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06.10.2009

Aus Abwasser wird Strom

Blick über Triers Hauptklärwerk: Nachdem der Schlamm in den Nachklärbecken abgesunken ist, ist das Abwasser gereinigt und kann in die Mosel eingeleitet werden.
Blick über Triers Hauptklärwerk: Nachdem der Schlamm in den Nachklärbecken abgesunken ist, ist das Abwasser gereinigt und kann in die Mosel eingeleitet werden.
Für den einen ist es Gestank, beim dem er die Nase rümpft und sie schnell zuhalten möchte, für den anderen ein Eldorado an Gerüchen, denen er so einiges entlocken kann: Was klingt wie eine Szene aus dem Leben Grenouilles in „Das Parfum“, spielt sich auch in Trier ab, wenn Besucher und Angestellte des Hauptklärwerks ihre Nase in den Wind halten. Für Bürger ist die Luft oft gewöhnungsbedürftig. Franz Petri, Abteilungsleiter Betrieb Abwasser bei den Stadtwerken, und seine Mitarbeiter leiten daraus einiges ab. „Ein unüblicher Geruch kann ein Zeichen dafür sein, dass in den Betriebsabläufen etwas anders ist. Dann schaut man schon genauer hin.“
 
Auch die Einleitungen von Trierer Industriebetrieben können die Mitarbeiter schon mal „erschnüffeln“. Und manchmal macht sie ihr Geruchsempfinden sogar zu Hobby-Meteorologen. „Wenn sich das Wetter ändert, ändert sich auch der Geruch“, weiß Gerd Herrmann, stellvertretender Abteilungsleiter.

Doch eine so große Rolle, wie allgemein angenommen wird, spielt der Geruch im Hauptklärwerk gar nicht. Er gehört einfach dazu. Gedanken darüber machen sich vor allem die Besucher. Kinder halten sich bei Führungen über das fünfeinhalb Hektar große Areal oft die Nase zu, andere stehen ungerührt und interessiert neben dran. Es ist eine Sache des persönlichen Empfindens.

Wer sich aber am „Anfang“ des Klärprozesses, wenn das Wasser aus dem Hauptkanal ins Werk fließt, schon glücklich schätzt, dass es gar nicht so schlimm ist und nur den Augen etwas mehr zugemutet wird, hat sich zu früh gefreut. „Das geruchstechnische Highlight“ kommt erst noch – einen Hauch von Schadenfreude können Petri und Herrmann nicht verbergen. Und wirklich: Am Rechen, der die groben Inhaltsstoffe im Abwasser bis zu einer Größe von sechs Millimetern zurückhält, wird Nase und Augen einiges zugemutet. Wer bis dahin noch glaubte, dass sich in Abfluss, Gully oder Toilette verlorene gegangene Gegenstände im Klärwerk leicht wieder finden lassen, wird eines besseren belehrt. „Das muss jemand zufällig sehen.“ Das scheinen die meis-ten Menschen zu ahnen, Anrufe wegen auf diese Weise verloren gegangenen Dingen gibt es nur zwei- bis dreimal im Jahr.
 
Dann ist das „Erlebnis“ für die Nase beim Nachfolgen der Abwasserreinigung auch schon größtenteils vorbei, jetzt können die Augen auf Entdeckungsreise gehen. Nachdem Sand, Fette und Öle entfernt sind, fließt das Abwasser ins Vorklärbecken. Dort wird im inneren Ring der feine Schmutz entfernt, das Wasser sieht schon wieder klar aus. Im äußeren Ring dagegen wirkt es schon wieder schmutziger und dunkler. „Hier sind bereits Bakterien zugesetzt, die dem Wasser Schmutz entziehen.“

Damit beginnt das „Herzstück der Abwasserreinigung“, die biologische Reinigung. In den Belebungsbecken zeigen sich viele Blasen auf dem Abwasser. Weil die Mikroorganismen im Belebtschlamm Sauerstoff brauchen, bläst eine Belüftungsanlage Luft in die Becken. Zwischen den blubbernden Becken geht es zur letzten Station des Wassers, dem Nachklärbecken. Der Schlamm sinkt ab, das Wasser ist ge-reinigt und wird anschließend in die Mosel geleitet. Überflüssiger Klärschlamm wird in die Faultürme gepumpt, die rund zwölf Meter in den Himmel, weitere sieben Meter in die Tiefe ragen. Während unter ihren Füßen aus dem Schlamm energiereiches Klärgas hergestellt wird, genießen Herrmann und Petri den Pa-noramablick über die Anlage. „Hier gibt es alles, was das Ingenieurherz höher schlagen lässt: Bau- und Maschinentechnik kommt mit Chemie und Biologie zusammen – und man tut gleichzeitig etwas für die Umwelt. Trotz aller Technik ahmen wir nur biologische Prozesse nach und geben den Mikroorganismen dafür optimale Lebensbedingungen.“ Unten angekommen, meldet die Nase inzwischen wieder stärkere Gerüche, der Rundweg ist zu Ende, der Rechen rückt näher. Petri greift zu einem Strauch neben sich, rupft ein paar Blätter ab und scherzt: „Damit wir auch mal was Gutes riechen, haben wir hier auch Rosmarin.“

Tanja Jost