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23.02.2021

Eintauchen, um Reinheit zu erlangen

Mittelalterliches Jüdisches Ritualbad in Worms
So sieht die Mikwe in Worms aus, die in den Jahren 1185/86 erbaut wurde. Auch in Speyer gibt es ein Ritualbad aus der Zeit um 1120 – das älteste erhaltene seiner Art in Europa. Foto: Schum-Städte e.V

Es wäre eine Entdeckung mit einer immensen kulturhistorischen Bedeutung: eine Mikwe in der Trierer Judengasse. Zu diesem Thema tagten Bau- und Kulturausschuss vergangene Woche gemeinsam und hörten Experten zu, die Argumente für die Existenz eines jüdischen rituellen Tauchbads präsentierten.

Das Zentrum der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde in Trier waren die Straßenzüge zwischen Jakob- und Stockstraße, in deren Mitte die Judengasse liegt. In der Blütezeit der Gemeinde vor 1349 lebten dort etwa 300 Personen. Sie verfügten über eine Synagoge, ein Gemeindehaus und weitere gemeindliche Einrichtungen. Der Trierer Historiker Professor Lukas Clemens ist sich sicher, dass sich auch eine Mikwe, ein rituelles Tauchbad, in der Judengasse mit der heutigen Hausnummer 4 befunden haben soll. Zum einen legten dies schriftliche Überlieferungen aus dem 14. Jahrhundert nahe, zum anderen hätten sich in vielen jüdischen Gemeinden Mikwe und Synagoge in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander befunden, so Clemens. Ein weiterer eindeutiger Hinweis, den auch Dr. Angelika Meyer von der städtischen Denkmalpflege bestätigt, seien zusammenhängende Schachtbauwerke, die im Keller des Gebäudes gefunden wurden. Auch ein Lichtschacht, wie es ihn auch bei anderen Mikwen gibt, sei vorhanden, informierte Clemens.

Bislang fanden noch keine systematischen Grabungen nach dem Tauchbad statt. Das diese durchaus eine logistische Herausforderung sein könnten, machte der Archäologe Dr. Joachim Hupe von der Generaldirektion Kulturelles Erbe deutlich. So sei nicht eindeutig, wo genau gegraben werden müsste. Neben den Schachtbauwerken kämen auch andere Standorte in

Frage, so der Experte, der das Projekt – sollte es zustande kommen – ausdrücklich begrüßte und Unterstützung bei den Grabungen anbot. Für diese sei ein Kleinbagger nötig, von Hand sei es nicht machbar, ist er sich sicher. Zudem müsste ein Ingenieurbüro die Grabungen aus statischen Gründen begleiten. Eine noch ungeklärte Frage ist seiner Meinung nach, ob es sich um eine Keller- oder eine Monumentalmikwe handeln könnte. Letztere liegt nicht in einem Keller, sondern es handelt sich um ein separates Bauwerk.

Was die Finanzierung möglicher Grabungsarbeiten angeht, verwies Historiker Clemens auf die Einwerbung von Drittmitteln, etwa durch eine Stiftung. Baudezernent Andreas Ludwig, der die Sitzung leitete, erläuterte die nächsten Schritte: Nach der Anfertigung einer Projektskizze müsse diese mit der Hauseigentümerin – die ebenfalls an der Sitzung teilnahm – abgestimmt werden. Stimme sie einer Grabung zu, könne über die Finanzierung gesprochen werden.

Historiker Clemens machte die Bedeutung einer möglichen freigelegten und zugänglichen Mikwe deutlich: „Die jüdische Gemeinde in Trier gehörte zu einer der Ältesten. Ihre Ursprünge reichen bis ins elfte Jahrhundert zurück. Da sowohl der mittelalterliche jüdische Friedhof als auch die Synagoge zerstört wurden, wäre die Mikwe das einzig erhaltene Bauwerk der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde. Wäre sie da und könnte man sie präsentieren, wäre das fantastisch." Auch ein Antrag auf ein Weltkulturerbe sei dann durchaus denkbar, so Clemens.

Im Detail

  • Zur Ausstattung einer jüdischen Gemeinde gehört ein Ritualbad, die Mikwe. Im Mittelalter wurden sie fast ausschließlich mit Grundwasser, selten mit Flusswasser gespeist.
  • Die Tiefe der Mikwe war vom Grundwasserniveau abhängig und konnte mehrere Meter erreichen. Ein Untertauchen musste möglich sein.
  • Das rituelle Eintauchen in „lebendiges", also nicht geschöpftes oder stehendes Wasser erfolgt nicht zur äußerlichen Säuberung, sondern um körperliche und seelische Reinheit (tahara) zu erlangen, zum Beispiel nach der Berührung eines Toten. (Quelle: Historischer Pfad „Trier Judenviertel")

Björn Gutheil

 
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