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12.03.2013

Raus aus der Opferrolle

Neben dem Informationsaustausch an einem eigenen Stand formulierten die Teilnehmerinnen der Tagung politische Forderungen zugunsten Alleinerziehender.
Neben dem Informationsaustausch an einem eigenen Stand formulierten die Teilnehmerinnen der Tagung politische Forderungen zugunsten Alleinerziehender.
Jedes fünfte Trierer Kind lebt mit nur einem Elternteil. Das Armutsrisiko dieser Familien ist besonders hoch. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund widmete sich eine Tagung zum Frauentag der Situation Alleinerziehender. Dabei herrschte Einigkeit, dass sich die zu 90 Prozent weiblichen Alleinerziehenden aus einer Opfer- und Einzelkämpferrolle lösen müssen und strukturelle Reformen unerlässlich sind.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In Trier gibt es 9064 Haushalte mit Kindern, davon rund 30 Prozent mit nur einem Elternteil. 26,1 Prozent dieser Familien sind auf Hartz IV-Zahlungen angewiesen, um den Lebensunterhalt zu sichern oder das zu niedrige Gehalt aufzustocken. Besonders hoch ist der Anteil im Stadtbezirk Nells Ländchen sowie im Westen der Stadt. Dort gibt es jeweils rund 40 Prozent Familien mit nur einem Elternteil. Am niedrigsten ist der Wert in Eitelsbach, Filsch und Kernscheid.

In ihrer Einleitung wies die Trierer Frauenbeauftragte Angelika Winter außerdem darauf hin, dass es nicht „die“ Alleinerziehenden gibt, sondern es sich um eine Gruppe mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebenssituationen handelt: Bundesweit sind 42 Prozent geschieden, 36 Prozent ledig, 17 Prozent getrennt lebend und fünf Prozent verwitwet.

Veranstalter der Tagung war der  Arbeitskreis „allein erziehend“. Mitglieder sind der Sozialdienst katholischer Frauen, die Diakonie, Pro Familia, die Stadt, die Caritas, das Jobcenter, das Bürgerhaus Trier-Nord, die Gruppe Pas Mal alleinerziehender Väter und Mütter, die Katholische Familienbildungsstätte und Palais e. V. Neben Vertreterinnen dieser Einrichtungen zählten Bürgermeisterin Angelika Birk und mehrere Stadtratsmitglieder zu den Gästen. Sonja Orantek, Vorsitzende des Landesverbands alleinerziehender Väter und Mütter, verband ihren Vortrag mit einem leidenschaftlichen Appell, durch politische Reformen die Bedingungen für Alleinerziehende grundlegend  zu verbessern. So müsse die Benachteiligung abgeschafft werden, das steuerliche Ehegattensplitting nur Ehepaaren zu gewähren, egal ob sie Kinder haben oder nicht. Gleichzeitig appellierte sie an die Alleinerziehenden, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen: „Sie können stolz auf die Hochleistungen sein, die sie täglich vollbringen.“

Mit einem Rückblick in die späten 60er Jahre, als der Verband der Alleinerziehenden entstand, zeigte Orantek auf, welche Fortschritte erreicht wurden. Damals kam es noch oft vor, dass eine ledige Mutter nicht die Vormundschaft für ihr Kind hatte, sondern das Jugendamt. Außerdem mussten alleinerziehende Frauen mit noch viel größeren Vorurteilen als heute kämpfen. „Entweder galten sie als egoistische Emanzen, die ihr Kind für sich behalten wollen, oder als Versagerinnen, die unfähig sind, einen Mann zu halten“, betonte Orantek.

Zweiter Schwerpunkt der Trierer Tagung war das World Café, bei dem sich die Teilnehmerinnen assoziativ-diskutierend mit fünf Fragen auseinandersetzten. Dabei ging es erneut um politische Forderungen, persönliche Befindlichkeiten sowie Strategien zur Bewältigung des Alltags. Immer wieder als Probleme benannt wurden Zeitmangel, vielfältige Überforderungen und die Erfahrung, mit schwierigen Entscheidungen allein gelassen zu sein. Wichtiger denn je ist vor diesem Hintergrund nach Einschätzung aller Teilnehmerinnen die gegenseitige Unterstützung in Netzwerken. Frauenbeauftragte Angelika Winter zeigte sich in einer ersten Bilanz der Tagung erfreut über die lebhafte und konstruktive Debatte. Die Ergebnisse werden zusammengefasst und sollen zum Beispiel in Vorschläge für den Jugendhilfeausschuss zum Ausbau der Trierer Kita-Plätze einfließen.