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26.08.2008

Zurück in die europäische Völkerfamilie

Bei der festlichen Stadtratssitzung im Museum Simeonstift waren das Rednerpult mit der Stadtfahne und die Tische mit den Fahnen der beiden Nationen und ein paar Astern geschmückt.
Bei der festlichen Stadtratssitzung im Museum Simeonstift waren das Rednerpult mit der Stadtfahne und die Tische mit den Fahnen der beiden Nationen und ein paar Astern geschmückt.
Als vor 50 Jahren die Städtepartnerschaft mit Ascoli Piceno mit einer Feier im Museum Simeonstift offiziell besiegelt wurde, war damit für Trier – 13 Jahre nach dem Zusammenbruch Hitler-Deutschlands – auch ein Stück Wiedereingliederung in die europäische Völkergemeinschaft und Städtefamilie verbunden. Bereits ein Jahr zuvor, 1957, war es auf Initiative der französischen Nachbarstadt Metz zu einem ersten kommunalen Brückenschlag über die Grenzen gekommen. Auch bei dem etwa 1 300 Kilometer von Trier entfernt liegenden Ascoli Piceno waren es in erster Linie die Italiener, die das Band der Freundschaft zwischen den beiden Augustus-Städten knüpften. Die Trierer waren für diese Entwicklung in der noch immer vom Krieg gezeichneten Stadt dankbar.

Und so wurde vor 50 Jahren der Verschwisterung mit Ascoli große Aufmerksamkeit und Zustimmung zuteil. Seitenlang berichteten die Medien über die Besiegelung der Städtefreundschaft, die sie in großen Lettern als „Baustein zur Errichtung des freien Europas“ feierten.

Kommunales Miteinander

Zum 50jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft werden nach den Jubiläumsfeierlichkeiten Anfang August in Ascoli zum kommenden Wochenende jetzt eine offizielle Delegation und eine etwa 20 Mitglieder umfassende Bürgergruppe, darunter zwei Schüler, aus der Stadt am Tronto in Trier erwartet. Fast auf den Tag genau wird ein halbes Jahrhundert nach der Besiegelung im Rahmen einer feierlichen Stadtratssitzung im Großen Rathaussaal das kommunale Miteinander über fünf Jahrzehnte gefeiert. Oberbürgermeister Klaus Jensen und sein italienischer Kollege Piero Celani werden die Bedeutung bürgerschaftlicher Kontakte würdigen und die Notwendigkeit des europäischen Miteinanders unterstreichen. Zum Besuchsprogramm steuert Ascoli mit einer Folkloregruppe und einer „italienischen Opernnacht“ im Trierer Theater (Sonntag, 18 Uhr) eine ganz besondere Note bei.

Mit Kostüm und Handtasche

Man wird den italienischen Gästen, zu denen mit dem Trierer Ehrenbriefträger Dott. Giovanni Cipollini ein besonders engagierter Freund der Moselmetropole gehört, wie vor 50 Jahren die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen. Damals waren allerdings die Kriegszerstörungen noch an vielen Stellen sichtbar. Um so größer war 1958 die Freude, den Gästen aus Italien mit neuen Schulen, einer noch im Bau befindlichen Stadtbibliothek und dem gerade fertig gestellten Südbad auch zukunftsweisende moderne Bauten präsentieren zu können. Insgesamt gab man sich eher bescheiden. Die Essen waren nicht üppig, das Gläschen Sekt oder Riesling trank man aus Treveris-Gläsern, wie man sie heute allenfalls noch in Omas Glasvitrine findet. Die Damen trugen im Stil der 50er Jahre Sommerkleider oder Kostüm mit Handtasche und vielfach den dazu passenden Hut. Und im Gegensatz zu den deutschen Gastgebern ragten die Italiener schon damals mit ihren Sonnenbrillen aus dem allgemeinen Bild heraus.

Erste Auslandsreise

Ascolis damaliger Bürgermeister Serafino Orlini war mit einer 15 Mitglieder umfassenden Delegation nach aufwändiger Reise, begleitet von Beigeordneten der Stadt, Tourismusvertretern, Senatoren der italienischen Republik und dem Repräsentanten des Bischofs, an die Mosel gekommen. Und er schätzte sich, so ein Zeitungsbericht, glücklich, dass „ihm mit 66 Lebensjahren seine erste Auslandsreise nach Trier geführt habe“. Die italienischen Gäste zeigten sich nicht nur von dem ausführlichen Besichtigungsprogramm und einem Empfang beim damaligen Bischof Matthias Wehr, sondern auch von den Eindrücken bei der Fahrt durch die Bundesrepublik so begeistert, dass man beschloss, sich auf der Rückreise noch mehr von dem (unbekannten) Land nördlich der Alpen anzuschauen.
Herausragender Moment

Die eigentliche Stadtratssitzung mit der Besiegelung der Städtefreundschaft in den Ersatzräumlichkeiten des Museum Simeonstifts am 31. August 1958, einem Sonntagmorgen, war ein herausragender Moment für die noch kurze Trierer Stadtgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Saal war mit einer Petrusfahne am Rednerpult und den Flaggen der beiden Nationen auf den Tischen einfach, doch für damalige Verhältnisse festlich geschmückt. In ihren Ansprachen wiesen die Redner mit dem Heiligen Emygdius, der in römischer Zeit aus Trier über Mailand und Rom als erster christlicher Bischof nach Ascoli kam, auf den eigentlichen Begründer der Städteverbindung hin. Nach dem zurückliegenden Leid der kriegerischen Auseinandersetzungen priesen die beiden Bürgermeister das hohe Gut des neuen kommunalen Miteinanders. Sie sahen hierin einen wichtigen Schritt für das gemeinsam zu schaffende Europa in Frieden und Freiheit. Triers damaliger Oberbürgermeister Dr. Heinrich Raskin, der gemeinsam mit Serafino Orlini die Städtepartnerschaftsurkunde unterzeichnete, fasste die Bedeutung des Tages in dem Satz zusammen: „Die Stadt Trier tritt mehr als je aus ihren Grenzen heraus.“ Er konnte nicht ahnen, dass es diese Grenzen in Europa 50 Jahre später nicht mehr geben würde.