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26.06.2018

Zeitgemäß oder Mottenkiste?

Start der Rollenden Bürgerversammlung 1999 auf dem Augustinerhof
Rund 1800 Triererinnen und Trierer sahen sich 1999 die ehemaligen militärischen Sperrgebiete an. Für diese größte „Rollende Bürgerversammlung“ stellten die Stadtwerke 33 Busse zur Verfügung.

Sind „Rollende Bürgerversammlungen" ein Ausdruck von Bürgernähe oder im Zeitalter von Multimedia und Digitalisierung ein Anachronismus? Darüber hat der Stadtrat diskutiert.

Ergebnis: Die Stadtverwaltung soll prüfen, ob die „Rollende Bürgerversammlung" wieder eingeführt werden kann. Den entsprechenden Antrag der CDU-Fraktion hat der Stadtrat bei 44 Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen beschlossen. Die „Rollende Bürgerversammlung" ist eine Form der in der Gemeindeordnung vorgesehenen Einwohnerversammlung und war in den 90er-Jahren in Trier ein Erfolgsmodell, das nach Meinung der Antragsteller auch heute noch funktioniert. „Jetzt leben wir im Eventzeitalter und wir wissen alle, wenn wir eine ganz normale Bürgerversammlung durchführen, fühlen sich nur wenige angesprochen", begründete Thomas Albrecht (CDU) den Antrag. Er erinnerte an die große Resonanz in den neunziger Jahren. „Da gab es gar nicht genügend Busse, so viele Bürger wollten da mitfahren." Damals nutzten bis zu 1800 Bürgerinnen und Bürger das Angebot. Albrecht wies auf viele umgesetzte oder anstehende Projekte in Trier hin, die eine solche Form der Bürgerversammlung rechtfertigten. „Was liegt also näher, als diese alte Tradition wiederaufleben zu lassen und die Bürger mitzunehmen." Für diese Form der Bürgerversammlung warb auch Baudezernent Andreas Ludwig: „Es ist doch mal einen Versuch wert." Trotz des Internets sei es wichtig, sich vor Ort ein Bild zu machen. „Alleine vom Kochbuch-Gucken werde ich ja auch nicht satt."

Unterstützung bekam die CDU von der SPD. „Eine Bürgerinformation in Form einer Diskussion zwischen Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe kann sehr wertvoll für unsere Stadt sein", sagte Andreas Schleimer. Die Grünen-Fraktion signalisierte ebenfalls Zustimmung. Eine „Rollende Bürgerversammlung" sei ein gutes Beispiel für praktizierte Bürgenähe.

Unverzichtbare Beteiligung

Auch die UBT trägt den Antrag der CDU mit. „Trotz der Möglichkeiten die sich zwischenzeitlich über digitale Medien und andere Formen eröffnet haben, finde ich diese traditionelle Form der Bürgerbeteiligung und Bürgerinformation unverzichtbar", begründete Professor Hermann Kleber die Zustimmung.

Unterstützung gab es auch von der AfD. Es sei dringend notwendig, die Bürger mehr in demokratische Prozesse einzubinden, sagte Fraktionsvorsitzender Michael Frisch. Letzten Endes gehe der Antrag jedoch nicht weit genug, denn man müsse die Bürger auch mit entscheiden lassen, plädierte er für mehr direkte Demokratie.

Die Linke vermisste bei dem Antrag eine Einbindung in ein Gesamtkonzept. „Der vorliegende Antrag der CDU greift in die Mottenkiste der Bürgerbeteiligung, wenn er so alleine stehen bleibt", kritisierte Fraktionsvorsitzende Theresia Görgen und kündigte an, dass sich die Linke enthalten werde. Zwar unterstütze man, dass in bestimmten Bereichen ein „qualifiziertes Meinungsbild" eingeholt werde, bevor man mit Planungen beginne. Doch dies sei nicht ausreichend. Echte Beteiligung setze voraus, dass es einen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum gebe, denn Beteiligung wecke beim Bürger die Erwartung, auch tatsächlich etwas ändern zu können.

Unnötiger Anachronismus

Auf Ablehnung stieß der Antrag bei der FDP. Als „total aus der Zeit gefallen", kritisierte Katharina Haßler den Vorstoß. Sie wies auf moderne Kommunikationsmöglichkeiten hin, die es bei der damaligen Einführung der „Rollenden Bürgerversammlung" noch nicht gegeben habe. „Wir denken, dass das unnötig ist, da die Stadtverwaltung auf ihrer Homepage alle Informationen kostenfrei und transparent zur Verfügung stellt." Da brauche es keine „anachronistischen Busfahrten" durch die Stadt.