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09.03.2020

Interview: Die Herausforderungen für die Trierer Stadtbäume

Christian Thesen, Sachgebietsleiter Stadtbäume, kontrolliert eine Platane am Nikolaus-Koch-Platz. Ein Extremstandort wie der Experte weiß, mit kleinen Baumscheiben, viel Verkehr, Streusalz und Wasser, das häufig in den Kanal abfließt statt dem Baum zugute zu kommen.
Christian Thesen, Sachgebietsleiter Stadtbäume, kontrolliert eine Platane am Nikolaus-Koch-Platz. Ein Extremstandort wie der Experte weiß, mit kleinen Baumscheiben, viel Verkehr, Streusalz und Wasser, das häufig in den Kanal abfließt statt dem Baum zugute zu kommen.

(gut) Sie spenden im Sommer Schatten, halten die Luft rein und bringen Grün in die Stadt: die Stadtbäume, von denen es in Trier rund 84.000 Stück gibt. Dass die Gewächse in der City aber auch extremen Bedingungen ausgesetzt sind, wird im Gespräch mit dem „Herrn über die Stadtbäume“, Christian Thesen von StadtGrün Trier, deutlich.

Herr Thesen, verglichen mit einem Baum im Wald: Wie hoch ist die Lebenserwartung eines Stadtbaums an der Straße?

Thesen: In der Stadt erreichen viele Bäume nur circa 30 Prozent der Lebenserwartung gemessen mit der am Naturstandort. Kann eine Eiche dort über 200 Jahre alt werden, sind wir in der Stadt froh, wenn sie 80 Jahre erreicht.

Was sind die größten Herausforderungen für Stadtbäume?

Da gibt es mehrere. Eine ist ganz klar der Platz, den ein Baum in der Erde braucht, um Wurzeln zu schlagen und sich zu versorgen. Im Erdreich verlaufen jedoch auch sehr viele Leitungen, die den Platz der Wurzeln begrenzen. An der Oberfläche wird der Platz häufig durch Parkplätze, Laternen oder Ampeln begrenzt. Hinzu kommt, dass die Stadt mehrere Grad wärmer als das Umland ist. Die Bäume müssen also besser mit der Hitze klarkommen. Bäume sind auch „Herdentiere“. Ihnen geht es besser, wenn sie nah beieinander stehen. In der Stadt stehen sie nicht so eng beieinander wie im Wald. So kämpft jeder für sich alleine. Auch die Hitzeabstrahlung durch den Asphalt, Streusalz und Hundeurin machen unseren Stadtbäumen zu schaffen. Mit das drängendste Problem ist aber die Trockenheit, bedingt durch den Klimawandel.

Was kann man tun, um die Bäume für den Klimawandel zu wappnen?

Es gibt viele Forschungsprojekte, die sich damit beschäftigen, welche Bäume für das zukünftige Klima noch tauglich sind. Es wird vermutlich nicht so sein, dass wir gar keine kalten Winter mehr haben, aber halt auch sehr trockene und heiße Sommer. Wir brauchen also einen Baum mit einer Winterhärte, der aber im Sommer auch eine extreme Trockenheit und Hitze mitmacht.

Und gibt es diese eierlegende Wollmilchsau?

Wir sind noch auf der Suche. Wir schauen nach Südeuropa, etwa nach Madrid, wo es im Winter auch schon mal kalt werden kann. Es wird gerade viel ausprobiert. Einen 100-Prozent-Kandidaten gibt es aber noch nicht. Welche Arten gut hier bei uns funktionieren sind die Silberlinde oder auch der Feldahorn. Der Spitzahorn, der ein Viertel unserer Stadtbäume in Trier stellt, kommt mit den neuen klimatischen Verhältnissen hingegen nicht klar. Durch die verstärkte Sonneneinstrahlung verbrennt seine Rinde und seine Lebenserwartung sinkt rapide. Daher pflanzen wir ihn nicht mehr. Ein weiteres Problem sind neue Krankheitserreger, die sich aufgrund des Klimawandels hier ausbreiten können, etwa die mutierte Rußrindenkrankheit am Ahorn, die die Bäume absterben lässt.

Was tut StadtGrün Trier – neben der Suche nach passenden Baumarten – noch, um der Herausforderung des Klimawandels zu begegnen?

Wir optimieren die Pflanzung, das heißt konkret: Wir pflanzen keine Bäume mehr, wenn nicht genügend Platz im Untergrund für die Wurzeln ist. Lieber verzichten wir auf einen kleinen Baum in irgendeiner Ecke zugunsten eines großen Exemplars, das genügend Platz hat. Ebenfalls optimiert wird die Bewässerung: Diese übernehmen seit einigen Jahren externe Firmen, die sich darauf spezialisiert haben. In den trockenen und heißen Sommern ist das sehr hilfreich. Was wir auch gerade ausprobieren, ist der Einsatz von Bewässerungssensoren im Boden. Diese messen die Bodenfeuchte, die für den Baum nutzbar ist. Auch so versuchen wir, die Bewässerung zu optimieren.

Vor kurzem fand in Trier auf Einladung des StadtGrüns der erste rheinland-pfälzische Baumtag statt. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?

Es wurde deutlich, dass sich in unserer Branche gerade ein Bewusstseinswandel vollzieht. In Trier agieren wir in gewissen Bereichen als Vorreiter, etwa was den Artenschutz in Zusammenhang mit Bäumen angeht. Ob Nistkästen an Bäumen oder Totholz-Habitate: Wir schaffen jetzt bewusst Lebensraum für Tiere, statt wie früher nur zu kontrollieren ob in einem Baum, der gefällt werden soll, ein Vogelnest oder ähnliches ist. Wir agieren jetzt viel mehr aktiv im Sinne des Artenschutzes. Das ist immens wichtig, weil die Stadt eine Art „Archefunktion“ für viele Tierarten hat. Viele siedeln sich dort an, aber nicht weil es in der Stadt so toll ist, sondern weil es im Umland noch schwieriger ist. So sind reine Agrarlandschaften nicht sonderlich attraktiv für Tiere.

Die beiden vergangenen Sommer waren extrem trocken und heiß. Wie fällt Ihre Schadensbilanz für die Stadtbäume aus?

Durch das viele Bewässern sind die Schäden bis jetzt noch überschaubar. Aber viel heißer und trockener darf es auch nicht werden. Die paar Bäume, die wir fällen mussten, liegen im normalen Rahmen. Allerdings ist der Baum ein langlebiger Organismus. Das heißt, er wächst langsam, er stirbt aber auch langsam. Die Auswirkungen der extremen Trockenheit sieht man den Bäumen nicht direkt an.

Herr Thesen, vielen Dank für das Gespräch.

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