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20.10.2010

Europa blickte auf Trier

Tagung zum Reichstag von 1512 in der Stadtbibliothek Weberbach

Kaiser Maximilian I. lud 1512 zum Reichstag nach Trier (zeitgenössisches Gemälde von Albrecht Dürer).
Kaiser Maximilian I. lud 1512 zum Reichstag nach Trier (zeitgenössisches Gemälde von Albrecht Dürer).
1512 stand Trier mehrere Monate lang  im Blickpunkt der europäischen Politik, als auf Einladung von Kaiser Maximilian I. zum ersten und einzigen Mal ein Reichstag in der alten Bischofsstadt stattfand. Von Dienstag bis Donnerstag befasste sich eine öffentliche Forschungstagung in der Stadtbibliothek Weberbach mit dem für Trier epochalen Ereignis vor knapp 500 Jahren, in dessen Verlauf der Heilige Rock erstmals öffentlich präsentiert wurde.

Trier und Koblenz waren 1512 als Tagungsort des Reichstags im Gespräch. Das war sehr ungewöhnlich, denn die üblichen „Austragungsorte“ für die Versammlung der Reichsstände waren in dieser Epoche Augsburg, Nürnberg, Frankfurt und Worms. Doch Kaiser Maximilian I. befürchtete einen Krieg in Burgund und wollte den Reichstag möglichst weit im Westen abhalten, um notfalls eingreifen zu können. Trier habe schließlich den Vorzug vor Koblenz erhalten, weil die Stadt als „seuchenfrei“ galt, erklärt Dr. Reinhard Seyboth. Der Historiker von der Universität Regensburg eröffnete die Tagung in der Stadtbibliothek mit einem Überblick über Ablauf, Besonderheiten und Bedeutung des Trierer Reichstags, der bisher kaum als eigenständiges Objekt der historischen Forschung in Erscheinung getreten ist.

Maximilian  traf am 10. März  mit seinem Gefolge in Trier ein und wohnte als Gast von Erzbischof Richard von Greiffenklau im Kurfürstlichen Palais. Da der Kaiser die Einladung sehr kurzfristig ausgesprochen hatte, trudelten die deutschen Herzöge, Fürsten, Grafen und Bischöfe nur nach und nach an der Mosel ein.

Die Zeit bis zur Eröffnung am 16. April vertrieb sich Maximilian mit Jagdausflügen und frommen Übungen: So pilgerte er am Karsamstag „barfuß und im Wollkleid“ zur Abtei St. Maximin. Außerdem zeigte der Habsburger reges Interesse am Heiligen Rock: Auf seine Veranlassung fahndete man nach der fast in Vergessenheit geratenen Reliquie, fand sie unter dem Hochaltar des Doms und stellte sie erstmals aus. Die Hebung des Heiligen Rocks erregte höchste Aufmerksamkeit im ganzen Reich und gilt, so Seyboth, als „größtes Medienereignis der Frühen Neuzeit“. In den folgenden Monaten strömten viele Gläubige nach Trier, um das Gewand Christi zu bewundern.

Vier der sechs Kurfürsten waren persönlich beim Trierer Reichstag anwesend, ebenso wie ein Dutzend weltliche und vier geistliche Fürsten. Hinzu kamen Gesandtschaften aus 16 Reichsstädten, aus Rom, Frankreich, England, Aragon und Portugal. Auch die Schweiz und die Walachei waren vertreten. In Trier grassierten zwar tatsächlich keine ansteckenden Krankheiten, dennoch waren viele Gesandtschaften mit ihren Unterkünften und der Nahrungsversorgung unzufrieden. Trier war nicht auf die standesgemäße Beherbergung der vielen Herrscher und Diplomaten vorbereitet, wenngleich Erzbischof Richard von Greiffenklau keine Kosten scheute, um als großzügiger Gastgeber auf sich aufmerksam zu machen.

Mitte Mai sah sich der Kaiser tatsächlich genötigt, seiner Tochter Margarethe im burgundischen Konflikt beizustehen. Er verließ Trier in Richtung Brüssel. Aber auch und gerade in Abwesenheit des Kaisers beriet der Reichstag „intensiv und effektiv“, wie Seyboth hervorhob. Bedeutende reichsinterne Reformen wurden auf den Weg gebracht. Sie betrafen zum Beispiel die Durchsetzung des Landfriedens und eine Neuordnung des Reichskammergerichts. Außenpolitisch stand der Reichstag im Zeichen des Konflikts zwischen Habsburg und der Republik Venedig. Diese hatte Maximilian einst den Weg versperrt, als er sich in Rom zum Kaiser krönen lassen wollte.

Nach drei Monaten erfuhr der Trierer Reichstag ein unerwartet abruptes Ende: Anstatt wie versprochen an die Mosel zurückzukehren, forderte Maximilian die Reichsstände auf, die Tagung in Köln fortzusetzen. Dort traf man sich Mitte Juli, um den „Reichsabschied“ – das Schlussdokument des Reichstags – endgültig auszuhandeln.

Die Vorträge und Ergebnisse des Trierer Kolloquiums zum Reichstag 1512 werden zum 500-jährigen Jubiläum 2012 als Buch vorliegen.

 
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