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06.08.2019

Seltenes Buch für die Stadtbibliothek

Die Seiten der Inkunabel von 1475 sind zweispaltig auf hochwertigem Papier bedruckt und aufwändig gestaltet
Die Seiten der Inkunabel von 1475 sind zweispaltig auf hochwertigem Papier bedruckt und aufwändig gestaltet. Während die gotischen Buchstaben schon im Wiegedruckverfahren hergestellt wurden, sind die farbigen Initialen noch in Handarbeit gemalt worden. Abbildung: Stadtbibliothek
Der Verein der Freunde und Förderer der Stadtbibliothek und die Sparkasse Trier haben für die Trierer Stadtbibliothek eine so genannte Inkunabel, ein Werk aus der Frühzeit des Buchdrucks, zurückgekauft. Das Besondere an dem Werk aus der Zeit um 1475: Es stammt aus der Trierer Benedikinerabtei St. Maria ad martyres, von deren Bibliothek nur wenig erhalten ist.

„Ich bin sehr froh und stolz, dass es gelungen ist, dieses Stück zurück nach Trier zu holen", sagte Oberbürgermeister Wolfram Leibe bei der Übergabe der Inkunabel an die Trierer Stadtbibliothek. Er dankte dem Verein der Freunde und Förderer und der Sparkasse dafür, dass sie das Werk zurückgekauft haben, ebenso hob er das Engagement des Trierer Antiquars Peter Fritzen hervor. Dieser hat das Buch bei einer Auktion auf eigene Kosten ersteigert und es der Stadtbibliothek zum Selbstkostenpreis von 11.000 Euro angeboten. Kulturdezernent Thomas Schmitt betonte: „Es ist ein Stück unserer Geschichte und unseres kulturellen Erbes und daher unendlich viel mehr wert als der Preis, der gezahlt wurde."

Die von Leonardus de Utino verfasste Predigtensammlung „Sermones quadragesimales de legibus" ist zwar schon ein Wiegendruck, sie ist aber auch für den Laien erkennbar ein aufwändig und hochwertig produziertes Buch, dessen Papier sich selbst nach fast 550 Jahren anfühlt, als habe es eben erst die Druckerei verlassen. Gedruckt mit gotischen Lettern auf dickem, unbeschnittenen Papier wurden die roten und blauen Initialen, die den Text verzieren, noch in Handarbeit gemalt und machen die Inkunabel zu einem Kunstwerk.

Zur Bedeutung des Werkes als Teil des kulturellen Erbes passt auch sein Einband: Das Buch hat einen Holzdeckel und ist mit Rindsleder bezogen. An der Seite sind Schließen angebracht und die Kanten sind beschlagen. Ein Rundstempel auf dem Einband lässt die Experten vermuten, dass er in einer Werkstatt der Abtei St. Maximin gefertigt wurde.

Zeugnis eines Trierer Klosters

Spannend ist die Geschichte des Verbleibs des prächtigen, großformatigen Buches, das aus der Zeit des Übergangs zwischen Mittelalter und früher Neuzeit stammt, in der das von Gutenberg erfundene Drucken mit beweglichen Lettern die Welt revolutionieren sollte: Nachdem am 9. August 1794 Trier von französischen Revolutionstruppen besetzt worden war, wurden viele Klöster geplündert, nicht nur von Soldaten, sondern auch von Einheimischen, wie zeitgenössische Berichte schildern. 1802 wurden die Klöster dann formell aufgehoben und säkularisiert, Gebäude und Gegenstände verkauft oder zerstört.

Viele der Bücher aus den Bibliotheken der vier großen Benediktinerabteien kamen, wenn sie nicht verkauft oder verbrannt wurden, zur „Bibliothek der Zentralschule des Saardepartements" aus der dann 1804 die heute noch bestehende Trierer Stadtbibliothek wurde. Das oben geschilderte Schicksal traf auch das Beinediktinerkloster St. Maria ad martyres, damals vor den Toren der Stadt gelegen, aus dessen Bibliothek die Inkunabel ursprünglich stammt. Wie alle anderen wurde es 1802 säkularisiert und in der Folge seine Kirche und fast alle Gebäude abgerissen. Zu dieser Zeit muss die jetzt zurückgekaufte Inkunabel in die Trierer Stadtbibliothek gekommen sein, denn sie enthält einen Eintrag von Johann Wyttenbach, dem ersten Direktor.

Wann und wie sie aus der Stadtbibliothek wegkam, ob in Kriegs- oder Krisenzeiten oder auch durch Verkauf, bleibt allerdings im Dunkeln. Möglicherweise befand sich das Buch im Besitz eines englischen Sammlers, dafür spricht der gute Erhaltungszustand. „Sicher ist, dass der Druck jetzt sicher und fachgerecht bei uns gelagert wird", versicherte Dr. Eva Seidenfaden von der Stadtbibliothek Trier.

Ernst Mettlach