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02.02.2021

Von der Schwarmstadt zur Schwammstadt

Im August 2020 brachte das mobile „Grüne Zimmer“ vorübergehend zusätzliche Kühlung in die Neustraße.
Im August 2020 brachte das mobile „Grüne Zimmer“ vorübergehend zusätzliche Kühlung in die Neustraße. Für eine klimaresiliente Stadt müssen solche temporären Aktionen verstetigt werden.
Im August 2019 hat der Trierer Stadtrat den Klimanotstand ausgerufen – nicht zu Unrecht, wie ein Blick auf die Daten zeigt: Seit Beginn der Aufzeichnungen 1881 ist die Durchschnitts-
temperatur um 1,5 Grad gestiegen. Städte müssen sich an den Klimawandel anpassen, wenn sie lebenswert bleiben wollen. Im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) erklärt der Geograph und Meteorologe Christian Kotremba, wie das in Trier gelingen kann.

Kotremba arbeitet für die Stiftung für Demokratie und Ökologie, die im Auftrag der Landesregierung 15 rheinland-pfälzischen Kommunen bei der Strategie zur Bewältigung des Klimawandels berät. Trier nahm 2020 an dem Coaching-Programm teil. Dazu gehörten Workshops, Stadtbegehungen und Klimamessfahrten mit dem Deutschen Wetterdienst.

RaZ: Herr Kotremba, Sie haben sich die Klimadaten für Trier genau angeschaut. Wie sieht es aus?

Kotremba: Trier ist eine der Hitzemetropolen in Rheinland-Pfalz. Wir messen in den letzten Jahren hier häufig höhere Temperaturen als im Oberrheingraben. Es ist möglich, dass in Trier im Lauf des Jahrhunderts die 45-Grad-Marke geknackt wird. Hinzu kommt, dass Trier durch die Topographie sehr verwundbar ist für Sturzfluten und Hochwasser. Ein positiver Aspekt sind die zahlreichen Kaltluftschneisen, in denen nachts kühlere Luft aus höher gelegenen Freiflächen in die Stadt strömt. Besonders das Olewiger Tal und das Aveler Tal sind hier zu nennen. Es ist essenziell wichtig, diesen kühlenden Effekt beizubehalten und eine weitere Bebauung dieser Täler auszuschließen. Denn schon jetzt ist die Innenstadt deutlich überwärmt. Der Unterschied zur Peripherie belief sich bei unseren Messfahrten tagsüber auf fünf Grad.

Warum ist es in der City so heiß?

Das hängt mit der Tallage zusammen, aber auch mit der starken Überbauung. Wir haben zahlreiche große Plätze, die nahezu zu hundert Prozent versiegelt sind und das sind Flächen, die sich tagsüber sehr stark aufheizen und dann die ganze Nacht hindurch Wärme an die Umgebung abgeben.

Was hat Ihnen bei der Stadtbegehung in Trier gefallen?

Das Grünflächenmanagement, zum Beispiel die zahlreichen Beet- und Baumpatenschaften, wo sich Bürgerinnen und Bürger darum kümmern, das Grün zu pflegen, zu bewässern und die Vitalität zu erhalten. Das ist eine ganz wunderbare Sache. Ebenso die Biotope, die sowohl im Stadtkern als auch in den Außenbereichen entwickelt und entsprechend beschildert wurden.

Welche Strategie sollte für die Städte im Vordergrund stehen, um sich für die Folgen des Klimawandels zu wappnen?

Die Veränderung, die wir durch die hohen Treibhausgasemissionen hervorgerufen haben, werden wir noch in hunderten von Jahren spüren. Daher wird die Klimawandelanpassung immer wichtiger werden. Allerdings geht das in einer Stadt wie Trier, die über Jahrhunderte gewachsen ist, nicht von heute auf morgen. Entscheidend ist: Umso mehr grüne Inseln eine Stadt besitzt, umso kühler ist sie. Grün ist wie eine natürliche Klimaanlage, aufgrund von Schattenwurf und Verdunstung, und deshalb brauchen wir mehr davon in der City. Das kann Dachbegrünung sein, das kann Fassadenbegrünung sein, das können kleine „Pocket Parks“ sein. Ganz wichtig ist auch der Erhalt alter Bäume mit großen Kronen zum Hitzeschutz.

Was hat es mit dem Konzept der „Schwammstadt“ auf sich?

Anstatt das Oberflächenwasser in
die Kanalisation abzuführen und schnellstmöglich aus der Stadt zu befördern, sollen mehr Möglichkeiten geschaffen werden, dass das Wasser vor Ort verdunstet und versickert. Beispielsweise durch dezentralen Regenwasserrückhalt, Tiefbeete, Sickergruben, Regengärten und größer dimensionierte Baumscheiben. Dadurch kann die Hochwassergefahr entschärft und Trockenheit gemindert werden. Es hilft aber auch bei der Hitzevorsorge.

Wie fällt ihr Fazit nach dem Coaching aus?

Ich denke, Trier ist auf einem sehr guten Weg, das Thema jetzt in die Praxis zu überführen und zu verstetigen, sodass Klimaschutz und Klimawandelanpassung bei allen städtischen Planungen mit hoher Priorität berücksichtigt werden.

Im Detail: Hitze in Trier

  • Mit 38,6 Grad am 9. August war Trier 2020 der heißeste Ort in Deutschland.
  • Von den zehn wärmsten Jahren seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 liegen neun in der Periode 2000 bis 2020.
  • Lange Zeit waren in Trier pro Sommer fünf bis sechs Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad üblich. Zuletzt waren es immer zehn bis zwölf Tage. Das Thermometer kletterte immer öfter auf über 35 Grad, was viele Menschen als sehr belastend empfinden.
  • 2020 lag die Temperatur in den Sommermonaten Juni, Juli, August und September mindestens 1,5 Grad über dem langjährigen Schnitt. Im August waren es sogar 3,6 Grad. Zugleich waren alle vier Monate zu trocken.