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17.06.2008

Tragisches Duell ohne Sieger

Gebrochener Herrscher: Tief erschüttert beklagt König Kreon (Peter Singer) den Selbstmord seines Sohnes Haimon (Jan Brunhoeber, r.) und seiner Frau Eurydike (Sabine Brandauer). Foto: Lorig
Gebrochener Herrscher: Tief erschüttert beklagt König Kreon (Peter Singer) den Selbstmord seines Sohnes Haimon (Jan Brunhoeber, r.) und seiner Frau Eurydike (Sabine Brandauer). Foto: Lorig
Ganz im Gegensatz zu ihrem tragischen Ende auf der Bühne war Antigone am Samstag beim Wetter ein echtes Glückskind: Vor der zweiten Premiere der Antikenfestspiele gab es immer wieder kräftige Schauer und am Abend setzte Dauerregen ein. Aber zehn Minuten vor der Premiere erschien ein Regenbogen am grauen Himmel und wenig später hörte der Regen auf. Mit 20 Minuten Verspätung begann die bewegende Sophokles-Tragödie „Antigone“. Sie spitzt den Konflikt zwischen der Liebe zur Familie sowie Staatsraison und Gesetzestreue auf ein tragisches Duell zu, das keinen Sieger kennt. Antigone (Stephanie Eidt), Tochter des früheren Herrschers Ödipus, bestattet ihren Bruder Polyneikes mit allen Ehren. Sie widersetzt sich dem Willen des sehr selbstbewussten Herrschers Kreon (Peter Singer), für den der Tote ein Staatsverräter ist.

Prinzipientreue bis zum Fanatismus

Antigones Prinzipienfestigkeit bis zum Fanatismus, von der sie ihre auf Ausgleich bedachte Schwester Ismene (Claudia Felix) nicht abbringen kann, hat fatale Folgen: Antigone wird auf Befehl des Herrschers in ein Verlies gesperrt, wo sie durch Selbstmord dem Verhungern entgeht. Damit nimmt das Verhängnis in Kreons engerer Familie seinen Lauf. Sohn Haimon (Jan Brunhoeber) liebt Antigone, kann seinen Vater, der die Warnungen des Sehers Teiresias (Paul-Michael Nix) in den Wind schlägt, nicht umstimmen. Haimon bringt sich aus Schmerz über Antigones Tod um.

Diese Katastrophe treibt seine Mutter Eurydike (Sabine Brandauer) in den Freitod. Als ein Bote (Tim Olrik Stöneberg) Kreon das grausige Geschehen schildert, erkennt der Herrscher, dass seine Umkehr zu spät kommt. In dem von Peter Singer intensiv gestalteten Finale in der in fahles blaues Licht gehüllten Kulisse ist von der Arroganz Kreons beim Anblick der beiden Leichen nichts mehr übrig.

Krieg und Zerstörung

Regisseurin Adelheid Müther lässt HA Schults Trash-People als Chor Mahnungen aussprechen und die Handlung reflektieren. Die stummen „Müllmänner“ stehen zudem symbolisch für die autoritäre Gefolgschaft Kreons. Eine wichtige Ergänzung, die zugleich einen Bogen ins 21. Jahrhundert schlägt, ist der Bote (Paul Steinbach), ein CNN-Kriegsreporter.
 
Für verschiedene Action-Szenen nutzt Müther die gesamte Tiefe des Amphitheaters und schafft eindrucksvolle Bilder. Krieg und Zerstörung sind zu Beginn allgegenwärtig: Vor der ersten Szene knattern Gewehrsalven und der martialische Eindruck wird verstärkt durch eine Motorrad-Gang (Mitglieder des Motorcrossvereins Klüsserath), die Kreons ersten Auftritt ankündigt. Antigone wirkt zwar wie ein gehetzter Kriegsflüchtling, könnte in ihrem moralischen Rigorismus und ihrer Todessehnsucht im 21. Jahrhundert aber auch eine fanatische Selbstmordattentäterin sein. Gastschauspielerin Stephanie Eidt, die sich harmonisch in das Trierer Ensemble einfügt, bringt diese vielfältigen Facetten sehr gut zur Geltung.
 
Weitere „Antigone“-Aufführungen am Samstag, 21., und Freitag, 27. Juni, jeweils 21 Uhr, im Amphiteater. Karten  an der Theaterkasse: 0651/718-1818.