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24.03.2015

"Bürger so frühzeitig und so sachgerecht wie möglich einbeziehen"

Rede von Wolfram Leibe zu seiner Ernennung als Trierer Oberbürgermeister

Wolfram Leibe am Rednerpult
Wolfram Leibe erläuterte in seiner Antrittsrede, worauf er in den kommenden acht Jahren sein Augenmerk lenken wird.

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Stadtrates,
sehr geehrte Gäste, liebe Familie!

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, liebe Malu Dreyer. Es ist mir eine große Ehre, dass Sie als Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz bei der heutigen feierlichen Ratssitzung zugegen sind. Ich freue mich ganz besonders auf die Zusammenarbeit mit der Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Klaus Jensen. Das Amt des Oberbürgermeisters aus Ihren Händen zu übernehmen, ist für mich eine große Freude. 2008, in der Wirtschaftskrise, haben wir uns durch den gemeinsamen Kampf für die Rettung von Betrieben und Arbeitsplätzen näher kennengelernt. Schon bei unserer ersten Zusammenarbeit hat mich beeindruckt, wie Sie sich ganz persönlich einsetzten, ohne jeden Hang zur Selbstdarstellung und persönliche Eitelkeiten. Die Menschen sind Ihnen wichtig, immer stand das Ergebnis im Mittelpunkt, das gute Ergebnis für die Menschen in Trier. Es ist mir ein großes Bedürfnis, hierfür Dank zu sagen, aber auch daran zu erinnern, dass Klaus Jensen auch schon vor seiner Zeit als erster Bürger dieser Stadt sich für Trier stark engagiert hat. Der Versuch, in wenigen Sätzen den Menschen und die bisherige Lebensleistung von Klaus Jensen zu würdigen, dies wird mir hier und heute nicht gelingen.

Das gemeinsam Erlebte, die Zusammenarbeit mit ihm, haben mich aber ermutigt, mich um das Amt des OB zu bewerben. Damit stehe ich heute in einer Kette von vielen verdienstvollen Oberbürgermeistern dieser Stadt.

Es freut mich sehr, lieber Herr Schröer, dass auch Sie heute bei meiner Amtseinführung anwesend sind. Sie haben diese Stadt viele Jahre geführt und geprägt. Wenn ich Sie heute erlebe, wie Sie beispielsweise die Rettung des Kreuzganges von Sankt Matthias vorantreiben: Respekt vor diesem bürgerschaftlichen Engagement. Ich wünsche Ihnen noch viele erfolgreiche und gesunde Jahre.

Sehr geehrte Damen und Herren des Stadtrates, Sie sind die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreter. Ihr bürgerschaftliches Engagement in unzähligen Stunden (Freizeit) ist die Grundlage unseres Handelns in Trier. Vielen Dank für die konstruktiven Gespräche in den letzten Wochen. Ich habe gespürt, dass eine gute Zusammenarbeit gewünscht ist und biete sie hiermit auch öffentlich an.

Ein besonderer Gruß geht aber an die Bürgerinnen und Bürger. Meine Wählerinnen und Wähler haben mich mit einem Vertrauensvorschuss ausgestattet. Viele Gespräche aus den letzten Monaten, bei denen mir zu Wahl gratuliert wurde mit dem Satz: „ Ich habe Sie nicht gewählt, ich freue mich aber auf die gute Zusammenarbeit“, zeigen, dass ich Oberbürgermeister für alle Triererinnen und Trierer bin.

Der Tod von Laura Marie

Meine sehr geehrte Damen und Herren, ich habe mich auf diesen Tag sehr gefreut. Durch den schrecklichen Tod von Laura Marie ist aus dem Tag der Freude aber auch ein Tag der Trauer geworden.

Gerade für mich persönlich – als Vater einer gleichaltrigen Tochter – war es ein fürchterlicher Schock, als ich von der Tat erfahren habe. Als Oberbürgermeister dieser Stadt kann ich es nicht fassen, dass in unserer sicheren und friedlichen Stadt so etwas geschehen konnte. Gewalttaten lassen sich leider nicht immer verhindern, ich werde als OB dieser Stadt aber alles tun, um weiter für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu arbeiten. Das reicht von der guten Zusammenarbeit mit der Polizei über die Beseitigung sogenannter Angsträume, bis zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Polizeipräsident Schömann und seine Mitarbeiter für die schnelle Aufklärung. Dies hat viel zum Frieden in unserer Stadt beigetragen. Beim Trauermarsch für Laura Marie am vergangenen Mittwoch habe ich ein ergreifendes Beispiel von bürgerschaftlicher Teilnahme und bürgerschaftlichem Engagement erlebt. Der Familie von Laura Marie gilt meine aufrichtige Anteilnahme. Ich werde versuchen, sie bei der Bewältigung dieses schweren Schicksals zu unterstützen.

Mein besonderer Respekt und meine Hochachtung gilt dem Vater von Laura Marie, der im Namen der Familie dazu aufgerufen hat, die Familie des Täters nicht für die Tat des Sohnes verantwortlich zu machen und auszugrenzen. Hass hat keinen Platz in unserer Stadt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie finde ich jetzt zurück ins Alltagsgeschäft eines Oberbürgermeisters, der Perspektiven für diese unsere Stadt entwickelt?

