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25.10.2022

Nicht aufgeben, nicht vergessen

Beate und Serge Klarsfeld
Beate und Serge Klarsfeld – hier bei einer Lesung im Jahr 2019 – haben mit großem Tatendrang und viel Mut dazu beigetragen, Nazi-Verbrechen aufzudecken. Foto: Wikicommons
Das Ehepaar Beate und Serge Klarsfeld hat viel getan, um Nazi-Verbrechen ans Licht zu bringen – auch die des als „Schlächter von Lyon" bezeichneten und in Trier aufgewachsenen Klaus Barbie. Die Geschichte der Eheleute und ihre Verdienste stehen im Fokus einer Graphic Novel, die das Buch des Monats Oktober in der Wissenschaftlichen Bibliothek ist.

Hält man die Meldekarte von Klaus Barbie aus dem Bestand des Stadtarchivs Trier in den Händen, beschleicht einen ein mulmiges Gefühl. Klaus Barbie, später wegen seiner Bestialität während des NS-Regimes als „Schlächter von Lyon" berüchtigt, absolvierte in Trier seine Schuljahre. Der erste Eintrag auf seiner Meldekarte ist von Mai 1925, er war elf Jahre alt. Es bedurfte vieler Entscheidungen von ihm, um ein berüchtigter Verbrecher zu werden.

Mehr als sechs Jahrzehnte nach diesem Eintrag fand in Lyon ein Prozess gegen Barbie statt. Seine Auslieferung nach Frankreich war dank des unermüdlichen Einsatzes von Beate und Serge Klarsfeld möglich. Die Geschichte der Eheleute Klarsfeld und ihr Engagement bei der Aufklärung von NS-Verbrechen erzählt die Graphic Novel von Pascal Bresson und Sylvian Dorange. „Beate & Serge Klarsfeld: die Nazijäger" wird im Oktober als Buch des Monats in der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier präsentiert. Die Erzählung beginnt mit den Ereignissen am 7. November 1968 in Berlin. Bei einem CDU-Parteitag ohrfeigt die damals 29-jährige Beate Klarsfeld Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, um auf seine nationalsozialistische Vergangenheit hinzuweisen. Dieses mutige Verhalten ist für ihre Taten charakteristisch. Sie hat alles gegeben und viel riskiert, um NS-Verbrechen ans Licht zu bringen. Das Anliegen der Jagd nach Gerechtigkeit, teilt sie mit ihrem Mann Serge Klarsfeld, einem Holocaust-Überlebenden.

Auch den in Trier aufgewachsenen Klaus Barbie, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Bolivien unter falschen Namen lebte, spürten die Eheleute Anfang der 1970er Jahre auf. Es dauerte mehr als zehn Jahre, bis sein Prozess 1987 begann. Jahre von Recherchen, Protestaktionen und Verhandlungen mit Politikern. Jahre von Beleidigungen und Einschüchterungen der Familie – eine anstrengende Zeit, die zu einem Urteil gegen Barbie führte. Er wurde schließlich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Ohne die Eheleute Klarsfeld wäre es höchstwahrscheinlich nie dazu gekommen.

Daher ist die illustrierte Doppelbiografie der Klarsfelds ein sehr verdientes Denkmal für das Ehepaar. Die mit einer klaren Linie gezeichneten Protagonisten werden voller Energie und Tatendrang dargestellt. Ergänzt wird es am Ende des Buches mit einem Fotoalbum. Diese Sammlung schafft eine Verbindung zwischen der historischen Vergangenheit und der in künstlerischer Sprache erzählten Graphic Novel.

Schwächen der Justiz aufgezeigt

Das literarische Denkmal für das Ehepaar Klarsfeld ist im Kontext der Erinnerungsarbeit in Trier von besonderer Bedeutung. Neben Aktionen wie „ErinnerLicht", „Grenzenlos gedenken" oder Rundgängen gegen das Vergessen sowie der Aufarbeitung der Tätergeschichte sind dies wichtige Bausteine der Aufklärung.

Es gibt noch viele Verbrecher, deren Schicksale nicht erforscht sind. Sie sind in der kollektiven Erinnerung gar nicht präsent, wie etwa Anton Ternes, stellvertretender Leiter der Verwaltungs- und Wirtschaftsabteilung des Konzentrationslagers Majdanek. Es gibt eine Ähnlichkeit mit Klaus Barbie, sein Name ist in Historikerkreisen im Ausland viel besser bekannt als in seiner Heimat. Es gibt viele Meldekarten im Stadtarchiv, die unangenehme Fragen mit sich bringen. Umso größer sind die Verdienste von Beate und Serge Klarsfeld. Sie haben sich mit diesen unangenehmen Forschungsfragen befasst. Sie haben dafür gesorgt, dass trotz der Schwächen des Justizapparates viele Verbrechen vor Gericht verhandelt wurden. Auch aus diesem Grund empfehlt die Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier die Graphic Novel „Beate & Serge Klarsfeld: die Nazijäger" als Buch des Monats.

Besuch in Trier

Am Freitag, 11. November, kommt Beate Klarsfeld nach Trier, um ihre Geschichte zu erzählen. Die Veranstaltung findet ab 11.30 Uhr in der Aula des Humboldt-Gymnasiums statt. Um teilzunehmen, müssen Interessenten vorher eine E-Mail an anmeldung@agf-trier.de. schicken.

Dr. Magdalena Palica