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03.03.2015

Anwälte in eigener Sache

Die Kursteilnehmer freuen sich über ihre Urkunden
Nach der Auszeichnung durch Bürgermeisterin Angelika Birk (l.) präsentieren die neu ausgebildeten Seminartrainer Sandra Peters, Magdalena Kronz, Fabian Zerfaß, Ulla Richarz, Tim Steinmann, Thomas Marquard und Dominik Rößler (v. l.) ihre Urkunden.
Menschen mit Behinderung können sich als Experten so glaubwürdig und authentisch wie niemand sonst für ihre eigenen Anliegen einsetzen: Das zeigte der einwöchige Kurs „Meine Rechte – meine Stimme“ in der Volkshochschule.

Ulla und Fabian würden gerne die Porta besichtigen und den Rundblick über Trier genießen. Doch Ulla sitzt im Rollstuhl und kann deshalb nicht mit. „Dann lass uns wenigstens auf den Vorplatz gehen und die Porta von unten anschauen“, schlägt Fabian vor. Doch selbst das ist für Ulla gar nicht so einfach: „Schaffst du es denn, mich über die steile Rampe zu schieben?“

Mit dieser ausgedachten Szene, die sich aber jeden Tag so oder ähnlich in Trier tatsächlich abspielen könnte, verdeutlichten Ulla Richarz und Fabian Zerfaß zum Abschluss des Seminars, mit welchen Schwierigkeiten Menschen mit Handicap im Alltagsleben immer noch zu kämpfen haben. Und sie zeigten, dass es für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention noch vieler Anstrengungen bedarf, zum Beispiel beim Zugang zu öffentlichen Gebäuden, beim Recht auf bessere Information durch Verwendung von Brailleschrift und Leichter Sprache, bei der Barrierefreiheit von Wegen und beim Einsatz moderner Technologie für die Erschließung von Internetseiten. „Wenn man diese Punkte befolgt, hat jeder Mensch mit Behinderung ein einfacheres Leben“, erklärt Fabian Zerfaß.

Ulla, Fabian und fünf weitere junge Trierer mit Lernschwierigkeiten sind jetzt Anwälte in eigener Sache: Bei der einwöchigen Schulung zum Trainer wurden die einzelnen Artikel der UN-Konvention, die in Deutschland seit 2009 eingehalten werden muss, vertieft. Zugleich lernten die Teilnehmer Präsentationstechniken und das Sprechen vor Publikum. Jetzt können sie ihr Wissen weitertragen, zum Beispiel bei Seminaren zum Thema Inklusion für Mitarbeiter von Behinderteneinrichtungen, Verwaltungen oder Unternehmen.

Bürgermeisterin Angelika Birk, die den Teilnehmern die Abschlussurkunden überreichte, schlug einen Einsatz in der Europäischen Rechtsakademie vor: „Die Juristen, die die Gesetze formulieren und auslegen, haben es verlernt, in einfacher Sprache zu sprechen. Sie dagegen haben gezeigt, dass Sie wichtige Dinge in wenigen, einfachen Sätzen ausdrücken können.“

Angeboten und konzipiert wird die Ausbildung für Menschen mit Lernbehinderung von der Diakonischen Akademie für Fort- und Weiterbildung in Moritzburg bei Dresden. Nach Sachsen, Berlin und Brandenburg war Trier jetzt die erste Station im „Westen“ – dank Gisela Sauer: Die VHS-Mitarbeiterin erlebte in Berlin eines der Seminare mit, war sofort begeistert und organisierte den Transfer der Veranstaltung nach Trier. Partner vor Ort waren die Lebenshilfe-Werke und die Porta-Ni-gra-Schule. kig