Eine "gewisse Vorliebe für Trier"
Wegen der vorausgesagten schlechten Wetterlage kam Adenauer nicht mit dem Hubschrauber, sondern mit dem Wagen aus seinem Wohnort Rhöndorf bei Bonn angereist. Am Verteilerkreis erwartete ihn eine Polizei-Eskorte, die die Wagenkolonne zum Rathaus am Augustinerhof begleitete. Hier empfing ihn Oberbürgermeister Josef Harnisch, der den hohen Gast bat, sich in das Goldene Buch einzutragen. Beim anschließenden Besuch des Domkreuzgangs begleitete ihn Bischof Matthias Wehr. „Hier sah ich die europäische Geschichte von zwei Jahrtausenden: römische Baudenkmale, frühchristliche und mittelalterliche Bauwerke – das war so ein eindrucksvoller Anblick, wie ich ihn kaum jemals bekam“, schilderte der gläubige Katholik seine Eindrücke, die später oft mit dem Begriff „Adenauer-Blick“ umschrieben wurden.
Tausende kamen zur Parade, die von deutschen und französischen Soldaten gemeinsam vor der Porta Nigra und in der fahnengeschmückten Simeonstraße zu Ehren des hohen Gastes abgehalten wurde. In dem mit Blumenarrangements prächtig geschmückten Säulensaal des Sime- onstifts begründete Oberbürgermeister Harnisch noch einmal die Beweggründe des Stadtrats, Adenauer die Ehrenbürgerwürde zu verleihen. Dem Christdemokraten sei es nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur in schwerer Zeit „im Zusammenwirken mit den demokratischen Kräften Deutschlands und der freien Welt gelungen, die Bundesrepublik zu konsolidieren, sie aus tiefster Not zur Blüte zu führen und dem deutschen Volk die Achtung der Welt zurück zu erwerben“. Gerade in der hiesigen Grenzregion wisse man die von Adenauer betriebene Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich als „europäisches Fundament“ zu schätzen, so Harnisch.
In seinen mit Humor und Ironie gespickten Dankesworten räumte der Rheinländer Adenauer Trier eine „gewisse Vorliebe“ ein. Hier werde nicht nur abendländisches Gedankengut greifbar, sondern auch eine von der Mosel geprägte „gesunde Lebensanschauung“. In Trier habe er schon „viele fröhliche Stunden verbracht“, erinnerte sich der erste Bundeskanzler und pries den Moselwein.
Kein Wiedersehen
Ernster ging es bei einer Pressekonferenz zu, in der er sich zu Themen der aktuellen Deutschland- und Weltpolitik sowie dem schwierigen Verhältnis zur Sowjetunion und der deutschen Teilung äußerte. Noch einmal drängten sich die Schaulustigen dicht an dicht, als Adenauer zum abschließenden Beisammensein mit Volksfestcharakter in den Brunnenhof kam. Hunderte von Händen wollten geschüttelt, viele Blumen von Groß und Klein entgegen genommen, Lieder und Gedichte angehört werden, bevor sich Triers neuer Ehrenbürger durch das Spalier der Menschen am frühen Abend bei jetzt strahlendem Sonnenschein den Weg zurück zu seinem Wagen bahnte.
Trier hatte einen vitalen, geistig tiefgründigen, schlagfertigen und bei alledem stets humorvollen Altkanzler und neuen Ehrenbürger erlebt. „Wir verabschieden Sie und hoffen, dass Sie recht bald wieder in unserer Mitte weilen“, gab Oberbürgermeister Harnisch dem aus dem geöffneten Wagenfenster freundlich winkenden Gast mit auf den Weg nach Rhöndorf. Doch keine zehn Monate später, am 18. April 1967, starb Konrad Adenauer.
Hans-Günther Lanfer