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17.08.2021

Verrückt nach Dante

Ehrenbürgerbrief für Franz Xaver Kraus
Franz Xaver Kraus wurde im Jahr 1901 von seiner Heimatstadt Trier für seine wissenschaftlichen Leistungen zum Ehrenbürger ernannt. Der kostbare Ehrenbürgerbrief ist im Besitz der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier. Foto: Bibliothek/Anja Runkel

Anlässlich des 700. Todesjahres von Dante Alighieri im Jahr 2021 finden Ausstellungen und Veranstaltungen zu Ehren des italienischen Dichters nicht nur in Florenz, sondern in ganz Europa statt. Die Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier feiert das Jubiläum mit der August-Folge ihrer Podcast-Reihe. Sie kann auch auf www.stadtbibliothek-weberbach.de, Rubrik Aktuelles, gehört werden.

Wer das erste Mal in der Bibliothek durch das Nordmagazin läuft und plötzlich bemerkt, dass ein ganzes Regal nur mit Büchern von Dante gefüllt ist, denkt für einen kurzen Moment, dass er träumt. Aber es ist wahr, denn dieser Teil der Bestände ist ein Paradies für Dante-Liebhaber.
Am 14. September 2021 jährt sich der Todestag des großen italienischen Dichters zum 700. Mal. Das ist der richtige Zeitpunkt, um über ein etwas verstecktes Dante-Denkmal in Trier zu sprechen. Man kann sein Gesicht am Balduinsbrunnen sehen, aber ein beeindruckendes anderes Zeugnis bleibt oft unsichtbar: Die große Sammlung von Dante-Ausgaben und kritische Werke über den italienischen Humanisten, die ein Trierer Bürger über Jahrzehnte zusammengestellt und seiner Heimatstadt vermacht hat.

Bibliothek mit rund 10.000 Bänden

Franz Xaver Kraus (1840-1901) war einer der meistgeschätzten Dante- Kenner seiner Zeit. Seine über 10.000 Bände umfassende Bibliothek ist heute im Besitz der Stadt. Er wurde am 18. September 1840 in eine bürgerliche Familie hineingeboren und entwickelte sich zu einem berühmten Kunst- und Kirchenhistoriker. Um 1860 ging Kraus nach Paris, um sich autodidaktisch weiterzubilden. In dieser Zeit hat er das erste Exemplar der „Göttlichen Komödie“ gekauft. So begann eines der größten intellektuellen Abenteuer seines Lebens. Dank der Tagebücher, die Kraus seit seinem 15. Lebensjahr schrieb, kann man seine Faszination für Dante miterleben. Alles fing mit einem Bücherkauf an: Am 5. November 1860 notierte Kraus in Paris: „Ich habe einige Bücher gekauft: u.a. Dante, Divina Commedia“. Das Buch wurde ein treuer Begleiter des Gelehrten, acht Jahre später schrieb er: „Sonst lese ich augenblicklich die ,Göttliche Komödie‘. Ab 1890 finden sich immer häufiger Zitate in seinen Tagebüchern, die seine fortgeschrittene Kenntnis des Opus Magnum und die enge Verbindung zu Dantes Welt erkennen lassen. Weihnachten 1897 wurde das Ergebnis jahrelanger Forschungen veröffentlicht: „Dante. Sein Leben und sein Werk, sein Verhältnis zur Kunst und zur Politik“. Kraus erhielt zahlreiche Gratulationsbriefe, darunter vom deutschen Kaiser. Sein Dante-Werk wurde hochgeschätzt, viele bezeichneten die Monographie als grundlegend und originell.

Im September 1900 verfasste Kraus sein Testament. Seiner Heimatstadt hinterließ er seine über 10.000 Bände zählende Bibliothek mit der Dante-Sammlung. Auch seine Tagebücher und seine Korrespondenz, die erst 50 Jahre nach seinem Tod veröffentlicht werden durften, wurden der Bibliothek übergeben. In seinem letzten Lebensjahr erhielt Kraus die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt. Am 28. Dezember 1901 starb er im italienischen San Remo. Oft, wenn man eine Privatbibliothek sieht, die mehrere Tausend Bände umfasst, wird dem Sammler die Frage gestellt: „Hast du alle diese Bücher gelesen?“. Kraus kann keine Antwort mehr geben, aber man kann sicher sein: Einen Großteil der Sammlung hat er bestimmt gelesen, da es sich um viele Ausgaben des Meisterwerks von Dante handelt, das Kraus gründlich erforscht hat. Im Dantejahr, in dem weltweit des Dichters gedacht wird, sollten in Trier auch Franz Xaver Kraus und seine große Leidenschaft nicht vergessen werden.

Dr. Magdalena Palica