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23.03.2021

Unterstützung und Freundschaft

Irmgard Brixius.
Irmgard Brixius.

Zahlreiche Triererinnen und Trierer haben in den vergangenen Jahren Geflüchtete dabei unterstützt, sich im deutschen Alltag zurechtzufinden. Praktische Hilfe fanden viele Ehrenamtliche im Projekt „Flüchtlingsbegleiter", das die Stadt zusammen mit dem Diakonischen Werk und der Ehrenamtsagentur Trier durchführt.

Irmgard Brixius hat selbst schon ferne Länder bereist, ist interessiert an fremden Menschen und Kulturen und packt gerne an. Als Freunde ihr vom Projekt der ehrenamtlichen Flüchtlingsbegleitung erzählten, hat sie sich direkt gemeldet. Andrea Kockler vom Diakonischen Werk bringt die Ehrenamtlichen mit den für sie passenden Geflüchteten zusammen. Im Gespräch mit der Rathaus Zeitung erzählen beide von ihren Erfahrungen.

Eine junge afghanische Familie war die erste Begleitung für Brixius. „Anfangs war ich dreimal die Woche bei ihnen zu Hause", erinnert sie sich, es sei einfach so viel zu organisieren gewesen. Zudem habe es auch Zeit gebraucht, um sich bei Tee und Gesprächen kennenzulernen. Ihr Fazit: „Die Begleitung war unglaublich spannend, nah und intim." Der Sohn sprach schnell sehr gut Deutsch und schaffte sogar den Sprung aufs Gymnasium. Die Mutter habe gute Fortschritte gemacht, nur der Mann habe sich schwer getan. Hier sehen beide Frauen einen Knackpunkt: Oft fehlten die Kontakte zu Deutschen, um im Alltag regelmäßig Deutsch zu sprechen. Kockler erklärt: „Ein beiläufiges Miteinander ergibt sich in Deutschland nur selten, alles ist sehr organisiert, zum Beispiel über Vereine. In den Ursprungsländern ist alles informeller, vor der Haustüre."

Problematisch für Geflüchtete gestalteten sich vor allem Vertragsabschlüsse, erklärt Brixius. So sei die afghanische Familie mit doppelt und dreifach abgeschlossenen Handy-Verträgen „ohne Ende abgezockt" worden. Vor den rhetorisch geschulten Vertriebsprofis habe sie die Familie nicht schützen können. Auch die Wohnungssuche sei schwierig gewesen. Erst als sie als Vermittlerin mitkam, habe die Familie die Vermieter von sich überzeugen können.

Die Schwierigkeiten der Geflüchteten haben sich im Laufe der Jahre allerdings auch immer wieder geändert. Migrationsexpertin Kockler erklärt: „Die Familien wollen sich hier etwas aufbauen: Jetzt geht es darum, wie man den richtigen Beruf wählt, ein Praktikum findet oder die richtige Schule für die Kinder. Die Frage ist nicht mehr, ob sie ihre Kinder in die Kita geben, sondern, in welche Kita."

Viele Geflüchtete brauchten auch einfach deutsche Freunde und Bekannte, so die Erfahrung. Irmgard Brixius hat ihre afghanische Bekannte einmal mit ihren Freundinnen zu einer Vernissage mitgenommen. Diese sei „glücklich" gewesen, in der deutschen Gruppe so eine gesellschaftliche Veranstaltung zu erleben.

Einer jungen Syrerin, die sie später begleitet habe, habe sie versucht aufzuzeigen, auf welche Weise sie neue Leute kennenlernen könnte. Denn „eigentlich hat sie eine Freundin in ihrem Alter gebraucht." Da viele Geflüchtete geprägt seien durch das Leben in weit verzweigten Großfamilien, fühlten sie sich ohne die persönlichen Kontakte einsam, so ihre Einschätzung.

Mindestens eine Stunde pro Woche

Aber auch Flüchtlingsbegleiter werden weiterhin gesucht, Geflüchtete fragen selbst immer wieder danach. Die Ehrenamtlichen durchlaufen eine kurze Schulung, bevor Kockler sie mit einer passenden Person oder Familie zusammenbringt. Die Ehrenamtliche Brixius kann die Schulung nur empfehlen: „Hier habe ich zum Beispiel erfahren, was man die Geflüchteten nicht fragen darf, um keine Traumata auszulösen." Auch während der Begleitung werden die Freiwilligen durchgehend durch die Diakonie unterstützt. Einfachere Fragen beantwortet Kockler selbst, bei komplizierten Fällen wie Visumsfragen kann sie auf ihre Kollegen des Migrationsfachdienstes zurückgreifen, die eine Tür weiter arbeiten. Die Koordinatorin organisiert zudem Vorträge, Austauschtreffen und bietet Supervision an, in Corona-Zeiten auch als Video- Konferenz.

Wer Interesse an der Tätigkeit als Flüchtlingsbegleiter hat, sollte mindestens ein halbes Jahr einplanen können, auch weil der Kontakt Zeit benötigt, sich zu entwickeln. Eine Stunde in der Woche sei das absolute Minimum, eher zwei oder mehr, sagt Kockler.

Wenn es passe, mündeten Begleitungen auch in Freundschaften, doch danach suche nicht jeder. Die Koordinatorin bringt deshalb auf beiden Seiten Menschen zusammen, die ähnliche Vorstellungen von ihrer Begleitung hätten. Sie erklärt: „Bei den einen steht Organisatorisches im Vordergrund, bei anderen die Freizeitgestaltung mit den Kindern. Jeder entscheidet sich aus anderen Gründen mitzumachen."

 
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