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02.08.2011

Mit Phantasie zurück in die Vergangenheit

Der Weg bis zur trinkfertigen Schokolade ist lang, insbesondere wenn man sie selbst mahlen muss. Im Kaffeehaus kann man das fertige Produkt dann genießen.
Der Weg bis zur trinkfertigen Schokolade ist lang, insbesondere wenn man sie selbst mahlen muss. Im Kaffeehaus kann man das fertige Produkt dann genießen.
Die historische Spielstadt ist ein echter Dauerbrenner. Mittlerweile zum 20. Mal können Kinder von sechs bis 14 Jahre während der Sommerferien in ein spannendes Kapitel von Triers ereignisreicher Geschichte eintauchen. Dieses Jahr dreht sich alles um die französische Besatzung in der Zeit um 1800. Und eine herausragende Persönlichkeit dieser Zeit hat bereits ihren Besuch angekündigt ...

Inmitten der historischen Spielstadt herrscht rege Geschäftigkeit. Kinder rennen munter umher, fertigen Lederarmbänder an, backen Süßwaren oder basteln Papierzylinder, im Schulhaus schreibt ein Lehrer eine Matheaufgabe an die Tafel. Vor einem großen Holzhaus mit Doppeltor spielen zwei Jungs mit kleinen Lederbällen. „Das ist unser Lager. Darin verschwinden jeden Morgen alle Sachen, die nicht in die Zeit um 1800 passen“, erklärt Diplom-Pädagogin Sandra Rouhi. Als die Tür aufgeht und ein blondes Mädchen aus dem Gebäude huscht, fügt sie schmunzelnd hinzu: „Natürlich sind kurze Ausflüge in das 21. Jahrhundert erlaubt.“

Durchschnittlich 110 Kinder kommen täglich in die Spielstadt vor den Kaiserthermen und genießen die Atmosphäre und das Leben in der Ära Napoleons. Die Zeit zwischen 1798 und 1804 hat das Team der mobilen Spielaktion um Pädagoge Jörg Drekopf ganz bewusst gewählt, da in diesen Jahren unglaublich viel in Trier passierte. „Während dieser Zeit mussten die Trierer viele Repressalien erdulden. Zum Beispiel durften keine Gottesdienste veranstaltet werden und die Steuern waren hoch“, erläutert Rouhi.
 
Ein wichtiger Bestandteil des Konzepts ist die Vermittlung von historischen Zusammenhängen. So bekommen die Kinder für die Arbeit in den Werkstätten – wie es zu dieser Zeit üblich war – Schuldscheine, mit denen sie bei anderen Handwerksbetrieben in der Spielstadt einkaufen können.
 
Geschichte miterleben

Um geschichtliche Ereignisse greifbar zu machen, kommen regelmäßig bestimmte Persönlichkeiten in die Stadt. „Wir hatten zum Beispiel Musikanten in der Stadt, eine Nonne, deren Kloster aufgelöst wurde, hat uns besucht und zwei Sergeanten kamen, weil sie Rekruten für die Armee suchten“, erzählt Rouhi. Gerade an solchen Tagen ist es wichtig, dass die Eltern am Nachmittag eine Zusammenfassung der Tagesereignisse geliefert bekommen. „Wenn die Kinder aufgeregt von ihren Erlebnissen berichten, kann das schon mal zu Missverständnissen führen. Vor allem, wenn plötzlich zwei Soldaten in der Stadt stehen und die Kinder mitnehmen wollen“, sagt Rouhi.

Damit der reibungslose Ablauf der Spielstadt gewährleistet ist, hat Rouhi zahlreiche Helfer. Überwiegend schlüpfen Studenten in historische Kostüme und leiten als Handwerksmeister die einzelnen Gewerke. Falls ein Student ein oder zwei Tage mal nicht vor Ort sein kann, etwa weil eine Prüfung oder ein Vorstellungsgespräch ansteht, wird das in die Rolle mit eingearbeitet und der Laden in der Spielstadt bleibt geschlossen. „Dann ist der Schreinermeister eben für einen Tag auf Geschäftsreise in Paris. Das trägt ja auch zur Authentizität bei“, betont Rouhi.

Versorgungsengpässe gibt es aber selbst bei Abwesenheit von Meisterin oder Meister nicht, dafür sorgen schon die älteren Kinder: „Unsere Meisterin wurde gestern ins Gefängnis gesperrt, weil sie ein Kreuz in der Schule aufgehängt hat. Und das ist seit der französischen Besatzung verboten. Also halten wir hier die Stellung“, sagt Martin (14). Gemeinsam mit der 13-jährigen Tina kümmert er sich deshalb alleine um das Kaffeehaus. Da die beiden in den vergangenen zwei Wochen viel Erfahrung gesammelt haben, können sie den Laden alleine betreuen.

Höhepunkt in dieser Woche

Die Spielstadt ist nicht nur für Kinder eine aufregende Freizeitbeschäftigung, auch für alleinerziehende Eltern ist das Betreuungsangebot eine große Hilfe während der Ferienzeit.  „Für Eltern sind die langen Sommerferien immer schwierig, denn kaum jemand bekommt sechs Wochen Urlaub am Stück. Die Spielstadt ist für die Eltern ein Ort, wo ihre Kinder etwas erleben und vor allem gerne hingehen“, urteilt Rouhi.

Der Höhepunkt steht für die kleinen Trierer aber noch aus, denn diese Woche schaut Napoleon persönlich in der historischen Spielstadt nach dem Rechten. Mal sehen, was sie dann zu Hause erzählen.