Sprungmarken
26.05.2009

Besatzer gingen als Freunde

Viele Schaulustige wohnten am 11. Mai 1999 der Abschiedsparade der französischen Regimenter im Palastgarten bei.
Viele Schaulustige wohnten am 11. Mai 1999 der Abschiedsparade der französischen Regimenter im Palastgarten bei.
Das Wetter spielt nicht mit. Doch trotz Nieselregens machen sich am 11. Mai 1999 rund 1500 Schaulustige auf den Weg in den Palastgarten, um einem historischen Ereignis beizuwohnen: der Abschiedsparade der französischen Streitkräfte nach 54 Jahren ununterbrochener Präsenz in Trier. Bajonette, Banner und Blechbläser bestimmen das Bild während der feierlichen Zeremonie. Protokollarischer Höhepunkt ist die Übergabe eines Fahnenbandes der Bundeswehr an die französischen Regimenter. Nach der Zeremonie treffen sich Offiziere und VIPs im Casino am Kornmarkt.
  
Mit dem Abzug des französischen Militärs aus Trier vor genau zehn Jahren ging eine Ära der Stadtgeschichte zu Ende. Zuletzt waren unter dem Befehl des Stand-ortkommandanten Colonel Jacques Defretin noch rund 3000 Soldaten des 13. Pionierregiments, des 61. Artillerieregiments und der Gendarmerie in Trier stationiert. Im August 1999 zog die letzte Nachhut ab – und hinterließ Flächen im Umfang von 500 Hektar mit insgesamt 800 leeren Wohnungen und vier Kasernen.

Zumindest in den letzten Jahrzehnten war die Präsenz des Militärs aus dem Nachbarland ein gelebtes Beispiel für die deutsch-französische Freundschaft. „Vielen Dank an alle, die seit fünfzig Jahren daran gearbeitet haben, die Bande zwischen den deutschen Bürgern und den französischen Soldaten zu verstärken. Vielen Dank an die Stadt Trier dafür, dass sie einer der angenehmsten und beliebtesten Standorte der französischen Streitkräfte wäh-rend all dieser Jahre war.“ So hieß es am 11. Mai 1999 im Tagesbefehl Nummer fünf von General Jacques Grenier, Befehlshaber der französischen Armee in Deutschland. Die Stadt veranstaltete unter dem Motto „Au revoir les amis francais“ eine Abschiedsfeier im Rathaus. „Trier dankt den französischen Streitkräften, die im Laufe der Entwicklung Versöhnung statt Hass, Hilfe statt Gleichgültigkeit und Freundschaft statt Feindschaft ermöglicht haben“, sagte Triers damaliger OB Helmut Schröer und brachte die allgemeine Abschiedsstimmung auf den Punkt: „Sie kamen als Besatzer und gehen als Freunde.“

Die Städtepartnerschaft mit Metz, die vielfältigen Initiativen der deutsch-französischen Gesellschaft, der bilinguale Zweig am Humboldt-Gymnasium und viele „grenzüberschreitende“ Eheschließungen sind bis heute Ausdruck der besonderen Beziehung zwischen Trier und dem großen Nachbarland. Das vielleicht anschaulichste Beispiel für die Versöhnung von französischer „art de vivre“ mit trierischen Traditionen lieferte Sergeant Pascal Niggemann, der zum Karnevalsprinzen der Session 1998/99 avancierte.

Die Geschichte der französischen Besatzung in Trier im 20. Jahrhundert begann am 11. August 1919, knapp ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die Franzosen übernahmen damals die Militärverwaltung von den USA. Das Verhältnis zwischen den Einwohnern und den Militärs war insbesondere 1923, dem Jahr des „Ruhrkampfs“, von gegenseitigem Misstrauen, manchmal auch von offener  Feindschaft geprägt. Ab 1924 bis zum ersten Abzug der Franzosen 1930 entspannte sich die Situation etwas. Von 1927 bis 1929 war der spätere Staatspräsident Charles de Gaulle als Kommandeur eines Jägerbataillons in Trier stationiert. Im Juli 1945 wiederholte sich die Geschichte: Wenige Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands lös-te Frankreich die Amerikaner als Besatzungsmacht in Trier ab. In den folgenden Jahrzehnten wurde Trier zum wichtigsten französischen Militärstützpunkt in Deutschland ausgebaut. Zeitweise lebten 21 000 Soldaten in der Stadt – sie war damit nach Paris die zweitgrößte französische Garnison weltweit. An den 2000-Jahr-Feiern der Stadt Trier 1984 beteiligte sich Frankreich mit einer Parade der „Garde Républicaine“. Nach dem Ende des Kalten Krieges begann 1992 stufenweise der Abzug der Soldaten.

Wie riesig die vom französischen Militär genutzten Grundstücke waren, wurde vielen Trierern erst nach dem Abzug richtig bewusst. Das Rathaus veranstaltete im September 1999 eine „Rollende Bürgerversammlung“ in die ehemaligen Sperrgebiete, darunter der Mattheiser Wald und der Petrisberg. Das Interesse war enorm und übertraf alle Erwartungen: 1800 Bürger, verteilt auf 33 Stadtbusse, nahmen an der Fahrt teil, die wegen des großen Andrangs wenige Wochen später wiederholt wurde.

Die Konversion, also die Umnutzung der früheren Militärflächen, war seit den 1990er Jahren eine große städtebauliche Herausforderung und Chance. Mit Castelforte in Trier-Nord (15 Hektar), dem Pi-Park und der Kaserne Bertard in Euren (14 Hektar) und vor allem dem Gelände Belvedère auf dem Petrisberg (76 Hektar), das durch die Landesgartenschau 2004 einen enormen Entwicklungsschub erlebte, konnten große „Filetstücke“ als Gewerbe-, Wohn-, Einzelhandels- oder Freizeitgebiete erschlossen und in das Stadtgebiet integriert werden. Der Mattheiser Wald wandelte sich vom Sperr- zum Naturschutzgebiet mit wichtiger Naherholungsfunktion. Mit der Umnutzung der Kaserne Castelnau in Feyen (34 Hektar), für die ein Mischgebiet mit Wohn-, Nahversorgungs- und Dienstleistungsflächen vorgesehen ist, wurde noch nicht begonnen. Das gleiche gilt für das ehemalige Manövergelände am Mattheiser Wald (30 Hektar), wo ein Handwerkerpark entstehen soll.