Oswald von Nell-Breuning-Preis 2017 für Franz Müntefering
Müntefering habe, so Jury-Vorsitzender Leibe, immer wieder "die Kriterien von Ethik und Moral in der Wirtschaft angemahnt und das Recht auf menschenwürdige Arbeit eingefordert". Mit Vehemenz setze sich der Sozialdemokrat für die Erneuerung der sozialen Komponente der Marktwirtschaft ein. Auch heute gelte Münteferings Plädoyer in vielen Fragen der Weiterentwicklung der sozialen Gerechtigkeit. Mit seinem Appell an die "Verantwortungssolidarität" beziehe er Stellung zu aktuellen Herausforderungen, beispielsweise in der Flüchtlingsfrage, beim Mindestlohn oder für eine gerechte Honorierung der Fürsorge- und Pflegeleistungen.
"Allzweckwaffe" der SPD
Die Präsidentin des bayerischen Landtags und frühere bayerische Sozialministerin Barbara Stamm beschrieb Müntefering in ihrer Laudatio als "Vertreter einer werteorientierten Politik, die immer vor allem eines im Blick haben muss: Den Zusammenhalt der Menschen, die Solidarität untereinander". Dabei verkörpere der Preisträger eine "Grundhaltung, die sich nicht im Reden erschöpft, sondern mit anpacken will". Stamm ließ die Lebensstationen sowie die zahlreichen Regierungs- und Parteiämter Münteferings Revue passieren und konstatierte: "Vordrängen mussten Sie sich nicht. Sie waren vielmehr immer eine Art Allzweckwaffe, die die SPD jederzeit aus dem Köcher holen konnte."
Barbara Stamm ging auch auf die sozialpolitischen Reformen im Rahmen der aktuell in der SPD wieder kontrovers diskutierten Agenda 2010 ein, an deren Formulierung und Umsetzung der Preisträger maßgeblich beteiligt war. Franz Müntefering sei damals eben nicht den Weg des geringsten Widerstands gegangen, so die CSU-Politikerin, sondern habe schwierige Entscheidungen getroffen, bei denen "einem die Herzen der eigenen Anhänger nicht gerade zufliegen".
Handeln von unten
In seinen Dankesworten erinnerte sich Müntefering an persönliche Begegnungen mit Oswald von Nell-Breuning und zeigte auf, wie aktuell dessen Sicht auf die Gesellschaft heute noch ist. Zum Beispiel, dass Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität nur gemeinsam verwirklicht werden können und untrennbar miteinander verbunden seien. Oder dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Zweifel Vorrang vor der Höhe der Sozialtransfers haben müsse. Oder dass der Staat zwar eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürgern habe, er damit aber nicht das Handeln von unten blockieren dürfe - das Prinzip der Subsidiarität. Müntefering drückte es so aus: "Niemand ist ohne Verantwortung, solange der Kopf klar ist."
"Besonders bewundert habe ich an Oswald von Nell-Breuning seine intellektuelle Redlichkeit, eine Tugend, die heute dringender denn je gebraucht wird", sagte Müntefering. "Niemand kann behaupten, immer recht zu haben, aber wir sollten versuchen, so nah wie möglich an der Wahrheit zu sein."
Franz Müntefering ist der achte Träger des seit 2003 im Zwei-Jahres-Rhythmus verliehenen Oswald von Nell-Breuning-Preises. Seine Vorgänger waren Paul Kirchhof, Helmut Schmidt, das päpstliche Hilfswerk "Cor Unum", die Brüder Hans-Jochen und Bernhard Vogel, Norbert Blüm, der Verein "Trans Fair" und Heiner Geißler. Im Anschluss an die Preisverleihung trugen sich Müntefering und Stamm auf Einladung von OB Leibe in das Goldene Buch der Stadt Trier ein. Die Veranstaltung im voll besetzten Rokokosaal des Kurfürstlichen Palais wurde von Schülerinnen und Schülern des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums (FWG) unter Leitung von Stefanie Lamberti musikalisch gestaltet. Das FWG ist die Nachfolgeschule des ehemaligen Jesuitenkollegs, an dem Oswald von Nell-Breuning 1908, wie 73 Jahre vor ihm Karl Marx, seine Reifeprüfung ablegte.