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17.05.2022

Zeichen gegen Homophobie

Buchcover: Simone de Beauvoir, Die Unzertrennlichen
Buchcover: Simone de Beauvoir, Die Unzertrennlichen
Die Wissenschaftliche Bibliothek präsentiert im Mai in der Reihe „Buch des Monats" eine der wichtigsten Denkerinnen des 20 Jahrhunderts: Simone de Beauvoir. Ihren Roman „Die Unzertrennlichen" hat sie zwar schon 1954 fertiggestellt, aber erst 2020 wurde die französische Ausgabe veröffentlicht, die deutsche Übersetzung folgte ein Jahr später.

1953, als de Beauvoir wahrscheinlich schon daran gearbeitet hat, hat sie mit ihrem Lebensgefährten, dem Philosophen Jean-Paul Sartre, Trier besucht. Sie erinnert sich in ihren Memoiren „Der Lauf der Dinge": „Sartre zeigte mir auf einer Anhöhe oberhalb Triers die Überreste des Stalags, in dem er gefangen gewesen war. Der Anblick machte großen Eindruck auf mich." Damals beschäftigte sich die Schriftstellerin mit den Erinnerungen, die sie lebenslang begleiteten und sich in ihren Werken widerspiegelten. Das damals entstandene Buch, später als „Die Unzertrennlichen" (Fotomontage rechts: Wissenschaftliche Bibliothek/Anja Runkel) bekannt, war sehr intim und persönlich. Daher blieb es lange unveröffentlicht. Es war vermutlich Sartre, der der Autorin abgeraten hatte es zu publizieren.

Der Roman erzählt in einer fiktionalen Autobiographie die Geschichte einer leidenschaftlichen jugendlichen Liebe in der konformistischen bürgerlichen Gesellschaft. Die junge Simone war in ein Mädchen verliebt, was als sittenwidrig galt. Es mussten viele Jahre vergehen, bis das Manuskript breiter präsentiert werden konnte. Beauvoirs Adoptivtochter und Nachlassverwalterin Sylvie Le Bon de Beauvoir hat es freigegeben und so ein Zeichen gegen Homophobie gesetzt.

Der Roman wird am 17. Mai vorgestellt, weil heute Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, kurz IDAHOBIT, ist. Er erinnert an den 17. Mai 1990, als die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus der Liste psychischer Krankheiten gestrichen hat, vier Jahre nach dem Tod von Beauvoir.

Zu ihren Lebzeiten hat sie über ihre Bisexualität geschwiegen, um einen Skandal zu vermeiden. Sie hatte genug Erfahrungen mit schlechter Presse. Mit ihrem Buch „Das andere Geschlecht" (Original: „Le Deuxième Sexe") hatte sie schon 1949 für Empörung gesorgt. Der Vatikan setzte das Werk auf den Index und auch in Russland war es verboten. Das Publikum hingegen hat es wertgeschätzt, die erste Ausgabe (20.000 Exemplare) war schnell verkauft. Der Titel avancierte bald zu einem Standardwerk des Feminismus. Wie aktuell dieses Gedankengut bleibt, zeigt die Ausstellung „Simone de Beauvoir und das andere Geschlecht", die bis Mitte Oktober in der Bundeskunsthalle Bonn gezeigt wird und ihrem Opus Magnum ein Denkmal setzt.

Trierer Reihe im Herbst geplant

Auch in Trier wird die bekannte Autorin und Aktivistin im Herbst gewürdigt – durch die Ausstellung und Veranstaltungsreihe „Pride für alle" als Projekt des Queeren Zentrums Schmit-Z e.V., der Stadtbücherei und der Bibliothek. Es fördert die Anerkennung der treibenden Kraft der LGBTQ+ Community für den Abbau geschlechtlicher Stereotypen. LGBTQ+ ist eine aus dem englischen Sprachraum übernommene Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer mit
einem Pluszeichen als Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten.

Zahlreiche aus dieser Community stammende Ideen tragen zur gesellschaftlichen Demokratisierung bei. Die gleiche Botschaft haben der Roman „Die Unzertrennlichen" und andere Werke von Beauvoir: Traditionelle Geschlechterrollen legen Menschen fest, aber man kann ihnen neue Lebensentwürfe entgegensetzen und sich selbst bestimmen. „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es", lautet ein emblematisches Zitat aus dem Beauvoirs Meisterwerk „Das andere Geschlecht".

Dr. Magdalena Palica