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08.02.2011

Zeitzeuge ohne Bitternis

Pierre Rolinet.
Pierre Rolinet.
Pierre Rolinet ist ein freundlicher Mann, dem man sein Alter von 88 Jahren nicht anmerkt. Über sein Leben berichtet er ohne Bitternis, obwohl er allen Grund dazu hätte. Als Mitglied der Résistance, der französischen Widerstandsbewegung, kämpfte er im Zweiten Weltkrieg gegen die deutsche Besatzung seiner Heimat. Er wurde festgenommen, war im Gefängnis und in Konzentrationslagern inhaftiert. Er hatte Glück und überlebte, doch viele seiner Kameraden wurden von den Nazis ermordet. Als einer der letzten Zeitzeugen versucht er heute, die Motive seines riskanten Engagements für Freiheit und Demokratie an die jüngeren Generationen weiterzugeben.

Mit gerade mal 20 Jahren war Pierre Rolinet 1943 eines der älteren Mitglieder seiner Widerstandsgruppe in Montbéliard, in der sich auch 16- und 17-jährige Schüler engagierten. Rolinet schmuggelte Waffen aus der Schweiz nach Frankreich, die zeitgleich mit der erwarteten Invasion der Alliierten für einen Volksaufstand genutzt werden sollten. Seine Gruppe flog auf, Rolinet wurde von der Gestapo verhaftet, zum Tode verurteilt und wartete im Gefängnis von Besancon vier Monate auf seine Hinrichtung. Immer wieder kam es in dieser Phase zu Exekutionen in Besancon, die jedoch für Unruhe in der französischen Zivilbevölkerung sorgten. Um sie aus dem Blickfeld ihrer Landsleute zu entfernen, deportierte die Besatzungsmacht daher viele politische Gefangene, darunter Rolinet, in der berüchtigten „Nacht-und-Nebel-Aktion“ nach Deutschland.
Rolinet landete im KZ Struthof.
 
Er hatte Glück, dass er als gelernter technischer Zeichner in einem Büro mit relativ humanen Arbeitsbedingungen eingesetzt wurde. Als Zwangsarbeiter beim Straßenbau oder in einem Steinbruch hätte er wesentlich geringere Überlebenschancen gehabt. Das Kriegsende und die Befreiung erlebte Rolinet als Häftling in einem Nebenlager des KZ Dachau.

„Ich bin sehr froh, dass Sie bei uns sind. Es gibt kaum etwas Wichtigeres, als diese Erfahrungen mit jungen Leuten zu teilen“, betonte OB Jensen beim Empfang im Rathaus. Auf Bitte von Jensen trug sich Rolinet ins Gästebuch der Stadt ein: „Wir sollten niemals die Lehren aus der Vergangenheit vergessen. Zeitzeuge sein bedeutet für mich auch die Verpflichtung, sich aus der Erinnerung schöpfend noch mehr für Frieden und Freiheit einzusetzen.“