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23.09.2014

"Ein Haus der Besinnung, der Erbauung und der Freude"

Der Neubau des Theaters bei der Einweihung
Bei der Auffahrt zum Festakt bildeten viele Zuschauer ein Spalier am neuen Stadttheater. Der stattliche, architektonisch klar und markant gegliederte Neubau fand große Zustimmung. Foto: Stadtarchiv
Es war ein gesellschaftliches Ereignis, wie es die Stadt in der kargen Nachkriegszeit bis dahin nicht erlebt hatte: Mit der feierlichen Einweihung des neuen Stadttheaters am Augustinerhof vor 50 Jahren, am Sonntag, 27. September 1964, wurde ein neues Kapitel in der langen Geschichte des Trierer Theaterlebens aufgeschlagen.

Redner und Berichterstatter überboten sich mit euphorischen Formulierungen, um der historischen Bedeutung dieses lang herbeigesehnten Tages gerecht zu werden. Zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte hatte die Stadt mit finanzieller Hilfe des Landes ein eigenes Theatergebäude errichtet und damit neben einer attraktiven städtebaulichen Dominante ein kulturelles Zentrum erhalten.

Die gelungene Konzeption des neuen Hauses gefiel außen und innen. Zwar sei der neue Musentempel „äußerlich kein Prachtbau“, doch strahle der durch eine immense Kraftanstrengung von Stadtrat, Bürgerschaft und Architekten gemeinsam errichtete Neubau „in der Sublimierung seiner Gestaltung gleichwohl eine festliche Atmosphäre aus“, schrieb Peter Buttsched vorab im Trierischen Volksfreund. Kaum einer sprach davon, dass nur der erste Bauabschnitt vollendet worden war. „Alle Einrichtungen fügen sich zusammen wie eine gute Komposition“, rühmte der TV.

Beim morgendlichen Festakt hatte Oberbürgermeister Josef Harnisch vor zahlreichen Ehrengästen von einem „hochbedeutsamen Augenblick für das kulturelle und gesellschaftliche Leben in unserer Stadt“ gesprochen, ging ausführlich auf die materiellen und immateriellen Zerstörungen des zurückliegenden Krieges ein und erwähnte in seinen Dankesworten nur am Rande die vielen Hürden, die bis zur Fertigstellung des neuen Hauses überwunden werden mussten. „Möge das Theater ein Haus der Besinnung, der Erbauung und der Freude sein“, umschrieb Harnisch die geistige Dimension des neuen kulturellen Mittelpunkts der Moselmetropole. Ministerpräsident Peter Altmeier gratulierte zum „respektablen Bauwerk“, das alle mit „Genugtuung und Freude“ erfüllen solle. Zur abendlichen „Fidelio“-Premiere herrschte noch einmal „eine lebendige, erwartungsfrohe Spannung bei den festlich gekleideten Gästen“, so der TV.

Den an ein Dankgebet erinnernden Schlussgesang der Oper „Oh Gott! welch‘ ein Augenblick“ werden die Premierengäste wohl alle mitempfunden haben. Seither sind rund 6,1 Millionen Gäste ins längst marode gewordene Haus am Augustinerhof gekommen. Doch die Besucherrekorde von einst (1965/66: über 153.000) können trotz eines erweiterten Angebots schon lange nicht mehr erreicht werden. Heute zaubern 210 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein breitgefächertes Programm auf die Bühnenbretter, die bekanntlich die Welt bedeuten. Die Kosten betragen 15,2 Millionen Euro, wovon das Land 5,6 Millionen übernimmt. Die Stadt zahlt 7,2 Millionen, der Rest muss eingespielt werden. Es gibt nur wenige Theater in Deutschland, die mit einem solchen Sparbudget auskommen müssen. Trier will, trotz ungünstiger Rahmenbedingungen, sein Dreisparten-Haus bewahren. Über die Form wird der Rat in einem Grundsatzbeschluss demnächst entscheiden und damit ein neues Kapitel in der langen Theatergeschichte der Stadt aufschlagen.

Hans-Günther Lanfer