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10.03.2015

"Karl Marx ist der Türöffner"

Elisa Limbacher in der Altstadt von Xiamen
Elisa Limbacher bei einer Stadtführung im alten Stadtteil Xiamens. Vier Monate verbrachte die ttm-Mitarbeiterin im Amt für Auswärtige Angelegenheiten, wo sie etwa städtepartnerschaftliche Projekte initiierte und koordinierte. Foto: privat
Vier Monate lang war Elisa Limbacher von der Trier Tourismus und Marketing GmbH (ttm) im Rahmen eines Verwaltungsaustauschs in Triers chinesischer Partnerstadt Xiamen. Von ihren Erfahrungen im Foreign Affairs Office (Amt für Auswärtige Angelegenheiten) sowie ihren persönlichen Eindrücken vom chinesischen Alltag berichtet sie der Rathaus Zeitung (RaZ) exklusiv kurz nach ihrer Rückkehr.

RaZ: Frau Limbacher, Sie waren jetzt vier Monate in China. Was fehlt Ihnen, seit Sie wieder zurück in Trier sind?

Elisa Limbacher: Auf alle Fälle die Freunde, die ich dort kennengelernt habe, und auch das Essen. Das Essen in China ist ganz anders. Man isst die Zutaten sehr viel frischer, weil sie direkt zubereitet werden. Gemüse zum Beispiel wird ganz frisch zubereitet und nicht so lang gekocht. Aufgrund der Nähe zum Meer gibt es natürlich auch viel Fisch und Meeresfrüchte. Ich vermisse auch die Stadt, weil mir die Umgebung sehr gut gefällt.

Was haben Sie in Xiamen vermisst?

Eine Heizung (lacht). Tatsächlich gibt es in Xiamen keine Heizungen, höchstes Klimaanlagen mit Wärmefunktion oder Heizstrahler, die aber eine Menge Strom brauchen. Dabei kann es in Xiamen durch die Nähe zum Meer und dem starken Wind auch ganz schön kalt werden. In meinem Zimmer hatte ich aber einen kleinen Heizstrahler. Im Büro allerdings habe ich immer mit warmen Schuhen und Mantel gesessen. Natürlich habe ich auch meine Familie und Freunde vermisst.

Warum gibt es dort keine Heizungen?

Es gibt ein System, das seit Ewigkeiten besteht und danach wird China zwischen dem 32. und dem 34. nördlichen Breitegrad in zwei Teile geteilt. Die Grenze verläuft in etwa entlang des Huaihe Flusses und der Qinling Berge: Diese Linie trennt China in einen nördlichen und südlichen Teil. Oberhalb dieser Linie gibt es Heizungen, die übrigens von Peking aus zentral gesteuert werden, unterhalb gibt es einfach kein zentrales Wärmenetz.

Sie waren im Rahmen eines Verwaltungsaustauschs in Xiamen. Was hat Ihnen bei Ihrer Arbeit am meisten Spaß gemacht?

Ich fand es klasse, die Arbeit unserer Kollegen in der Verwaltung direkt miterleben zu dürfen. Besonders spannend war für mich die Erfahrung, bei manchen Veranstaltungen und Delegationsbesuchen die Arbeit der chinesischen Kolleginnen und Kollegen begleiten und unterstützen zu dürfen.

Gibt es Unterschiede zum Arbeitsalltag in Deutschland, die Ihnen aufgefallen sind?

Auf alle Fälle. Treffe ich beruflich jemanden zum ersten Mal, ist es in Deutschland üblich, dass man sich mit so vielen Infos wie möglich vorstellt. In China hingegen gibt man nicht allzu viel von sich preis, da sonst der Eindruck entstehen könnte, dass man sich zu wichtig nimmt. Es gibt also eher eine Holschuld von demjenigen, der was wissen will, als eine Bringschuld. Auch die Hierarchie ist meinem Eindruck nach deutlich ausgeprägter als in deutschen Büros.

Wie äußert sich das?

In den Anredeformen beispielweise. Am Telefon zum Beispiel meldet man sich mit „Die kleine…“. Man reduziert seine eigene Person, um zu verdeutlichen, dass man sich nicht zu wichtig nimmt. Hierarchisch höher gestellte Kollegen werden beispielweise mit „Der alte…“ oder auch dem Titel samt Nachnamen angesprochen.

Duzt man sich in China denn?

