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22.08.2023

Stadt Trier als virtuelle Welt

Die Bildschirmaufnahme zeigt ein Baugebiet mit Flächeneinzeichnungen und dreidimensionalen Gebäuden
Für das Baugebiet Castelnau-Mattheis werden hier Bilder aus einer Drohnenbefliegung mit dem Bebauungsplan und einem abstrahierten Hintergrund kombiniert. Abbildung: Amt für Bodenmanagement und Geoinformation
Stadtplan war gestern: Die Straßen, Gebäude und Grünflächen von Trier wurden jetzt in ihren Höhen vermessen und zu einem dreidimensionalen „digitalen Zwilling" der Stadt zusammengesetzt. Auch die Bürgerinnen und Bürger können mit ihm am Bildschirm die Stadt aus allen Blickrichtungen neu erleben.

„Bundesweit spielen wir mit der neuen 3D-Anwendung im oberen Bereich der Bundesliga", freute sich Dezernent Dr. Thilo Becker bei der Vorstellung der Plattform vor der Presse. Mit der Einführung der 3D-Anwendung ergäben sich für die Verwaltung „völlig neue Möglichkeiten" für Analysen, Visualisierungen und Kommunikation. In Rheinland-Pfalz ist Trier die erste Stadt, die ihren „digitalen Zwilling" frei im Internet zur Verfügung stellt.

Über 100.000 Gebäude wurden für das 3D-Portal in ihrer räumlichen Darstellung automatisiert erfasst, teils mit Luftbildern verschnitten und unter anderem um ein 3D-Baumkataster ergänzt. Die Daten stammen zum einen von der Landesvermessungsverwaltung Rheinland-Pfalz, zum anderen aus der Stadtverwaltung selbst. Dies garantiert korrekte Grundrisse und eine maßstabsgetreue Abbildung. Durch regelmäßige Luftbildaufnahmen werden die Daten immer wieder aktualisiert, sogar die Höhe der Bäume.

Der Öffentlichkeit stehen zwei verschiedene 3D-Modelle zur Verfügung: ein abstrahiertes und ein fotorealistisches. Beim abstrahierten Modell werden in „Klötzchenoptik" sogenannte Gebäudekubaturen mit Dachformen angezeigt. Bauwerke wie Windkraftanlagen im Landkreis oder die Mariensäule wurden als Einzelmodelle eingefügt. Das fotorealistische Modell wurde aus Luftbildern aus dem Frühjahr 2022 abgeleitet. Zu den Modellen können verschiedene Hintergrundkarten eingeblendet werden, unter anderem die detaillierte Stadtkarte und Luftbildaufnahmen.

Von den circa 250 Datensätzen aus dem seit 2017 bestehenden 2D-Geoportal wurden viele in das 3D-Portal übertragen. Informationen zu öffentlichen Einrichtungen, Tourismus, Freizeit und Verkehr können über den Menüpunkt „Inhalte" hinzugeschaltet werden. Auf diese Weise können beispielsweise die Standorte der Stadtverwaltung, Schulen oder Infos über die Unesco-Welterbestätten eingeblendet werden.

Für die Darstellung in 3D wird eine frei verfügbare Open-Source-Software verwendet. Sven Schröter, Geschäftsführer der Firma NetGIS, die die Anwendung in einem Kooperationsprojekt für Trier realisiert hat, weiß: Entwickelt hat sie mit Millionenaufwand der Computerspielegigant Epic Games, der sie jetzt unter dem Namen „Cesium" der internationalen Entwicklergemeinschaft kostenlos zur Verfügung stellt. Sie bildet in der Welt der Geodatenanwendungen inzwischen ein Gegengewicht zu Google Earth. Die Stadt wählt mit Cesium sowohl ein kostengünstiges Modell als auch einen internationalen Standard.

„Wir stehen mit den Basis-Modellen erst am Anfang der Möglichkeiten", erläuterte Heiko Nowak, Leiter des zuständigen Amts für Bodenmanagement und Geoinformation. In Zukunft könnten die unterschiedlichsten Szenarien anschaulich abgebildet werden. Denkbar wären Hochwassergefahrenkarten, bei denen man per Regler das Wasser in der Stadt virtuell steigen lassen kann. Oder Schattenanalysen, in denen der Sonnenstand simuliert wird. Auch die Ausbreitung von Lärm könnte in Zukunft dreidimensional analysiert und dargestellt werden. Bereits jetzt können neue Gebäude in die Modelle hineinmontiert werden, um zu sehen, wie sie sich in die jeweilige Umgebung einpassen würden.

Zukünftig sollen 3D-Anwendungen auch in der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden. Denkbar ist dies bei Bürgerbeteiligungen, Planungsprozessen, energetischen und klimatischen Fragestellungen sowie im Katastrophenschutz. Die Simulationen können sowohl als Diskussionsgrundlage dienen als auch dazu, getroffene Entscheidungen zu veranschaulichen.

Britta Bauchhenß