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25.11.2014

"Vereine verkaufen sich unter Wert"

Frauenelite beim silvesterlauf 2013
Teilnehmerinnen des Elitelaufs der Frauen beim Trierer Silvesterlauf 2013 kämpfen um eine gute Ausgangsposition. Die Zusammenstellung eines international hochkarätigen Starterfelds ist für den Silvesterlaufverein nur durch die Zusammenarbeit mit zahlungskräftigen Sponsoren möglich.Foto: Silvesterlauf Trier
Mäzene oder Sponsoren, Ehrenamt oder Hauptamt – in diesem Spannungsfeld bewegte sich die Diskussion beim vierten Trierer Sportgespräch. Als Teilnehmer der Podiumsdiskussion zum Thema „Sport & Wirtschaft“ in der Sportakademie begrüßte Bürgermeisterin Angelika Birk Wolfgang Esser, Geschäftsführer der Arena Trier, den Sportjournalisten und Initiator des Trierer Silvesterlaufs, Berthold Mertes, und den Tourismusexperten Ole Seidel. Dr. Herbert Fischer-Drumm moderierte die Runde.

Viele Trierer Sportvereine stehen vor zwei großen Problemen: Die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement geht zurück und die Zahl zahlungskräftiger Sponsoren in der Region ist überschaubar. Es gibt zwar gerade im Breitensport noch viele Mäzene, die aus persönlicher emotionaler Verbundenheit einen Verein unterstützen, doch der Trend geht eindeutig zu einem kommerzialisierten Sponsoring, bei dem der Geldgeber einen Gegenwert für seine Investition erwartet. Das wiederum erfordert seitens der Vereine professionelle Strukturen. Sobald ein großer Breitensportverein wie etwa der FSV Tarforst eine „kritische Masse“ erreicht hat, stellt sich daher die Frage nach hauptamtlichen Mitarbeitern.

Der Silvesterlaufverein hat diese Entwicklung bereits hinter sich, wie Berthold Mertes berichtete. Bei einem  Veranstaltungsbudget von circa 100.000 Euro befinde man sich heute an der Schwelle zu einem rein professionellen Management. Die Bitburger Brauerei als Hauptsponsor achte genau darauf, dass die Bedingungen des 20-seitigen Vertrags eingehalten werden. „Das heißt, dass die Arbeit für uns erst nach dem Abschluss des Sponsoringvertrags richtig anfängt.  Wir müssen darauf achten, dass die Banner richtig platziert sind, dass auf der Pressekonferenz die richtigen Getränke ausgeschenkt werden und dass der Sponsorenname vom Moderator häufig genug genannt wird“, verdeutlichte Mertes in seinem Diskussionsbeitrag. Von einer ähnlichen Entwicklung bei den Trierer Bundesliga-Basketballern berichtete Wolfgang Esser. Vor 25 Jahren sei der Etat noch zu 80 Prozent aus den Eintrittserlösen erwirtschaftet worden. Heute sei man zu 75 Prozent auf Sponsoren aus der Wirtschaft angewiesen.

Wertschöpfung aus dem Ehrenamt

Während Esser und Mertes den Vereinen dazu rieten, sich auf die Bedingungen des kommerziellen Sponsorings einzulassen und den Schritt zu hauptamtlichen Mitarbeitern zu wagen, plädierte Angelika Birk für eine Stärkung des Ehrenamts. Sie erinnerte an die enorme Wertschöpfung, die aus der freiwilligen Arbeit entstehe. „Das spiegelt sich nicht im Bruttosozialprodukt, aber trotzdem: Ohne Ehrenamt wäre unsere Stadt arm.“

Viele Menschen würden sich gerne als Übungsleiter engagieren, seien aber beruflich zu stark eingespannt. Andererseits gebe es in vielen Branchen derzeit einen Fachkräftemangel. Vielleicht, regte Birk an, lasse sich daraus eine neue Form des Sponsorings ohne Geldfluss generieren: Die Firmen geben ihren Mitarbeitern Freiraum für die Vereinsarbeit und können sich mit diesem Angebot einen Vorteil bei der Suche nach qualifizierten Bewerbern verschaffen. Das Freizeitangebot einer Stadt, bestätigte Ole Seidel, werde als „weicher“ Standortfaktor immer wichtiger.

In einem Punkt waren sich alle Diskutanten einig: Die in den Vereinen geleistete Arbeit steht in keinem Verhältnis zu den finanziellen Erträgen. Esser zog den Vergleich zu anderen Freizeiteinrichtungen: „In der Musikschule sind 20 Euro pro Stunde selbstverständlich, Fitnessstudios verlangen bis zu 60 Euro monatlich.“ Bei Sportvereinen seien solche Mitgliedsbeiträge trotz geschulter Übungsleiter utopisch. Mertes stimmte zu: „Die Sportvereine verkaufen sich unter Wert.“ Eine kurzfristige Änderung der Situation sei aber kaum möglich, denn eine deutliche Erhöhung der Beiträge werde von den Mitgliedern nicht akzeptiert. Zumindest aber, so Seidel, sollten die Vereine offensiver für ihre qualifizierten Trainingsangebote werben.kig