Sprungmarken
25.10.2011

"Betrachten sie zuerst die Hülle"

Bei schönem Wetter kann man ungestört in fünf Metern Höhe im Garten sitzen. Mit 50 Tonnen Erde, einem kleinen Teich als Vogeltränke und einer 20 Quadratmeter großen Solaranlage hebt sich das Dach der Familie Hill deutlich vom Durchschnittshaus ab.
Bei schönem Wetter kann man ungestört in fünf Metern Höhe im Garten sitzen. Mit 50 Tonnen Erde, einem kleinen Teich als Vogeltränke und einer 20 Quadratmeter großen Solaranlage hebt sich das Dach der Familie Hill deutlich vom Durchschnittshaus ab.
Angesichts der aktuellen Energiepreise und der düsteren Zukunftsprognosen in diesem Bereich zahlt es sich aus, bei der Altbausanierung auf die Energiebilanz zu achten. Wer sich dabei von den Optionen erschlagen fühlt, kann sich bei den kostenlosen QuattroPole-Energietouren der Stadt Trier informieren.

Etwa zwei Dutzend Interessenten aus Frankreich, Luxemburg und Deutschland haben sich an einem Samstag morgen auf dem Rathausplatz versammelt. Zusammen mit Johannes Hill, dem Umweltberater der Stadt Trier, werden sie vier modernisierte Wohnhäuser in Ehrang besuchen. „Früher musste man noch durch die ganze Region fahren, um Beispiele zu zeigen. Inzwischen ist aber vieles schon sehr gut verbreitet“, erzählt Hill im Bus. Im Laufe des Tages erwarten die Mitreisenden unter anderem eine Hauswand aus Sonnenkollektoren, ein 360 Jahre altes, aber trotzdem hoch modernes Wohnhaus sowie ein Garten auf dem Dach – und das alles in einem einzigen Stadtteil Triers.

Die Idee zu den Energietouren kam Johannes Hill 1999 durch eine private Erfahrung: Erst nach dem Beginn der umfassenden Bauarbeiten an seinem Haus lernte der Umweltberater den Passivhausstandard, also ein Haus, das ohne klassische Heizung oder Kühlung auskommt, kennen – zu spät, um diesen Fortschritt für sein Domizil noch zu berücksichtigen. Neun Monate später veranstaltete Hill die erste Energietour. Inzwischen folgten über 100 weitere mit rund 5 000 Teilnehmern. Und nicht nur private Bauherren besuchen die Tour: Auch Fachleute nutzen die Gelegenheit, sich kostenlos weiterzubilden. Darüber freut sich Hill immer besonders: „Im Kopf sind wir zehn bis 15 Jahre weiter als in der Praxis. Oft findet man aber keine qualifizierten Ansprechpartner, um die moderne Technik umzusetzen.“ Dann gibt er auch direkt den ersten und wohl wichtigsten Tipp des Tages: „Betrachten sie zuerst die Hülle! Die effizienteste Energietechnik ist verschwendet, wenn man nicht das Haus richtig dämmt.“
 
Dialog und Beratung

Beim ersten Haus trifft die Gruppe auf einen weiteren Experten: Matthias Gebauer vom Solarverein. Er zeigt, wie man Energiesparmaßnahmen auf spezifische Situationen zuschneiden kann. Er teilt zum Beispiel über ein Nahwärmenetz von ihm gesammelte Sonnenenergie mit dem nahe liegenden Nachbarhaus. Den durchschnittlichen Bürger ohne Fachkenntnisse müssen solche maßgeschneiderten Lösungen aber nicht abschrecken: Beim Solarverein können Bauherren in einer kostenlosen Erstberatung Em-pfehlungen zu ihrer persönlichen Bausituation erhalten. Neben dem Gespräch mit Hill und Gebauer bietet auch der Dialog mit den anderen Teilnehmern der Veranstaltung Gelegenheit, eine passende Lösung für das eigene Haus zu finden. Viele der Mitfahrer haben bereits Erfahrungen mit den verschiedenen Maßnahmen oder beschäftigen sich gerade selbst mit ähnlichen Problemen.

Das zweite Objekt wurde von His-torikern auf das Baujahr 1650 datiert und wäre fast unter Denkmalschutz gestellt worden. Dass sich die umfangreichen Arbeiten rentieren, ist dem Hausherrn dabei sogar nebensächlich: „Ich habe in Cattenom demonstriert, ich habe in Bottrop demonstriert und auch sonst überall: Energiesparen ist mir wichtig!“

Danach steigen die Teilnehmer der Familie Hill aufs Dach. In fünf Metern Höhe steht man mitten in einem grünen Garten, der zwei Sonnenkollektoren umrahmt. Das sieht nicht nur außergewöhnlich aus, es ist sogar praktisch: Im Sommer kann die Grünfläche als  Pufferspeicher über Verdunstungskälte das Gebäude kühlen. Schließlich erfährt die Gruppe beim letzten Besichtigungsobjekt, dass man mit einer Kombination aus Holzofen und Solarenergie auch richtig Geld sparen kann: statt 3 735 Euro pro Jahr für Öl belaufen sich die Kosten nach der Sanierung nur noch auf 400 Euro für Holz aus dem Ehranger Wald.

Sparen mit dem Ölpreis

Immer wieder wird auch bei dieser Energietour die Frage nach der Wirtschaftlichkeit verschiedener Energiesparmaßnahmen gestellt. Die Antwort ist und bleibt vom Ölpreis abhängig. Dennoch lässt sich bei der begründeten Annahme, dass dieser in den nächsten zehn Jahren weiter wie gehabt steigt, eine generelle Empfehlung für energetische Altbausanierungen aussprechen. In England wird energiesparendes Wohnen bereits von sozialen Einrichtungen – und nicht von Umweltschützern – vorangetrieben, um steigende Altersarmut zu bekämpfen.

Überwältigt verlassen die Teilnehmer nach sieben Stunden Energietour mit vielen neuen Eindrücken den Bus. Alle Voraussetzungen für eine gut geplante Sanierung sind jetzt gegeben.