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16.04.2013

Wieviel Theater will die Stadt?

Das ICG-Gutachten attestiert dem Theatergebäude einen maroden Zustand, der zu  funktionalen Mängeln führt. Mit dem Umbau für einen barrierefreien Zugang wird eine erste Verbesserung erreicht.
Das ICG-Gutachten attestiert dem Theatergebäude einen maroden Zustand, der zu funktionalen Mängeln führt. Mit dem Umbau für einen barrierefreien Zugang wird eine erste Verbesserung erreicht.
Viele Kulturverantwortliche ahnten es und die Theaterpraktiker des Dreispartenhauses am Augustinerhof wussten es aus eigener Erfahrung schon längst: Das Konsolidierungspotenzial am Theater Trier ist ausgeschöpft. Soll weiter gespart werden, lassen sich strukturelle Veränderungen nicht länger vermeiden, muss über eine andere Form des Theaterbetriebs nachgedacht werden.

So lautet das Fazit einer von der Stadt vergangenen Frühherbst in Auftrag gegebenen „Strukturuntersuchung zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Theaters Trier“, das der Berliner Kulturwissenschaftler Professor Dieter Haselbach von der „Integrated Consulting Group“ (ICG) letzten Donnerstag den wenig überraschten Mitgliedern des Kulturausschusses unter Leitung von Dezernent Thomas Egger übermittelte. Nach dem jetzt vorgelegten Zwischenbericht mit seiner bewertenden Beschreibung des Ist-Zustandes wurde Haselbach beauftragt, seine Analyse mit der Entwicklung möglicher Zukunftsszenarien für das Trierer Haus fortzusetzen. Nach einer beabsichtigten breiten öffentlichen Diskussion müssen Rat und Verwaltung schließlich entscheiden, wie es mit dem Theater weitergehen soll.

In seiner Schlussfolgerung kam Haselbach zu dem Ergebnis, dass das Theater „gute Leistung“ erbringt und im Rahmen des bestehenden Konzepts und in den infrastrukturellen Grenzen seine Konsolidierungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe. „Das Theater spart, wo es geht“, sagte der Kulturexperte und verwies dabei auf Honorare, Herstellungskosten für Bühnenbild und Kostüme, Technik-leistungen, die Öffentlichkeitsarbeit oder den Verkauf von Produktionen. Gemessen am Haushalt 2011 sei bei vielfältigen Einsparungen und Einnahmeverbesserungen, so durch erhöhte Eintrittspreise bei gleichzeitigem Besucherzuwachs, ein Konsolidierungseffekt von rund 570 000 Euro erzielt worden. Das vorgegebene eigentliche Ziel von einer Million Euro sei nicht zu erreichen gewesen. „Eine weitere Konsolidierung im Bestand ist sinnvoll nicht möglich und würde die Arbeit im derzeitigen Konzept gefährden“, resümiert Haselbach. Ohne strukturelle Veränderungen würde bei einer Festschreibung des Zuschusses in den nächsten fünf Jahren aufgrund allgemeiner Kostensteigerungen eine „finanzielle Schieflage“ von zwei Millionen Euro entstehen. In diesem Fehlbetrag ist die Behebung der erheblichen Gebäudemängel noch nicht enthalten.

Geprüfte Verbesserungsvorschläge

In seinem Zwischenbericht bewertet Haselbach eine Vielzahl von Optimierungsvorschlägen, die teils kostenneutral sind, teils zu einer finanziellen Mehrbelastung führen würden. Zu den empfohlenen, sich voraussichtlich selbst tragenden Verbesserungen ge-hören wegen der logistischen Vereinfachung der Anbau einer Probebühne, eine Rechtsformänderung des Theaters mit besseren Steuerungsmöglichkeiten, die Schaffung einer Marketing-Stelle zur offensiveren Vermarktung des Theaters oder die Fortführung der Verwaltungs-Reorganisation.

Als wünschenswert, aber dauerhaft mit zusätzlichen Kosten verbunden, beurteilt Haselbach den Anbau eines „Kleinen Hauses“, die Auslagerung von Werkstätten sowie erweiterte Angebote im Bereich Dramaturgie und Theaterpädagogik. Bei den übrigen Prüfungspunkten habe man nichts gefunden, was „auffällig“ sei, sagte Haselbach. Ein weiteres Konsolidierungspotenzial gebe es nicht. Auch ein eigener Haustarif des Theaters würde das strukturelle Finanzierungsproblem nicht lösen und die Beseitigung der vielen funktionalen Mängel, die das marode Gebäude verursache, setze zunächst eine politische Richtungsentscheidung über die Zukunft des Dreispartenhauses voraus.

