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09.09.2008

Größte Gefahr lauert in der eigenen Familie

Nicht zuletzt durch die grauenhaften Todesfälle Kevin in Bremen und Lea Sophie in Schwerin rückten Kindesmisshandlungen in den Brennpunkt öffentlicher Diskussionen. Um solche Tragödien zu verhindern und Missstände möglichst schnell und effizient beheben zu können, reagierte der Gesetzgeber. Im März trat das Landesgesetz zum Schutz von Kindeswohl und Kindergesundheit in Kraft. Im Blickpunkt stehen der Ausbau früher Hilfen und eine verbindliche Einladung zur Früherkennungsuntersuchung des Kindes. Das Gesundheitsamt hakt nach, wenn ein Kind nicht beim Arzt vorgestellt wurde. Für eine Bilanz, ob die Neuregelung die Vorbeugung verbessert, ist es nach Einschätzung von Dr. Marlene Witek, Leiterin des jugendärztlichen Dienstes im Trierer Gesundheitsamt, aber noch zu früh.

„Guter Start ins Kinderleben“

Das städtische Jugendamt hat bereits die Regelungen des neuen Gesetzes umgesetzt und die Stelle im Sonderdienst Missbrauch/Misshandlung des Jugendamts um ein Viertel aufgestockt. Zudem steht eine Mitarbeiterin mit einer halben Stelle, die vom Land finanziert wird, für die Netzwerkbildung zur Verfügung. Trier ist damit eine der ersten Kommunen der Region, die diese Positionen schon besetzt hat. In Trier funktionierte nach Einschätzung des Jugendamts die Kooperation mit der Polizei und dem Gesundheitsamt bereits vorher sehr gut. Nur so wird verhindert, dass wie bei Kevin in Bremen gravierende Warnungen ins Leere laufen.
Eine wichtige Rolle spielt der Runde Tisch des länderübergreifenden Modellprojekts „Guter Start ins Kinderleben“: Dort tauschen sich etwa alle zwei Monate Vertreter des Jugend- und Gesundheitsamts und Hebammen über schwierige Fälle aus.

Obwohl in Trier die Zahl der Meldungen über misshandelte Kinder und Jugendliche 2007 auf 28 anstieg, deutet das nach Einschätzung des Jugendamts weniger auf eine zunehmende Brutalität hin, sondern eher auf eine wachsende Sensibilität in der Bevölkerung. Bei den 28 aktenkundigen Fällen, das sind 0,17 Prozent aller Kinder bis 18 Jahre, waren Mädchen mit 17 Opfern überdurchschnittlich stark betroffen.

Nach wie vor lauert die größte Gefahr für Kinder in der Familie: In 26 von 28 Fällen kam der Täter aus dem direkten Umfeld. Daher setzen die wichtigsten Hilfen des Jugendamts dort an. Eine große Rolle spielen sozialpädagogische Familienhilfen, für die die städtischen Ausgaben in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Dass das Geld gut angelegt ist, zeigt ein früherer Fall: Eine Familie lebte unter katastrophalen hygienischen Verhältnissen, zwei der drei Kinder fehlten unentschuldigt in der Schule. Die völlig überforderte Mutter nahm die Hilfe an und die Situation verbesserte sich grundlegend. In ähnlichen Fällen kommt es ohne frühzeitiges Einschreiten des Jugendamts leicht zu Gewaltausbrüchen gegen Kinder.

Engere Kooperation mit Gerichten

Demnächst soll außerdem ein Gesetz verabschiedet werden, das ein früheres Eingreifen der Familiengerichte zulässt. Sie sollen stärker auf die Eltern einwirken, damit sie früher die Hilfe des Jugendamts annehmen. Um diese Vorgaben des Gesetzes zu erfüllen, muss die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Familiengerichten weiter intensiviert werden.