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27.08.2013

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Foto: Prüfung der Brückenunterseite mit dem Hammer
Jürgen Bohlander klopft mit dem Hammer Hohlräume im Beton ab. Eine Prozedur, die viel Geduld und Aufmerksamkeit verlangt.
Es war wieder soweit: Alle sechs Jahre muss sich die Kaiser-Wilhelm-Brücke ihrer Hauptprüfung unterziehen. Die dreitägigen Arbeiten sollen die Sicherheit und Standfestigkeit der mittlerweile 100-jährigen Dame garantieren. Die Rathaus Zeitung war bei der Prüfung der Brückenunterseite vor Ort.

Ich gehe jedes Jahr zum Zahnarzt. Und letzte Woche erst habe ich mein Auto zum TÜV gebracht. Regelmäßige Kontrollen gehören zum Alltag und stellen sicher, dass alles richtig funktioniert. Mängel werden behoben und schon kann es weitergehen. Was vergangene Woche an der Kaiser-Wilhelm-Brücke geschah, folgt demselben Prinzip: Alle sechs Jahre muss sie sich einer Untersuchung, einer sogenannten Hauptprüfung, unterziehen. Ziele sind die Erkennung des Ist-Zustandes und eine Schadenserfassung.

Dienstagmorgen, 10.30 Uhr: Ein Brückenuntersichtgerät steht auf der Kaiser-Wilhelm-Brücke. Über den langen Kranarm, der seitlich an der Brücke hinunter ragt, gelange ich auf eine schmale längliche Plattform. Dort gehen Ralf Biegel und Jürgen Bohlander von WPM (Wendebaum, Peter, Mosbach) Ingenieure ihrer Arbeit nach. Sie prüfen die Brückenunterseite. Diese optische Kontrolle soll Mängel wie mechanische Beschädigungen, Schmutzablagerungen oder Montagefehler zeigen. Im Fall der 100-jährigen Kaiser-Wilhelm-Brücke kann man sofort sehen, dass vor allem die Fugen am Tragarm beschädigt sind. Gründe können Chloride sein, die beispielsweise durch die Verwendung von Streusalz in die Fugen geraten.

Die Prüfung der Unterseite erfolgt durch einfaches Abklopfen des Betons mit einem Geologenhammer. Mit der flachen Seite werden Hohlräume gesucht, die sich durch ein dumpfes Geräusch erkennen lassen, mit der spitzen Seite wird anschließend der lose Beton abgetragen. „Es soll ja kein Kapitän, der unter der Brücke durchfährt, einen Stein auf den Kopf bekommen“, so Bohlander, Geschäftsführer von WPM Ingenieure. Werden solche Stellen gefunden, zückt er sofort Kamera und Klemmbrett und dokumentiert den Schaden. Durch die Haupt- sowie die einfache Prüfung (immer drei Jahre nach der Hauptkontrolle) werden Daten über den Brückenzustand gesammelt. Verantwortlich für die Prüfungen ist in diesem Fall die Stadt, die dafür sorgen muss, dass die Brücke den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung entspricht.

Einteilung in neun Felder

Um den Überblick nicht zu verlieren und alles genau zu dokumentieren, wurde die Kaiser-Wilhelm-Brücke in neun Felder – entsprechend ihren neun Bögen – eingeteilt. Diese werden nacheinander abgefahren und begutachtet. Aber nicht nur die Unterseite wird kontrolliert: Alles an der Brücke – also auch die Fahrbahn, die Pfeiler oder die Geländer – wird unter die Lupe genommen und wenn nötig repariert. Die Reparaturen werden allerdings nicht von Bohlander und seinen Kollegen erledigt. „Wir erfassen die Mängel nur und geben dann eine Maßnahmeempfehlung ab. Anschließend stellen wir eine grobe Kostenkalkulation auf und legen Prioritäten fest. Was das Tiefbauamt dann konkret macht, liegt nicht in unserer Hand.“

Am Schluss der Prüfung wird eine Note, ähnlich einer Schulnote, vergeben. Sie setzt sich aus drei Einzelbewertungen zusammen. Note eins steht für einen guten Zustand der Brücke, quasi das Sternchen im Heft eines fleißigen Schülers. Note vier für schwerwiegende Mängel, die sofort behoben werden müssen: Der blaue Brief, den sich kein Schulkind wünscht.

Ich klettere durch den schmalen Arm wieder nach oben und habe festen Boden unter den Füßen. Ich hoffe, dass an der Brücke nicht so viele Mängel festgestellt werden, wie üblicherweise an meinen Zähnen.

Caroline Link