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30.10.2012

Neuer Lebensmut nach Gewalttrauma

20 Jahre nach seiner Gründung ist das Trierer Frauenhaus ein unverzichtbarer Zufluchtsort für weibliche Gewaltopfer und ihre Kinder. Die Verweildauer schwankt zwischen einem Tag und 14 Monaten. Kehrte in den ersten Jahren noch rund ein Drittel der Betroffenen zu ihrem Misshandler zurück, ist es mittlerweile nur noch ein Viertel. Ein immer größeres Problem ist, für die Zeit nach dem Frauenhaus eine geeignete Wohnung zu finden.

Die Gewalterfahrungen der Opfer wirken sich nach der Erfahrung von Psychologin Agnes Gräser, Mistreiterin der ersten Stunde im Frauenhaus, auf alle Lebensbereiche aus. Kinder lebten durch eine Gewalt geprägten Familienatmosphäre beeinträchtigt: „Dadurch ist die Frauenhausarbeit sehr anspruchsvoll, mit immer wieder neuen Herausforderungen. Zu erleben, dass Frauen und Kinder durch den Aufenthalt neuen Lebensmut, neue Perspektiven und neue Lebensfreude entwickeln, macht die Arbeit so befriedigend.“ Nach einer Erhebung des Bundesfamilienministeriums ist mindestens jede vierte Frau einmal in ihrem Leben von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen. Bei 97 Prozent der Opfer, die das Trierer Frauenhaus aufsuchten, stammte der Täter aus dem nächsten Umfeld.

Aus der Jubiläumsbilanz geht außerdem hervor, dass der Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Seit 1992 fanden insgesamt rund 9000 Frauen und etwa 1150 Kinder dort Zuflucht und Unterstützung. Grundlage der Gründung war ein Stadtratsbeschluss vom März 1992. Das Rathaus unterstützt die Einrichtung derzeit mit einem Jahreszuschuss von 85.000 Euro und will nach Aussage von Bürgermeisterin Angelika Birk ein verlässlicher Partner bleiben. Das Land beteiligt sich mit jährlich 80.000 Euro.

„Trier hat rund 105.000 Einwohner, versorgt aber als Oberzentrum bis zu einer halben Million Menschen der Großregion mit Hilfsangeboten – ob dies nun Krankenhäuser sind oder ein Frauenhaus. Es ist unverzichtbar für Frauen aller gesellschaftlichen Schichten, besonders aber mit geringem Einkommen, einen sicheren Zufluchtsort und eine nachgehende Beratung zu finden. Sie treffen dort auf Expertinnen, die ihre Lage und die Traumatisierung verstehen und ihnen helfen“, so Birk.

Das Frauenhaus und die Beratungsstelle in der Böhmerstraße arbeiten mit zahlreichen Partnern in den Kommunalverwaltungen und freien Trägern der Familienhilfe zusammen. „Möglich wird dies durch das große Engagement und die hohe Professionalität der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, auch im Träger- und im Förderverein. Außerdem werden wir von einem hohen parteiübergreifenden, gesellschaftlichen Konsens getragen“, betonte Ina-Maria Wagner-Böhm, Vorstandsmitglied im Trägerverein.

Die Frauenhäuser haben, so Birk, zudem weltweit über ihre unmittelbare Sozialarbeit hinaus erfolgreich ihre Stimme für mehr Frauenrechte erhoben, insbesondere für Betroffene mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Die innovative Überlebenshilfe, die die Frauenhäuser auch traumatisierten Kindern bietet, wird nach der Erfahrung der Bürgermeisterin noch zu wenig wertgeschätzt. „Die Trierer Einrichtung leistet Pionierarbeit, indem sie sich besonders sorgfältig mit der Situation von Söhnen in und nach der Zeit im Frauenhaus befasst. Ein freier Mitarbeiter widmet sich seit 2004 den Jungen. Er steht ihnen bei inneren Konflikten bei, wenn zum Beispiel der Vater die Mutter schwer verletzt hat“, betont Birk.

Bei einer Jubiläumsveranstaltung, die Birk mit einem Grußwort eröffnete, wurde das Frauenhaus als „Ort der Vielfalt“ ausgezeichnet und darf künftig mit einem entsprechenden Schild werben. Die Aktion würdigt Schulen, Kindergärten sowie weitere Einrichtungen und Initiativen, die sich auf regionaler Ebene besonders stark gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren.