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19.06.2018

Freundschaft trotz Vertreibung

Acht Enkelinnen und Enkel der in den 30er Jahren ausgewanderten jüdischen Familie Göbel besuchten mit ihren Ehepartnern Trier und wurden vom Oberbürgermeister empfangen
Acht Enkelinnen und Enkel der in den 30er Jahren ausgewanderten jüdischen Familie Göbel besuchten mit ihren Ehepartnern Trier und wurden vom Oberbürgermeister empfangen.

Der Terror der Nationalsozialisten zwang viele Trierer Juden dazu, ihre Heimat zu verlassen. Die Familie Göbel wanderte damals mit ihren Kindern nach Palästina aus. Ihre Enkel kehrten jetzt zu einem Besuch an die Mosel zurück, trafen einen alten Freund und erlebten in der Basilika eine unerwartete Willkommensgeste.

Es war im März 1970, als die Stadt Trier versuchte, Kontakt zu ehemals in Trier lebenden jüdischen Bürgern aufzunehmen, die wegen der Verfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus fliehen mussten. „Der damalige Bürgermeister Paul Kreutzer reiste mit einer Gruppe Trierer zu einer offiziellen Begegnung nach Israel", erinnert sich Jörg Reidenbach, der damals mit dabei war und sich schnell mit einem gleichaltrigen Israeli anfreundete.

48 Jahre später sitzt Reidenbach gemeinsam „mit meinem Freund" Michael „Micky" Blum im Trierer Rathaus und wird von Oberbürgermeister Wolfram Leibe empfangen. Mit dabei: Cousins und Cousinen Blums und ihre Ehepartner. „Es ist mir eine Ehre, Sie hier begrüßen zu dürfen, Sie sind jederzeit im Rathaus von Trier herzlich willkommen", begrüßt Leibe die Reisegruppe aus Israel.

Junge Stadt

Begeistert erzählen die Israelis von ihrem Besuchsprogramm, loben die Freundlichkeit der Trierer und die Sauberkeit. „Man sieht, dass es eine junge Stadt ist", schildern sie ihre Eindrücke. Am meisten beeindruckt hat die Gäste aus Israel aber ein Besuch der Konstantin-Basilika. Auf ihr Bitten hin habe der gerade übende Kantor Martin Bambauer eine spontane Improvisation von „Hava Nagila" gespielt. „Und was für eine! In Israel findet man nicht viele Orgeln, das war uns eine sehr große Freude", erzählen sie dem Oberbürgermeister.

Micky Blum und seine Cousins und Cousinen sind allesamt Nachfahren von Aaron und Berta Göbel. Sie hatten sich mit ihrem Sohn zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Maarstraße niedergelassen. Hier kommen zwischen 1909 und 1911 noch drei Töchter auf die Welt: Adela, genannt „Deli", Shoshana, genannt Zani, und als jüngstes Kind Regina. Die Kinder wachsen in der schwierigen Zeit des Ersten Weltkriegs und der folgenden Wirtschaftskrise auf. Doch nach der „Machtergreifung" sollte es sehr viel schlimmer kommen. Das bekommt auch die Familie Göbel zu spüren, wird gewarnt. Als Deli 1933 einkaufen geht, legt ihr ein Verkäufer heimlich einen Zettel in den Korb, erzählt ihre Tochter Tirza Kurant. „Es wird noch viel schlimmer, es ist besser, wenn Sie das Land verlassen", steht darauf. Die Familie erkennt die Zeichen, zwischen 1933 und 1936 reisen Aaron und Berta Göbel und ihre Kindern ins heutige Israel aus und entkommen so der Eskalation des Naziterrors. Nur die jüngste Tochter Regina Blum kommt später nach, emigriert nach den Pogromen der so genannten „Reichskristallnacht" erst 1938 und hätte es mit ihrem Mann fast nicht mehr über die deutsch-französische Grenze geschafft.

Aus Regina wird Rachel

In Israel legt Regina ihren Vornamen ab, nennt sich fortan Rachel. Nach harten Anfangsjahren geht es stetig bergauf, wie sie in einem Brief an eine ehemalige Schulfreundin aus Trier erzählt, zu der sie Kontakt hält. Ihr Sohn Micky freundet sich nach der Reise der Trierer Delegation 1970 mit Jörg Reidenbach an. Und obwohl sie ihrem Sohn von der Schönheit des Trierer Busentals erzählt, kann sie sich lange nicht vorstellen, noch einmal als Gast in ihre Heimatstadt zu kommen. Erst 1981 nimmt sie die Einladung der Stadt Trier an und kommt zu Besuch. 2005 stirbt Rachel Blum in Israel. Dass ihre Kinder, Neffen und Nichten sich in Trier mit Freunden treffen, hätte ihr gefallen, meint eine Nichte. Für Micky Blum und Jörg Reidenbach sind gegenseitige Besuche längst eine Selbstverständlichkeit geworden. „Aus der offiziellen Begegnung ist eine echte Freundschaft geworden."

 
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