OB Klaus Jensen und Kulturdezernent Thomas Egger bekräftigten die Bedeutung des Theaters als „festen Bestandteil im kulturellen Leben der Stadt“. In einem ergebnisoffenen Prozess müsse jetzt über die zukünftige Struktur unter breiter Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit nachgedacht werden. „Die Diskussion ist Ausdruck kritischer Solidarität mit dem Ziel, das Theater zu erhalten“, sagte Jensen im Stadtvorstand. Das schließe allerdings die Bereitschaft zu Reformen ein. Egger möchte diese Debatte zügig in Gang bringen. Möglichst noch vor der Sommerpause sollten erste Grobszenarien über potenzielle Strukturoptionen vorliegen. Das Thema zu vertagen und erst wieder nach der Kommunalwahl aufzugreifen, so der Beigeordnete, wäre „fatal“. Zudem benötige das Theater Planungssicherheit.

„Zitrone ist ausgepresst“

Man habe geahnt, dass die „Zitrone ausgepresst ist“, charakterisierte Markus Nöhl, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, in einer sachlich und ernst geführten Debatte die finanzielle Lage des Theaters drastisch. Das sahen seine Mitdiskutanten genauso. In der bestehenden Struktur könne man dem Theater keine weiteren Konsolidierungen mehr aufbürden, lautete der Tenor unisono. Marc-Bernhard Gleißner (Die Linke) hielt ob der bisherigen „unfair hohen Sparauflagen“ gar eine Entschuldigung für angebracht. Weitgehend übereinstimmend plädierten die Kulturpolitiker des Rates für die Erarbeitung von strukturellen Optionen durch die ICG. Lediglich Grünen-Sprecher Gerd Dahm machte Einwände mit dem Hinweis geltend, eine solche Debatte eröffne allenfalls die Alternative, in drei oder vier Metern Tiefe ertrinken zu wollen. Zustimmung fand, bis auf Einschränkungen bei der SPD, die CDU-Aufforderung, das Land müsse sich finanziell stärker für das Trierer Haus engagieren, die Zuschüsse nicht einfrieren, sondern erhöhen. Dezernent Egger konnte nach jüngsten Gesprächen in Mainz hierauf jedoch wenig Hoffnung machen.

Die weitere Vorgehensweise zur Zukunft des Theaters kleidete Nöhl in die Fragestellung „Was wollen wir und wie können wir das realisieren?“ Bei der kulturellen Versorgung der Stadt müsse man wissen, wieviel den Trierern ihr Theater wert sei, hatte zuvor CDU-Fraktionsvorsitzender Dr. Ulrich Dempfle gesagt und eine öffentliche Debatte hierüber angekündigt. Der Zwischenbericht habe zwar klare Ergebnisse gebracht, die Probleme aber nicht gelöst. Hierzu gehöre auch, ob die Stadt der richtige Träger für das Theater sei.

Auch für Dahm stellt sich jetzt die Frage, ob man ein Theater als öffentliche Aufgabe in Trier wolle oder nicht. Merkwürdig sei es zudem, dass sich das Theater immer wieder für Kostensteigerungen, beispielsweise bei der Tarifentwicklung, zu rechtfertigen habe, während das bei anderen Institutionen nicht so hinterfragt werde.

Für Tobias Schneider (FDP) geht es noch nicht um die Existenzfrage des Theaters am Augustinerhof. Vielmehr werde durch die Erarbeitung verschiedener Zukunftsszenarien der jeweilige Handlungsspielraum sichtbar. Die Diskussion werde nur quantitativ und nicht qualitativ geführt, befürchtete Linken-Sprecher Gleißner. Eine starke öffentliche Kultur sei auch für die Entfaltung der freien Szene unerlässlich.

FWG-Kultursprecher Professor Hermann Kleber bewertete es als gute Nachricht, dass das Theater nach dem nunmehr vorliegenden Zwischenbericht noch von niemandem infrage gestellt worden sei. Aus den jetzt folgenden Überlegungen über neue Strukturen müsse das Theater zukunftssicherer hervorgehen. Dabei habe sich der Bedarf an den Bedürfnissen zu orientieren.