Die Solidarität, die ich, ausgelöst durch diese schreckliche Tat, erlebt habe, hilft mir dabei sehr, weil Solidarität und Gemeinsinn ein Leitmotiv für mich und meine Arbeit sind, und hier war sie hautnah zu spüren.

„Gemeinsam für Trier“, woran gilt es zu arbeiten?

Stadt für Bildung

Trier ist der Wissensstandort der Region. Neben den Leuchttürmen Universität und Hochschule, sind es vor allem Schulen, die dieses Bild prägen. Ein breiter Mix aus allgemeinbildenden Schulen, berufsbildenden Schulen und Fachschulen wird ergänzt durch wichtige Einrichtungen der Erwachsenenbildung und der beruflichen Weiterbildung.
Schulgebäudesanierung und Schulgebäudebau sind ganz konkret zu entscheiden und umzusetzen.

Kulturstadt Trier

Niemand wird bezweifeln, dass Trier als älteste Stadt Deutschlands eine Kulturstadt ist. Kultur ist jedoch mehr als nur Denkmäler und Tradition. Kultur ist auch ein Faktor zur Gestaltung sozialer und integrativer Prozesse. Sie eckt auch mal an, um uns die Augen für die neuen gesellschaftlichen Entwicklungen zu öffnen. Kultur ist identitätsstiftend für uns als Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt.
Die Gebäudefrage für unser Theater ist jetzt zu entscheiden. Ich bedanke mich schon im Voraus, liebe Frau Ministerpräsidentin, für die Unterstützung des Landes.

Trier, Stadt für attraktives Wohnen

Trier ist schön; das entdecken immer mehr Menschen und ziehen hierher. Diese Entwicklung bringt aber neue Herausforderungen mit sich. Die Wohnungsmiet- und Kaufpreise steigen seit Jahren. Für viele Menschen wird es zunehmend schwieriger, ihr Zuhause in Trier zu finanzieren. Die Stadt ist gefordert, den verschiedenen Lebensentwürfen in dieser Stadt Raum zu geben.

Bezahlbare Wohnungen und die Sanierung unserer 700 städtischen Wohnungen sind eine große Herausforderung. Ein großes Danke geht an den Stadtrat dafür, dass bei neuen Wohnungen eine Quote von 25 % Sozialwohnungen gilt.

Die Stadt ist in Bewegung, mobil sein, mit oder ohne Auto

Trier ist eine wachsende Stadt; mehr Menschen bedeuten aber auch mehr Verkehr. Ich möchte, dass Trier auch weiterhin für Bewohnerinnen und Bewohner und für die Nachbarn und Besucherinnen und Besucher gut zu erreichen ist. Die innerstädtische Mobilität muss für alle Menschen umwelt-sozialverträglich gestaltet werden. Der Anteil des Fuß- und Radverkehrs und des ÖPNV am Gesamtverkehrsaufkommen muss erhöht werden.

Hier ist einiges schon entstanden, vorhandene Konzepte warten noch auf die Umsetzung.

Dieser Katalog der „Pflichtaufgaben“ (nicht im haushaltsrechtlichen sondern im tatsächlichen Sinne) wird die Arbeit der nächsten Zeit besonders prägen.

Die großen und wichtigen Themen:

  • Arbeit und Wirtschaft, als Grundlage für die Stadtentwicklung
  • Trier und sein Besucher-Tourismus
  • Sportstadt Trier
  • Leben in Trier- Leben in einer gesunden Umwelt
  • Trier als Bürgerstadt
  • Miteinander statt gegeneinander - Trier ist eine soziale Stadt und Menschen aus der ganzen Welt sind uns willkommen
  • Gestaltungskraft zurückgewinnen – die Sache mit den Finanzen

Pflicht oder Kür - ist diese Unterscheidung zielführend?

Nein, dies zeigt schon dieses Beispiel:

Trier gehört zu den insgesamt 43 Städten in Deutschland, die im Vergleich zu den anderen Kommunen in Deutschland die günstigste Bevölkerungsstruktur und - entwicklung und damit recht gute Zukunftsvoraussetzungen haben. Wir spüren bislang kaum, dass die Bevölkerung altert, wir profitieren von den Zuzügen junger Menschen, die in Trier wohnen und studieren.

Das Megathema unserer Gesellschaft, „ die Stadt für alle Lebensalter“ ist jedoch auch unsere Herausforderung für die nächsten Jahre. Hier zeigt sich die große Aufgabenfülle einer Kommune, die nur ressortübergreifend ganzheitlich gelöst werden kann.

Die Aufgabe heißt Pflicht und Kür.

Welche Rolle habe ich als OB?

Die Beschreibung der Rolle eines OB schwankt zwischen „OBs sollten die Welt regieren, zum Nutzen der Welt (B.R. Barber, If Mayors Ruled The World, Yale University Press 2013) bis zu „unlösbare Aufgabe“, hinterlegt mit einem Zitat des verstorbenen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson: „Things could be worse, I could be mayor.“ was sinngemäß heißt: „Es könnte alles noch viel schlimmer sein – ich könnte Bürgermeister statt US-Präsident sein“.

