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22.05.2018

Zuhause bei Marxens

Karl Marx und seine Tochter Jenny 1866
Die 1844 in Paris geborene Jenny unterstützte ihren Vater bei seiner Arbeit. Später veröffentlichte sie unter einem Pseudonym Artikel in einer französischen Zeitung. Foto: akg-images/Sputnik

Karl Marx war nicht nur Revolutionär und Universalgelehrter, der unzählige Bücher las und mit dem Kommunistischen Manifest im wahrsten Sinne Geschichte schrieb. Er war auch Vater und Familienmensch. Die Rathaus Zeitung stellt den Familienmenschen Marx und seine drei Töchter Jenny, Laura und Eleanor vor. Los geht es mit Marx‘ ältester Tochter Jenny.

Insgesamt hatten Marx und seine Ehefrau Jenny von Westphalen sieben Kinder, wovon jedoch nur drei Töchter das Erwachsenenalter erreichten. Vier Kinder starben früh: Charles Louis Henri Edgar (1847 bis 1855), Heinrich Edward Guy (1849 bis 1850), Jenny Eveline Francis (1851 bis 1852) und ein totgeborenes Kind (1857). Vor allem der Tod seines Sohnes Edgar im Jahr 1855 brach Marx das Herz. Der Junge starb nach langer Krankheit im Alter von acht Jahren.

Laut Marx-Biograph Jonathan Sperber war Marx ein warmherziger und sensibler Vater – keine Selbstverständlichkeit in bürgerlichen Familien des 19. Jahrhunderts, wo Väter nicht selten unzugängliche Autoritätspersonen waren, die für ihre Kinder als unerreichbar galten. Marx jedoch spielte mit seinen Kindern, erzählte ihnen Geschichten und las ihnen vor. Sperber schreibt in seiner 2013 erschienen Biographie über den großen Philosophen: „Die Verzweiflung, die Marx jedesmal befiel, wenn eines seiner Kinder starb, lässt einen gefühlsbetonten, liebenden Vater erkennen."

Nach dem Tod von Sohn Edgar waren seine Töchter sein Ein und Alles. Wie Sperber schreibt, sollten sie zu „anständigen jungen Damen heranwachsen". Sie lernten Französisch und Italienisch und erhielten Zeichen-, Klavier- und Gesangsunterricht. Zudem genossen sie eine ungewöhnlich gute Schulbildung im London der 1860er-Jahre. Die drei Töchter waren wie die Eltern überdurchschnittlich begabt und außerordentlich gebildet. Die Zukunft seiner Töchter lag Marx sehr am Herzen, weshalb ihm hohe Kosten dafür unvermeidlich erschienen. Erzogen wurde die Mädchen – für diese Zeit untypisch – atheistisch und nicht religiös.

Marx sprach mit seinen Töchtern auch über seine politischen Tätigkeiten und Einstellungen. Jenny unterstützte ihren Vater gar bei seiner Arbeit und unterstützte ihre häufig erschöpfte Mutter als Marx‘ Sekretärin. Jenny arbeitete eine Weile als Hauslehrerin. 1870 veröffentlichte sie in der französischen Zeitung „La Marseillaise" unter einem Pseudonym Artikel über die Behandlung irischer Gefangener. 1872 heiratete sie den französischen Sozialisten Charles Longuet. Er war Journalist, in der französischen Arbeiterbewegung aktiv und an der Pariser Kommune, einer revolutionären Gruppe, die versuchte, Paris nach sozialistischen Vorstellungen zu verwalten, beteiligt. Nach deren Niederschlagung floh er nach England und kehrte nach der Amnestie für die „Kommunarden" mit Jenny und ihren Kindern nach Paris zurück. Aus dieser Verbindung stammen die in Frankreich lebenden Nachfahren von Karl Marx. Jenny Longuet starb 1883 kurz vor ihrem Vater im Alter von 39 Jahren an Krebs.