeiten. Das ist etwas, was mir besonders viel Freude bereitet hat.

Dabei heißt es immer, Sie seien undiplomatisch…

Wenn das Ansprechen von Problemen, die klare Formulierung von Zielen und das Nennen von Fakten vermieden werden muss, um nach Trierer Maßstäben diplomatisch zu erscheinen, dann lebe ich lieber mit dem Ruf, dafür nicht geeignet zu sein. Und im Übrigen: Einen Grundstücksbesitzer in Trier-West von den Möglichkeiten seiner wunderbaren Lokrichthalle zu überzeugen und ihn dazu zu bewegen, den Bebauungsplan mitzutragen – ob das ein Zeichen mangelnder Diplomatie ist, wage ich zu bezweifeln.

Das Thema würde ich gerne kurz vertiefen. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wie die Lokrichthalle umgenutzt werden sollte…?

Die Lokrichthalle ist ein mächtiges Bauwerk, das lange Zeit Arbeitsstelle für viele Menschen in Trier-West war. Man hat sich damit identifiziert, dort sein Brot verdient und in der Nähe, in der Eisenbahnersiedlung, gewohnt.  Die Halle ist ein wichtiger Teil der Entwicklungsgeschichte dieses Stadtteils, ein Rohdiamant, den man in seiner Besonderheit achten und fassen muss. Und weil sie so wichtig für den Stadtteil ist, muss man sorgfältig überlegen, wie sie in Wert zu setzen ist. Deshalb finde ich es sehr gut, dass der Eigentümer jetzt zum wiederholten Male die Hochschule in das Projekt eingebunden hat. Ich persönlich könnte mir sehr gut ein Haus im Haus vorstellen, also ein Mix aus kleinem Gewerbe, Wohnungen und Büros.

Welche Rolle spielt die Römerbrücke – ein Weltkulturerbe, das derzeit deutlich unter Wert präsentiert wird –  für den Stadtumbau Trier-West?

Die Römerbrücke gehört dazu, die Dinge greifen ineinander. Wir haben mit dem Wettbewerb zur Römerbrücke die entscheidende Voraussetzung geschaffen. Jetzt muss es der Stadt gelingen, den Zuschlag für die vom Bund zusätzlich ausgelobten Städtebaufördermittel zu erhalten. Dann wäre eine dem Weltkulturerbe angepasste Gestaltung der Römerbrücke in puncto Beleuchtung, Geländer, Einfassung und Verkehrsverteilung möglich. Wir werden in den nächsten Jahren die Römerbrücke nicht vom Verkehr befreien können, das würde das Trierer Verkehrsnetz nicht verkraften. Aber viele Dinge, die in den vergangenen Jahren lieblos und nur autogerecht gemacht worden sind, müssen einfach zurückgebaut werden.

Nächstes Reizthema: Fahrradverkehr. Da gibt es ja Kritik von beiden Seiten: Für viele Fahrradfahrer und -aktivisten ist die Förderung des Radverkehrs in Trier trotz Verbesserungen weiterhin unzulänglich, während es Gegner des Radverkehrs gibt, die bei jedem neuen Radweg auf die Barrikaden gehen. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Wenn in Trier zum Beispiel die Schüler morgens gefahrlos auf Radwegen in die Stadt fahren und zu den Schulen gelangen können, haben wir schon viel erreicht. Ein Ansatz ist in der Herzogenbuscher Straße gemacht worden, ein weiterer bis nach Mariahof hinauf und mit der Nord-Süd-Trasse über den Nikolaus-Koch-Platz und die Treviris-Passage bis zur Porta Nigra. Die Konzepte für den weiteren Ausbau sind da. Ich hoffe, es ist mir in den letzten Jahren gelungen, das Thema ins Bewusstsein zu heben. Jedenfalls hat uns der ADFC für das Erreichte seit 2012 mit einem Preis bedacht.

Wir haben Ihre Lieblingsprojekte angesprochen, Dinge, die Sie bewegt haben. Gibt es auch Vorgänge und Ereignisse, bei denen Sie im Nachhinein sagen: Das hätte ich lieber anders gemacht?

Vielleicht bedauere ich, dass ich nicht noch mehr für wichtige Anliegen geworben habe, dass ich nicht selber mehr in die Öffentlichkeit gegangen bin. Die Burgundersiedlung auf dem Petrisberg hätte ich gerne noch vollendet gesehen. Der Rahmenplan liegt seit einigen Jahren in der Schublade und wir sind uns seit anderthalb Jahren mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben über den Verkauf einig. Doch leider gibt es noch keinen Konsens in den politischen Gremien.

Was macht Simone Kaes-Torchiani ab Mai? Sie haben ja bereits angekündigt, dass Sie weiter in Trier wohnen werden.

Ja, die Stadt ist in den acht Jahren meiner Amtszeit ein Stück Heimat geworden und ich werde auch in Trier bleiben. Im Mai mache ich erst einmal Urlaub und wenn ich zurückkomme, ist ein Praktikum bei einem Goldschmied geplant, damit erfülle ich mir einen Jugendwunsch. Ansonsten werde ich die Möglichkeit nutzen, wieder mehr Sport zu treiben. Alles weitere bleibt eine private Angelegenheit der Privatperson Simone Kaes-Torchiani.

Das Gespräch führte Ralph Kießling