Nein, gar nicht. Ich glaube aber, dass sich das mehr und mehr ändert. Aber in der Öffentlichkeit ist es selbst bei Ehepaaren üblich, dass sie sich mit vollem Namen ansprechen. Wenn sich Chinesen allerdings einen englischen Vornamen gegeben haben, ist es auch kein Problem, sie lediglich mit diesem anzusprechen.

Was sind weitere Unterschiede, die Ihnen aufgefallen sind?

Ein Teamgeist, wie er hier teilweise vorherrscht, ist in China nicht selbstverständlich. Es wird sich eher wenig ausgetauscht. Es gibt nicht so ein Mitdenken wie bei uns. Etwa sich zu fragen, ob man das jetzt doppelt macht, weil schon ein Kollege dabei ist, die Aufgabe zu erledigen. Ich will dies aber nicht unbedingt negativ sehen, es hat sicherlich auch seine Vorteile. Aber für mich war es schon ungewohnt.

Konnten Sie sich denn auf diese Arbeitsweise einlassen?

Dadurch, dass ich meine eigenen Aufgaben hatte, die auch etwas losgelöst von den restlichen Arbeiten waren, war das okay.

Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Mittagsschlaf in China…

Oh ja. Ich habe es mal probiert, aber ich kann mittags einfach nicht schlafen. Und dann auch noch so eine lange Zeit – bis zu drei Stunden. Ich könnte mich danach gar nicht mehr konzentrieren. Aber unter den chinesischen Kollegen ist der Mittagsschlaf absolut üblich.

Was haben Sie in China für Ihren Arbeitsalltag hier gelernt?

Meine Sprachkenntnisse, die ich vertiefen konnte, sind natürlich hilfreich, wenn ich von Trier aus mit den Kollegen in Xiamen Kontakt habe. Eine andere Sache, die ich versuchen will in meinen deutschen Arbeitsalltag zu integrieren, sind die festen Essenszeiten. In China ist es total wichtig, die Essenszeiten einzuhalten. Egal was man macht, zwischen zwölf und eins wird gegessen.

Werfen wir einen Blick zurück: Wo liegt der Mehrwert eines Verwaltungsaustauschs, wie Sie ihn mitgemacht haben?

Das Allerwichtigste für mich war, die Personen kennenzulernen, mit denen ich von Trier aus Kontakt habe. Zusätzlich hatte ich sehr viele Möglichkeiten, mich mit Personen auszutauschen und so Informationen nach Xiamen zu tragen. Ich habe mehrere Vorträge gehalten, in Schulen, der Stadtbibliothek und natürlich auch im Foreign Affairs Office (FAO). Thema war immer Trier, etwa die Frage, was man über Trier wissen sollte. Im Fokus stand aber auch die Frage, womit Trier in China werben kann.

Und?

Absoluter Türöffner ist nach wie vor Karl Marx. Dies hat sich in Gesprächen mit verschiedenen Reiseveranstaltern bewahrheitet. Karl Marx ist der Schlüssel, um die Tür aufzuschließen und zu sagen: Es gibt Trier. Daher sind wir auch gerade am überlegen, welche Projekte man vor allem im Hinblick auf 2018, das 200. Geburtsjahr von Marx, machen kann. Er hat in China eine ganz andere Bedeutung als in Deutschland, jeder muss sich mit ihm und seinen Theorien befassen.

Kommt im Rahmen des Verwaltungsaustauschs eigentlich auch ein chinesischer Kollege nach Trier?

Ja, das ist fest geplant, aber es steht noch kein Termin. Gerade hat der Bürgermeister in Xiamen gewechselt und es gibt Umstrukturierungen im FAO, die auch noch nicht abgeschlossen sind.

Was waren Highlights jenseits der Arbeit, die Sie in Xiamen erlebt haben?

Auf alle Fälle das Neujahrsfest. Es ist vergleichbar mit unserem Weihnachtsfest. Den ersten Abend verbringt man mit der Familie und es gibt sehr viel Essen. Am zweiten Tag gehen viele Chinesen in den Tempel zum Beten. Dort werden dann Essens- und Geldopfer dargebracht. Danach wünscht man Familie und Freunden Glück für das neue Jahr. Außerdem wird beim Neujahrsfest die ganze Nacht lang extrem viel geböllert. Böller sind viel wichtiger als Feuerwerk. Weiteres Highlight war die chinesische Hochzeit einer Freundin. Hier hat mir vor allem die Mischung zwischen Tradition und Moderne gefallen.

Das Interview führte Björn Gutheil