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30.10.2018 | Nachkriegszeit

Wo tausenden Kindern geholfen wurde

Dank Schweizer Spenden konnten sich Trierer Kinder in den Hungerjahren nach dem Krieg endlich einmal satt essen.
Dank Schweizer Spenden konnten sich Trierer Kinder in den Hungerjahren nach dem Krieg endlich einmal satt essen. Zwischen 1946 und 1948 halfen Schweizer Privatpersonen und Hilfsorganisationen den Trierern großzügig mit Nahrung, Kleidung und Medikamenten. Foto: Stadtarchiv

Im „Schweizer Dorf" auf dem Augustinerhof wurden in den Hungerjahren nach dem Zweiten Weltkrieg tausende Trierer Kinder versorgt. An diese großzügige Geste der Schweiz, die vielen Trierern das Leben gerettet hat, erinnert jetzt eine Tafel am Rathaus – gestiftet von einem gebürtigen Schweizer.

Trier liegt in der Nachkriegszeit in Schutt und Asche. Nach den Bombenangriffen des Jahres 1944 sind nur wenige Häuser unbeschädigt, Verkehrswege sind unpassierbar, die meisten Trierer kämpfen täglich ums Überleben. Und als wäre die Not nicht schlimm genug, ist der sogenannte Hungerwinter 1946/47 auch noch einer der härtesten des ganzen Jahrhunderts. Was die Trierer vor allem umtreibt, ist die Sorge um die nächste Mahlzeit. Manchmal stehen ihnen nur rund 700 Kalorien pro Kopf und Tag zur Verfügung, Schmalhans ist Küchenmeister, Hunger ein ständiger Begleiter. Die Folge: Unterernährung, unter der vor allem Kinder, Alte und Schwache leiden. So dramatisch ist die Lage, dass Jugendliche aus Trier im März 1946 in einem Akt der Verzweiflung eine schwarze Hungerflagge auf der zerbombten Basilika hissen. Solidarität durch die internationale Völkergemeinschaft können die Trierer in dieser Situation direkt nach dem Zweiten Weltkrieg kaum erwarten.

Und doch gab es Hilfe in großem Maßstab: Hilfswerke und Privatpersonen aus der Schweiz spendeten tausende Tonnen von Kleidung, Nahrung, Medikamenten und Dingen des alltäglichen Lebens an Deutschland, auch Trier profitierte sehr von dieser humanitären Hilfe. Der Leiter des Trierer Stadtarchivs, Bernhard Simon, hat recherchiert, wie umfangreich die Unterstützung der Eidgenossen damals war.

Begonnen habe die Hilfe mit dem Besuch einer Kommission aus der Schweiz im April 1946 in Trier. Ihr Ziel: Den Aufbau des sogenannten „Schweizer Dorfes" vorzubereiten. Dort sollten Kinderspeisungen organisiert werden. Schon im Mai stehen vier Holzbaracken auf dem Augustinerhof. Ende Mai 1946 beginnt die Kinderspeisung im Schweizer Dorf. Jeden Tag versorgen Helfer um die 2000 Kinder mit Mahlzeiten, insgesamt geben die Schweizer in Trier mehr als eine Million Essen aus. Verpflegt werden die Kinder nicht nur am Augustinerhof, sondern an insgesamt 14 Ausgabestellen in der Stadt, meist Schulen. 500 Kleinkinder und Säuglinge werden zudem mit speziellen Obstdicksäften versorgt, Tuberkulosekranke oder -gefährdete Kinder erhalten Lebertran, Neugeborene ein Paket mit Windeln, Flasche und speziellen Nahrungsmittel, ein Kindergarten wird eingerichtet. Und weil nur die wenigsten Kinder Schuhe haben, errichten die Schweizer eine Schusterei, in der Schuhe repariert oder aus der Schweiz gespendete Schuhe aufgearbeitet werden. Eine Näh-, Flick- und Strickstube versorgt die Kinder mit Kleidern. 12.000 Trierer Kinder erhalten so Anziehsachen.

An Feiertagen wie Ostern, Nikolaus oder Weihnachten gibt es Obst und Schokolade, eine Bastelstube fertigt Spielzeug. Besonders unterernährte Trierer Kinder werden schon zu Beginn der Hilfe 1946 von Schweizer Familien aufgenommen und aufgepäppelt – zu jener Zeit ein kleines Wunder. Am 30. Juni 1948 endet die Schweizer Hilfe, nachdem sich die Versorgungslage auch in Trier gebessert hatte.

An diese Hilfe erinnert jetzt eine Tafel. Gestiftet hat sie der ehemalige Präsident der Trierer Universität, Professor Jörg Hasler, selbst gebürtiger Schweizer. „Wir sollten uns daran erinnern, wenn etwas Positives geschieht", begründete Hasler seine Spende. Er habe sich in Trier stets gut aufgehoben gefühlt und wolle mit dem kleinen Denkmal ein Zeichen der Verbundenheit setzen. Gemeinsam mit OB Wolfram Leibe und dem Beigeordneten Thomas Schmitt enthüllte er vergangene Woche die Tafel am Rathaus. Leibe bedankte sich für das Stiften der Tafel und würdigte das Engagement der Schweizer, das Kinder vor dem Verhungern gerettet habe. Schon 1918/19 hätten Schweizer den Trierern mit Spenden geholfen. Diese große Hilfsbereitschaft in Notzeiten müsse in Erinnerung bleiben. Sie sei bemerkenswert, weil Deutschland für die Schweizer nach dem Krieg ein Feindbild gewesen sei „In so einer Lage zu helfen und Schwache zu unterstützen: Das ist wahre Größe".