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04.02.2014

Weltweite Botschafter des deutschen Weins

Foto: Dr. Heinrich Raskin (l.) überreicht die Ehrensiegel-Urkunde an Dr. Otto Wolfgang Loeb
Der damalige Trierer OB Dr. Heinrich Raskin (l.) überreicht die Ehrensiegel-Urkunde an Dr. Otto Wolfgang Loeb (2. v. l.) im Beisein von Bürgermeister Hans König (2.v. r.) und SPD-Fraktionschef Peter Paul Jost. Foto: Stadtarchiv
1933 waren in der deutschen Weinwirtschaft rund eine Million Menschen beschäftigt. Bedeutende Trierer Vertreter der Branche waren der Händler Sigmund Loeb und sein Sohn Otto Wolfgang. Ihr Schicksal zeigt eindrücklich, wie perfide die Nazis jüdische Mitbürger vertrieben und welche prägende Rolle sie vorher im gesellschaftlichen Leben spielten. FAZ-Redakteur Dr. Daniel Deckers präsentierte in Trier neue Forschungsergebnisse zum Schicksal der Loebs und vieler Kollegen.

„Es ist ein deutscher Jude, der dem Moselwein dieses Denkmal gesetzt hat.“ Mit diesen Worten würdigte der auch als Weinexperte bekannt gewordene Journalist ein 1972 veröffentlichtes Standardwerk von Dr. Otto Wolfgang Loeb (1898-1974). Vor rund 150 Zuschauern im vollbesetzten Lesesaal der Stadtbibliothek Weberbach setzte sich Deckers in einer illustrierten Spurensuche mit dem Schicksal Loebs, seines Vaters Sigmund (1859-1950) sowie jüdischer Berufskollegen und Verbandsvertreter vom Mittelrhein, aus dem Rheingau und aus Rheinhessen auseinander.

Schlinge legt sich um den Hals

Vor der NS-Machtergreifung am 30. Januar 1933 waren jüdische Händler und Kommissionäre ein selbstverständlicher Teil der Weinwirtschaft. Unter den schweren Krisen durch die Inflation 1923, den Börsencrash 1929 sowie schlechte Ernten hatten sie ebenso zu leiden wie nicht-jüdische Kollegen. Die Ausgrenzung ab 1933 verlief schleichend. Wie Deckers erläuterte, war das NS-Regime zunächst auf die von jüdischen Weinkaufleuten mit ihren oft exzellenten Auslandskontakten erwirtschafteten Devisen angewiesen. Er geht für 1933 von einem Gesamtbetrag von etwa 20 Millionen Reichsmark aus. Danach seien in einer zynischen und menschenverachtenden Strategie die Juden Schritt für Schritt verdrängt worden: durch kleine Nadelstiche, wie ungerechtfertigte Kritik an Weinlieferungen für Staatsempfänge, aber auch durch den Ausschluss aus Branchenverbänden. „Man merkt, wie sich langsam die Schlinge um den Hals legt“, so Deckers. Die staatlichen Behörden hätten Genossenschaften gegründet, um den Einfluss jüdischer Weinhändler zurückzudrängen und sie aus neuartigen Marketing-Partnerschaften zwischen Weinorten und Städten in anderen Teilen des Reichs ausgeschlossen.

Verunglimpfung im Karneval

Diese strukturellen Veränderungen wurden flankiert durch eine immer brutalere Propaganda. Es gab Hetzgedichte in Weinzeitschriften, ein Händler wurde im Mainzer Rosenmontagszug verunglimpft, Kollegen als „Schädlinge“ beschimpft.  Hauptmotiv der Propaganda gegen die jüdischen Kaufleute war der betrügerische Weinpanscher.

Nach der Reichspogromnacht im November 1938 gab es so gut wie keine jüdischen Weinhandelsfirmen mehr in Deutschland. Dr. Otto Wolfgang Loeb hatte sich relativ früh zur Umsiedlung nach England entschlossen. Sein 1938  fast 80-jähriger Vater Sigmund flüchtete mit seiner Frau Nelly in die USA und dann in die Niederlande. Nach dem deutschen Überfall wurden die Eheleute im berüchtigten Lager Westerbrock interniert. Der Deportation entgingen sie nach Einschätzung des Trierer Archivars Reiner Nolden vermutlich wegen der amerikanischen Staatsangehörigkeit von Nelly Loeb. Der Weinhändler starb im Mai 1950. Sein Sohn war ein führender Weinhändler im London der 50er- und 60er Jahre.Trotz der erzwungenen Emigration und der Repressalien des NS-Regimes  entschloss er sich kurz vor seinem Tod 1974 zur Rückkehr in die Heimatstadt. Er hatte sich gewünscht, in Trierer Erde bestattet zu werden. „Da hat sich ein Kreis geschlossen“, sagte Deckers.

Die Verbundenheit mit der Heimatstadt und bürgerschaftliches Engagement hatte bei den Loebs eine lange Tradition. Der aus dem Hunsrück stammende Sigmund Loeb war seit 1893 mit einer international aktiven Weingroßhandlung  in Trier etabliert. Seit Gründung des Weinhändlerverbands 1901 war er dort an führender Stelle tätig, von 1921 bis 1933 Mitglied  der IHK und von 1906 bis 1930  Stadtverordneter.

Zudem war er führender Repräsentant der israelitischen Gemeinde und gehörte zu den Mitbegründern der Philharmonischen Gesellschaft. Nach Sigmund Loeb wurde 1958 eine Straße in Trier-Nord benannt.

Ehrensiegel der Heimatstadt

Sein Sohn Otto Wolfgang kämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg. Nach der Rückkehr leistete er in der Krisenzeit um 1930 einen maßgeblichen Beitrag zur Rettung des Trierer Stadttheaters. Loeb war Mitbegründer und später Geschäftsführer des Verkehrsvereins. Im Juni 1960 beschloss der Stadtrat, ihm für sein vielfältiges Engagement das Ehrensiegel zu verleihen. Loeb betonte in seiner Dankrede bei der Zeremonie, er sei „ohne Bitternis im Herzen in seine unvergessene Heimatstadt zurückgekehrt.“ Er gedenke seines Vaters, in dessen Geist er in Trier seine  Kulturarbeit geleistet habe. Loeb erwähnte das erlittene Unrecht nur in einem Satz. Er schloss seine Rede mit  einer versöhnlichen Aussage: „Ich versichere Sie meiner großen Anhänglichkeit zu meiner unvergessenen Heimatstadt. Ich wünsche ihr und den Bürgern alles Gute und ein Leben in Frieden.“Petra Lohse

 
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