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20.11.2018

Verständnis allein reicht nicht

Leitsystem mit unterschiedlichen Bodenbelägen zur Orientierung für Sehbehinderte.
Ein Leitsystem mit unterschiedlichen Bodenbelägen ist Voraussetzung, damit sehbehinderte Menschen sich mit einem Langstock selbständig in der Stadt bewegen können. Foto: Andi Weiland/gesellschaftsbilder.de

Ein Gastbeitrag von Gerd Dahm (Beauftragter der Stadt Trier für die Belange von behinderten Menschen)

Die Arbeit der Geschäftsstelle des Beirates und des Beauftragten für die Belange von behinderten Menschen war in den vergangenen beiden Jahren im großen Maß von Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern geprägt, die sich hilfesuchend an uns gewendet haben. Regelmäßige Anfragen der Verwaltung und die Beteiligung an Planungsverfahren machen einen weiteren großen Arbeitsbereich der Geschäftsstelle aus.

Selbständig mobil

Einen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe und damit auf die Lebensqualität behinderter Menschen hat deren selbständige Mobilität. Da in vielen Fällen ein eigenes Kraftfahrzeug nicht in Frage kommt, kommt dem öffentlichen Personennahverkehr eine besondere Bedeutung zu. Der barrierefreie Ausbau der Haltestellen in Trier ist aber größtenteils mangelhaft. Es fehlt an den nötigen Bordsteinhöhen, barrierefreien Anzeigen und taktilen Leitzeichen. Es besteht die Hoffnung, dass der neue Nahverkehrsplan zumindest in planerischer Hinsicht eine positivere Perspektive eröffnet.

Das Zuparken von Bürgersteigen wird in der Regel nur durch eine Verwarnung sanktioniert. Rollstuhlfahrern, die durch solche Rücksichtslosigkeiten auf die Fahrbahn ausweichen müssen, ist damit nicht geholfen.

In den vergangenen beiden Jahren haben der Beirat, die Geschäftsstelle und der Behindertenbeauftragte viel Zeit und Energie aufgewendet, um mit der Verwaltung übereinzukommen, wie und mit welchen Standards im öffentlichen Raum gebaut wird. Der Beirat hat dem Baudezernenten eine detaillierte Aufstellung aller Bereiche, die in einem Planungsleitfaden für die Stadt Trier dringend geklärt werden müssten, übersandt. Wir hoffen, dass wir zeitnah Vorschläge für einen praxistauglichen Leitfaden bekommen.

Es fehlt für die Stadt Trier insbesondere innerhalb des Alleenrings ein Konzept zum Bau und Betrieb von behindertengerechten öffentlichen Toiletten. Das Bemühen der Tourist-
information, wenigstens über die vorhandenen Toiletten zu informieren, ist begrüßenswert, stellt aber den offensichtlichen Mangel nicht ab. Hier ist dringend ein systematisches, geplantes Vorgehen notwendig.

Bei großen Wohnbauvorhaben werden die Belange von behinderten Menschen nur unterstützt, wenn konkrete, private Initiativen diese Unterstützung einfordern. Die Vergabe von städtischen Grundstücken und die planerische Gestaltung der Bebauung von Grundstücken werden nicht an die Vorlage von Konzepten gebunden. Hier könnte die Stadt durch die Vorgabe, dass private Investoren sich aktiv mit dem Konzept der inklusiven Stadt auseinandersetzen müssen, wenn sie den Zuschlag erhalten möchten, einen großen Schritt tun.

Sportatlas korrigieren

Ein großes Problem stellt die Informationslandschaft hinsichtlich der sportlichen Betätigungsmöglichkeiten von behinderten Menschen dar. Die Informationen des Sportatlasses der Stadt Trier sind hinsichtlich der barrierefreien Sportmöglichkeiten völlig untauglich und eher irreführend. Schon im Februar 2016 war seitens des Sportdezernats ein Konzept der Europäischen Sportakademie angekündigt worden. Bereits bei der Vorstellung des Sportatlasses hat der Behindertenbeirat deutliche Kritik geübt, was aber nicht zu einer Korrektur oder einer Verbesserung geführt hat. Wann es eine brauchbare Information für behinderte Sportler geben wird, ist zurzeit leider nicht absehbar.

Es bleibt zu resümieren, dass es oft ein gutes, bisweilen ausgeprägtes Verständnis für die Belange von behinderten Menschen gibt. Die Bereitschaft, dieses Verständnis in die eigene alltägliche Arbeit einfließen zu lassen, ist aber zu oft wenig ausgeprägt. Obwohl das Schlagwort Inklusion regelmäßig in den Medien erscheint und gesellschaftlich nicht kritisiert wird, gelingt den jeweiligen Gesellschaftsgruppen der Transfer in das eigene Wirkungsfeld oft nur unzureichend.

Der Behindertenbeirat, die Geschäftsstelle und der Beauftragte für die Belange von behinderten Menschen verfügen in Trier über sehr gute Bedingungen. Wir haben Zugang zu allen Beratungsvorlagen und werden in der Regel an Entscheidungen beteiligt. Leider ist der Auftrag des Rates, der eine frühzeitige Beteiligung beinhaltet, nicht in allen Ämtern durchgängig präsent. Es bleibt die Hoffnung, dass sich dies im Laufe der Zeit weiter einspielen und verbessern wird.