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23.02.2010

Rathaus aus Verzweiflung besetzt

Auf einer wahren Begebenheit basiert Carl Zuckmayers in den 30er Jahren uraufgeführtes Stück „Der Hauptmann von Köpenick“. Der
historische Friedrich Wilhelm Voigt, ein aus Ostpreußen stammender Schuhmacher, wurde durch seinen spektakulären Überfall auf das Rathaus von Köpenick bei Berlin bekannt. In das Gebäude drang er 1906 als Hauptmann verkleidet mit einem Trupp gutgläubiger Soldaten ein, verhaftete den Bürgermeister und raubte die Stadtkasse.

Gerhard Webers Neuinszenierung, die am Sonntag, 14. März, 19.30 Uhr, im Großen Haus des Theaters Premiere feiert, beschäftigt sich aus aktueller Sicht mit dem Überlebenskampf Wilhelm Voigts. In den Mittelpunkt rückt sie die Tragik der sozialen Ausgrenzung, wie sie heute in Zeiten von Hartz IV und penibel geregelten Abschiebungsgesetzen viele Menschen erdulden müssen. Doch auch der Humor kommt nicht zu kurz, gilt er doch für Voigt als treffsicheres Mittel zur Wehr gegen jegliche Form der Willkür.

Wegen eines Kavaliersdeliktes verbrachte Voigt mehrere Jahre im Gefängnis und arbeitete nach seiner Entlassung im Ausland. Heimgekehrt nach Berlin, bleibt ihm nichts anderes übrig, als seinen Namen zu fälschen, um nicht als vorbestraft zu gelten. Doch der Schwindel fliegt auf und der Teufelskreis nimmt seinen Lauf. Voigt erhält keinen Pass, weil man ihn aus dem Melderegister gestrichen hat. Eine Arbeit wird ihm jedoch nur dann in Aussicht gestellt, wenn er sich ausweisen kann. Eine Aufenthaltsgenehmigung hingegen ist nur möglich mit Beschäftigungsnachweis. Die Mühlen der deutschen Bürokratie führen unweigerlich in die Absurdität, schlimmer noch: Sie verhindern systematisch Voigts Wiedereingliederung in die Gesellschaft. So kauft er sich aus purer Verzweiflung eine alte Uniform und besetzt das Rathaus von Köpenick, um Pass und Aufenthaltsgenehmigung zu erzwingen.

In der Hauptrolle der Trierer Inszenierung steht Klaus-Michael Nix auf der Bühne, während das gesamte Schauspielensemble in die zahlreichen Nebenrollen schlüpft. Ein Theatercafé zu dem tragikomischen „Hauptmann von Köpenick“ findet am Sonntag, 7. März, 11.15 Uhr, im Foyer des Theaters statt.
  • Weitere Aufführungen im März: Dienstag, 16., 20 Uhr, Samstag, 20., 19.30 Uhr, Freitag, 26., 20 Uhr, und Sonntag, 28., 16 Uhr. Karten an der Theaterkasse: 0651/718-1818.