Die Welt will ich nicht regieren, Trier aber schon, mit Ihnen zusammen.

Als Oberbürgermeister bin ich

  • Impulsgeber für die Stadt
  • Vorsitzender des Stadtrates
  • Chef der Verwaltung
  • und Repräsentant der Stadt.

Besonders wichtig ist mir, dass ich für die Bürgerinnen und Bürger Ansprechpartner bin.

Wie will ich arbeiten?

Für mich ist Offenheit wichtig, weil wir in der Zusammenarbeit Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit brauchen.

Genauso wichtig ist Professionalität im Sinne von Rollenschärfung der Beteiligten. Der Stadtrat setzt die politischen Impulse, entscheidet und verantwortet die Entscheidungen. Die Verwaltung bereitet vor, berät, managt, setzt um, berichtet. Klare Verantwortlichkeit ist deutlich besser als wenn jeder alles macht.

Dass sich an der Sache zu orientieren zu meinem persönlichen Arbeitsstil gehört, dürfte Sie nicht überraschen. Nur so lassen sich sachliche Probleme lösen. Ich weiß aber auch, dass auf der persönlichen und emotionalen Ebene noch mehr gefordert ist als reine sachliche Zusammenarbeit.

Was nicht zu meinem persönlichen Arbeitsstil gehört, ist die Pflege von Eitelkeiten. Und ich sage auch deutlich: Rechthaberei ist mir ein Graus.

Was sind meine Wünsche an die Partner?

Der OB kann nicht alles alleine machen, er braucht Partner. Meine wichtigsten politischen Partner sind die Mitglieder des Stadtvorstandes, die Mitglieder des Stadtrates, die Ortsbeiräte und die Ortsvorsteher.

Wir alle sind den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Das Wohl der Bürger und der Stadt sind Maßstab, sie haben uns gewählt und uns alle mit einem Vertrauensvorschuss ausgestattet, den gilt es einzulösen durch vertrauensvolle Zusammenarbeit. Von Stadtrat und Stadtvorstand wünsche ich mir, dass wir intensiv um Entscheidungen ringen, entscheiden und dann auch zu unseren Entscheidungen stehen, und nicht mit „Ja, aber …“ wieder zurückrudern. Die Bürger erwarten, dass wir Entscheidungen dann auch einhalten.

Wir sollten gute Lösungen als Ziel haben; denn wie das Sprichwort sagt ist „das Streben nach der sehr guten Lösung oft der Tod der guten Lösung“. Ergebnisorientierte Zusammenarbeit ist in der Regel der Garant für den Erfolg.

Ich habe vorher vom Bürgerauftrag gesprochen. Das wichtigste Instrument zur Umsetzung des Bürgerauftrages ist die Verwaltung. Die Verwaltung gibt es aber so nicht, sie besteht aus Menschen, aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der OB ist Teil der Verwaltung. Schnell, kompetent und freundlich, das ist mein Anspruch. Und das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns.

Welche Botschaften sende ich den Bürgerinnen und Bürgern?

Mein Ziel ist es, eine offene Kommunikation zu pflegen. Ich und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung sind für alle ansprechbar.

Ich werde komplexe Sachverhalte erklären und versuchen, Entscheidungstransparenz herzustellen. Akzeptanz, insbesondere auch bei unpopulären Entscheidungen, ist bei den Bürgerinnen und Bürgern eher erreichbar, wenn der Entscheidungsprozess als gerecht empfunden wird, im Sinne von: „Ich bin von der Entscheidung nicht überzeugt, der Entscheidungsweg war aber immer transparent, daher akzeptiere ich diese Entscheidung“.

Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürgern an wichtigen Projekten der Stadt ist ein unverzichtbarer Bestandteil zeitgemäßer Kommunalpolitik.

Deshalb sind die Bürger so frühzeitig und so sachgerecht wie möglich einzubeziehen, ohne allerdings die Entscheidungsgewalt des Stadtrates aufzugeben. Der Stadtrat hat als gewähltes Gremium die Aufgabe, Entscheidungen für die Stadt zu treffen und zu verantworten.

Den Sachverstand der Bürgerinnen und Bürger jedoch umfassend in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen, ist ebenso eine Frage der politischen Kultur wie eine Frage der Vernunft.

Mit dem Bürgerhaushalt haben wir einen ersten großen Schritt gemacht - jetzt müssen wir diesen Weg konsequent und mit Augenmaß weitergehen.

Zum Schluss

Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Gemeinsam für Trier“ bedeutet: ich werde mich in den kommenden Jahren mit ganzer Kraft für diese Stadt einsetzen. Ganz persönlich möchte ich jedoch mit einem Zitat von Emanuel Kant schließen: „ Bei allen Herausforderungen (Widrigkeiten) des Lebens hilft Schlaf, Hoffnung und Humor.“ Da sind wir uns doch alle einig, oder?

Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.