Sprungmarken
01.06.2010

Unterwegs in ein neues Leben

Hong Thoa Nguyen Thi erhält ihre Einbürgerungsurkunde aus den Händen von OB Klaus Jensen.
Hong Thoa Nguyen Thi erhält ihre Einbürgerungsurkunde aus den Händen von OB Klaus Jensen.
Sie strahlen freudig, singen voller Inbrunst die deutsche Nationalhymne, erklären feierlich die Achtung des Grundgesetzes und der Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und nehmen sie anschließend stolz entgegen: ihre Einbürgerungsurkunde. Mit diesem feierlichen Ereignis im Großen Rathaussaal wird den Frauen, Männern und Kindern endlich bescheinigt, dass sie nun deutsche Staatsbürger sind. Ob aus ihrer Heimat geflüchtet oder der Liebe wegen in Deutschland, ihre Biografien sind genauso unterschiedlich wie ihre Herkunftsländer. Was sie aber alle teilen, ist der lange Weg, den sie bis zu diesem Ereignis zurücklegen mussten.

Persönlicher Entschluss

Angefangen hat dieser Schritt, dem die meisten von ihnen regelrecht entgegengefiebert haben, nicht etwa im städtischen Amt für Ausländerangelegenheiten in der Thyrsusstraße. Längst ist der Entschluss gereift, nicht mehr bloß Ausländer oder Migrant sein zu wollen, sondern ein deutscher Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten. Deutsch sprechen sie meis-tens schon mehr oder weniger gut, sie leben schon seit Jahren hier, haben eine Aufenthaltserlaubnis und einen festen Job. Doch reicht das, um dem Tag X ein Stück näher zu kommen?
Diese Fragen können die Einbürgerungswilligen schnell in einem Beratungsgespräch mit den Mitarbeitern im Amt für Ausländerangelegenheiten klären, die bestens mit der Materie und den vielen Rechtsvorschriften vertraut sind. Dabei zeigt sich schnell, ob die Migranten alle nötigen Voraussetzungen mitbringen, um den Antrag auf Einbürgerung stellen zu können. Ein Sprachtest auf dem Niveau B1 und der so genannte Einbürgerungstest sind dabei die bekanntesten. Aber nicht jeder muss extra zur Prüfung antreten. Das ist von Person zu Person verschieden. Von „dem“ Einbürgerungsverfahren lässt sich denn auch überhaupt nicht verallgemeinernd sprechen. Es gibt zwar routinierte Abläufe, aber doch ist jede einbürgerungswillige Frau, jeder Mann und jedes Kind ein Einzelfall.

Haben sie den Antrag mit allen Unterlagen eingereicht, beginnt das Verfahren. Rund zwei bis drei Monate dauert es in der Regel, bis beim Amt für Ausländerangelegenheiten alle angeforderten Auskünfte eintreffen, vom behördlichen Auszug aus dem Bundeszentralregister bis zum Sozialamt reichen die Erkundigungen. Nach der sorgfältigen Prüfung laden die Mitarbeiterinnen wieder zum Gespräch: Manchmal ist das Ergebnis für den Migranten ernüchternd. Etwa dann, wenn der eine oder andere Zeitraum doch nicht als Aufenthaltszeit in Deutschland angerechnet wird oder er aus den verschiedensten Gründen gar nicht eingebürgert werden kann. Doch oft kommt so etwas nicht vor. Schließlich dient das Beratungsgespräch gleich zu Anfang dazu, um dem Migranten solche Enttäuschungen zu ersparen – persönlich wie finanziell. Deshalb sind die meisten nach der Prüfung der Unterlagen einen Schritt weiter.

Selbst wenn die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nicht erfüllt sind, gibt es bei bestimmten, gesetzlich definierten Fallkonstellationen noch Grund zur Hoffnung, weil noch eine Einbürgerung im Ermessenswege stattfinden kann. Für diese ist allerdings die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion die zuständige Behörde. Dies gilt zum Beispiel für ehemalige deutsche Staatsangehörige oder ausländische Staatsangehörige mit deutschem Elternteil. Auch bei Vorliegen von besonderem öffentlichen Interesse, wie beispielsweise bei Spitzensportlern, herausragenden Wissenschaftlern oder Künstlern sind Ermessenseinbürgerungen möglich.

Herkunftsland ausschlaggebend

In den meisten Fällen hat der Migrant aber alle Voraussetzungen erfüllt, er hat ein Anrecht auf eine so genannte Anspruchseinbürgerung, für die das städtische Amt für Ausländerangelegenheiten zuständig ist. Auf eine Geduldsprobe kann ihn jetzt unter Umständen nur noch sein Herkunftsland stellen, denn das ist für das weitere Prozedere ausschlaggebend. Kommt der Einbürgerungswillige aus der EU, kann er seine bisherige Staatsangehörigkeit behalten und erhält zusätzlich die deutsche. Gleiches gilt, wenn er aus einem Land kommt, das seinen Bürgern regelmäßig die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit verweigert. Das ist vor allem bei bestimmten asiatischen oder afrikanischen Staaten wie Algerien, Afghanis-tan, Libanon und Tunesien der Fall, aber auch in Kuba. Wieder andere Staaten, wie der Kongo, legen ihren einstigen Bürgern keine Steine in den Weg: Sie sehen ihre ehemaligen Staatsangehörigen mit der Einbürgerung in einem anderen Land nicht mehr als die ihren an. Viel Geduld brauchen dagegen diejenigen, die erst über einen formalen Antrag bei ihrer Auslandsvertretung ihre alte Staatsangehörigkeit aufgeben müssen, denn so können schon mal zwischen mehreren Monaten und bis zu drei Jahren verstreichen.

Wenn auch diese Wartezeit überstanden ist und sich in der Zwischenzeit nichts an der persönlichen und wirtschaftlichen Situation des Einbürgerungswilligen geändert hat, ist er (fast) am Ziel. Im Idealfall sind seit dem ersten Besuch beim Amt nur zwischen drei und sechs Monate verstrichen. Andere müssen sich auch mal zwei bis drei Jahre gedulden.

Auf das Gespräch, das dann noch im Amt für Ausländerangelegenheiten ansteht, dürften sich beide Seiten gleichermaßen freuen: Die Mitarbeiterinnen, die die Migranten durch die letzten Monate oder Jahre begleitet haben, blicken in freudige, erleichterte Gesichter. Die Männer, Frauen und Kinder am anderen Ende des Schreibtisches sind glücklich, weil sie sich in wenigen Tagen endlich deutsche Staatsbürger nennen dürfen oder auch, weil sie in der letzten Zeit über sich hinaus gewachsen sind, Deutsch gelernt haben, Fakten über ihr zukünftiges Heimatland. Wieder andere denken in dem Moment an die Erleichterung, die ihnen der Personalausweis bringen wird: Vereinfachtes Reisen, Arbeiten im benachbarten Luxemburg.
 
Ein Beispiel für den freudigen Abschluss eines Verfahrens ist den Mitarbeiterinnen besonders im Gedächtnis geblieben: Nach dem Erhalt der Urkunde war ein Mann so glücklich, dass er mit seinen Freunden und Verwandten eine Einbürgerungsparty feierte. 
  • Beratung: Amt für Ausländerangelegenheiten, Thyrsusstraße 17-19, Telefon 0651/718-1336 oder -4332, montags, dienstags, freitags 8 bis 12, mittwochs 14 bis 16 Uhr.