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21.08.2018

Streitbarer Liberaler, Trierer Patriot

Oberbürgermeister Wilhelm von Haw.
Oberbürgermeister Wilhelm von Haw (Porträtiert 1825).
Der erste Trierer Oberbürgermeister der preußischen Ära war eine schillernde Persönlichkeit: Wilhelm von Haw (1783-1862) war ein typischer Vertreter der bürgerlichen Oberschicht, setzte sich aber auch für soziale Verbesserungen ein, kämpfte als Liberaler für Pressefreiheit und die Stärkung des politischen Katholizismus. In ihrer neuen Biographie nennt die Historikerin Lena Haase ein weiteres Ziel, das auch nach fast 200 Jahren immer noch aktuell ist.

Haws Bemühungen um eine Anbindung von Trier an das Eisenbahn-Fernnetz greift sein aktueller Nachfolger Wolfram Leibe in dem Grußwort für das Buch auf, das jetzt im Lesesaal der Stadtbibliothek Weberbach vorgestellt wurde. Der heutige OB betont unter anderem: „Manche der Probleme und Sorgen, die von Haw bereits vor 200 Jahren bewegten, lassen Anklänge an unsere heutigen Aufgabenstellungen erkennen – etwa wenn es um eine
adäquate Zuganbindung für Trier im 21. Jahrhundert geht."

Haw habe vor rund 200 Jahren, als die Stadt durch die Angliederung der linksrheinischen Gebiete an das Königreich Preußen in eine Randlage geriet, zu den prägenden Persönlichkeiten gehört, die vor Ort und überregional großen gesellschaftlichen und politischen Einfluss gewonnen hätten. Der eine Generation jüngere Karl Marx sei ohne Zweifel die berühmteste dieser Persönlichkeiten.

Haase stellt einen interessanten Vergleich auf: Haw und Marx, die beide in der Simeonstraße aufwuchsen, hätten in ihrer direkten Umgebung die gleichen Gegensätze zwischen Arm und Reich erlebt, aber ganz unterschiedlich darauf reagiert: „Während der Trierer Oberbürgermeister in offizieller Position versuchte, gegen diese sozialen Missstände anzukämpfen, verlagerte Marx seine Agitation auf die Presse."

Besserer Zugang zur Bildung

Haw bemühte sich um steuerliche Entlastungen für untere Bevölkerungsschichten, um eine Aufstockung der Landarmenkasse sowie eine Reduzierung des Schulgelds. In seine Zeit als OB (1818-1839) fällt zudem die Gründung der ersten Schule für Mädchen sowie für Söhne aus Handwerkerfamilien, denen damit erstmals der Zugang zur Bildung ermöglich wurde.

Wilhelm von Haw stammte aus einer alteingesessenen Familie und war durch die Heirat mit Elisabeth Franziska Nell aus einer weiteren bekannten Trierer Dynastie sehr gut vernetzt, was auch für seine Karriere nützlich war. Der Kontaktpflege im gehobenen Bürgertum diente die Casino-Gesellschaft, zu deren Gründern Haw gehörte, sowie die Freimaurerloge.

Als streitbarer und selbstbewusster Zeitgenosse entpuppte sich Haw in seinen langjährigen Auseinandersetzungen mit den preußischen Obrigkeiten, die schließlich 1839 zu seiner vorzeitigen Pensionierung führten. Er war nach Aussage seiner Biographin Haase stark durch die napoleonische Ära geprägt, hatte in Paris studiert und war als Präfekt in der Verwaltung tätig. Für Haw war seine spätere Tätigkeit als OB in einer preußisch geprägten Verwaltung eher ein Abstieg. Viele Kollegen und Vorgesetzte hielt er nicht für besonders qualifiziert und machte da-raus kein Geheimnis. Auch durch seinen Einsatz für progressive politische Ideen aus Frankreich war er vielen Preußen ein Dorn im Auge. So war sein Ausscheiden als OB nur eine Frage der Zeit. Die Auseinandersetzungen mit der preußischen Bürokratie rückte Lena Haase ins Zentrum ihrer Buchvorstellung. Für die Biographie verwendete sie zahlreiche Dokumente aus den Beständen des Archivs in der Stadtbibliothek. Deren Direktor Professor Michael Embach würdigte das neue Buch als „spannende und packende Geschichtsschreibung".

  • „Der Trierer Oberbürgermeister Wilhelm von Haw (1783-1862): Eine politische Biographie zwischen Liberalismus, Katholizismus und preußischem Staat", von Lena Haase, Reihe „Publikationen aus dem Stadtarchiv Trier", Verlag für Geschichte und Kultur, 340 Seiten, 24,90 Euro.