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12.09.2017

Paletten voller Tabletten

Wachabteilungsleiter Torsten Marx zeigt eine der Paletten mit Jodtabletten, die seit Kurzem im Brand- und Katastrophenschutzzentrum der Feuerwehr in Trier-Ehrang gelagert sind
Wachabteilungsleiter Torsten Marx zeigt eine der Paletten mit Jodtabletten, die seit Kurzem im Brand- und Katastrophenschutzzentrum der Feuerwehr in Trier-Ehrang gelagert sind. Sie werdem im Falle eines Reaktorunfalls an die Menschen in Trier verteilt.
Es ist ein Ernstfall, den niemand erleben will: Ein Reaktorunglück im grenznahen Kernkraftwerk Cattenom in Frankreich. Um die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich schützen zu können, müssen die Behörden sich auf eine mögliche Katastrophe vorbereiten. Ein Teil des vorgesehenen Schutzes ist den Trierer Bürgern nun ein gutes Stück näher gerückt.

In der Region Aachen hat Anfang September die Verteilung von Jodtabletten an Haushalte begonnen. Die Jodtabletten sind für den Fall eines Reaktorunfalls im belgischen Atomkraftwerk Tihange gedacht – um damit die Bevölkerung in der Region Aachen beim Austritt von Radioaktivität vor Schilddrüsenkrebs zu schützen. Weil auch das Kernkraftwerk im grenznah gelegenen französischen Cattenom als pannenanfällig gilt, haben die Grünen im Stadtrat das Thema vergangene Woche auf die Agenda des Dezernatsausschusses III gesetzt. Cattenom liegt nur 50 Kilometer Luftlinie entfernt von Trier. Die Grünen wollten von Dezernent Thomas Schmitt wissen, wie es um die Versorgung mit Jodtabletten für die Trierer Bürgerinnen und Bürger bestellt ist. Schmitt ist unter anderem zuständig für Sicherheit und Ordnung und die Trierer Feuerwehr, die im Ernstfall an der Verteilung der Tabletten beteiligt wäre. Die Rathaus Zeitung gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warum ausgerechnet Jodtabletten?

Hochdosierte Jodtabletten (wissenschaftlich korrekt: Kaliumjodid-Tabletten) sättigen die Schilddrüse mit Jod. Wenn sie zum richtigen Zeitpunkt eingenommen werden, verhindern sie, dass sich durch einen möglichen Reaktorunfall freigesetztes, radioaktives Jod in der Schilddrüse ansammelt, das dort Krebs auslösen kann. Man spricht hier von einer Jodblockade. Der Zeitpunkt, wann die Tabletten eingenommen werden, ist wichtig: Nimmt man sie zu früh ein, wird das Jod wieder ausgeschieden – und der schützende Effekt ist dahin. Nimmt man sie nach einem möglichen Reaktor-Unglück zu spät ein, kann keine ausreichende Blockade mehr aufgebaut werden.

Wo sind die Jodtabletten gelagert?

Bisher wurden die Jodtabletten zen­tral von der zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) an drei Standorten im Land gelagert. Mitte Juni wurden sie an die rheinland-pfälzischen Kommunen verteilt. Die Tabletten für Trier lagen bisher in Alzey. Nun sind sie bei der Berufsfeuerwehr im Brand- und Katastrophenschutzzentrum (BKSZ) in Ehrang gelagert. Damit soll sichergestellt werden, dass sie im Ernstfall schneller an die Bevölkerung verteilt werden können.

Wie und von wem werden die Tabletten im Notfall verteilt?

Sollte es tatsächlich zu einem Reaktorunfall mit dem Austritt von Radioaktivität kommen, dann werden die Tabletten vom Brand- und Katastrophenschutzzentrum Ehrang aus verteilt. Angedacht ist, dass die freiwilligen Löschzüge der Feuerwehren in die schnelle Verteilung in den 19 Stadtteilen eingebunden werden. Die Feinplanung dazu läuft derzeit im Amt für Brand-, Zivilschutz und Rettungsdienst. Die Ausgabestellen sollen im Falle eines Reaktorunglücks innerhalb von zwölf Stunden ausgabebereit sein. Verteilt werden die Tablettenpakete erst, wenn die für den Katastrophenschutz zuständige ADD dies angewiesen hat.

Wie werden die Bürgerinnen und Bürger informiert?

Im Notfall werden die Bürgerinnen und Bürger über die Medien und das MoWas – das modulare Warn- und Ansagesystem – und ein Bürgertelefon über die Ausgabe der Tabletten und die Ausgabestellen informiert.

Wie viele Jodtabletten gibt es?

Insgesamt hat die ADD der Stadt 326.000 Tabletten zur Verfügung gestellt.

Für wen sind die Tabletten gedacht?

Die Zahl der nötigen Tabletten wurden anhand von Bevölkerungszahlen des Statistischen Landesamtes ermittelt. Bei den Kreisen und kreisfreien Städten wurde jeweils ein Aufschlag von 30 Prozent hinzugerechnet für möglicherweise weitere Anwesende wie Touristen, Studierende oder Flüchtlinge. Damit soll vermieden werden, dass es bei einer Verteilung Engpässe gibt. Die Tablettenpakete sind für Menschen vom Säuglingsalter bis zu 45-Jährigen gedacht. Besonders gefährdet durch radioaktives Jod im Körper sind Kinder unter vier Jahren sowie schwangere Frauen.

Warum gibt es keine Tabletten für ältere Menschen?

Bei Menschen über 45 Jahren besteht die Gefahr einer Überfunktion der Schilddrüse, wenn sie eine größere Menge Jod einnehmen. Deshalb würden sie im Notfall keine Tabletten erhalten, da das gesundheitliche Risiko höher eingeschätzt wird als der Nutzen.