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07.08.2012

Motor der regionalen Energiewende

Professor Bernd Hamm.
Professor Bernd Hamm.
Der Trierer Soziologe Professor Bernd Hamm initiierte 1998 die Gründung des Vereins Lokale Agenda 21 und ist ihm seitdem in diversen Funktionen, zuletzt als Vorsitzender, verbunden. Im Herbst legt er sein Amt nieder, weil er Trier verlässt. Im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ) zieht er Bilanz.

RaZ: Warum haben sie sich seit 1998 für den Trierer Verein Lokale Agenda (LA 21) engagiert?

Hamm: In meiner internationalen Arbeit, vor allem in der Unesco, habe ich erfahren, dass die globalen Umweltbedingungen sich auf eine Weise verschärfen, die den meisten Menschen in wohlhabenden Ländern gar nicht bewusst ist. Gerade wir verursachen mit unserem enormen Ressourcenhunger diese Probleme. Veränderungen sind deshalb vor allem bei uns nötig. In der internationalen Diplomatie bleiben solche Themen abstrakt, da geht es um Machtfragen. Das konnte man bei der Konferenz Rio+20 beobachten. Da standen wir immer wieder auf der falschen Seite, ließen uns in die Solidarität mit den Bremsern, vor allem den USA, einbinden. Daher engagiere ich mich, wo persönliches Handeln einen praktischen Unterschied macht: in der Stadt und der Region, wo ich lebe. Das Instrument ist die Lokale Agenda 21.

Was sind wichtige Akzente, die in dieser Zeit gesetzt werden konnten?
 
Die LA 21 genießt heute in der Region weitherum und parteiübergreifend hohes Ansehen, auch wenn noch nicht alle Menschen wissen, was genau nachhaltige Entwicklung ist, was das mit unserem Leben hier und heute zu tun hat und wieso das global eine Rolle spielt. Mit dem Zukunftsdiplom für Kinder vermitteln wir früh spielerisch diese Botschaft. Das Thema Fairer Handel macht darauf aufmerksam, dass wir unseren Wohlstand nicht auf der Benachteiligung der Menschen in den Herkunftsländern unserer Blumen, Lebensmittel und Textilien bauen dürfen. Das Weltbürgerfrühstück stellt das in einen weiteren Rahmen.

Wie sieht es im Energiesektor aus?

Vielleicht nirgends so klar wie bei diesem Thema lässt sich demonstrieren, dass unser entschiedenes und praktisches Eintreten für eine regionale, dezentrale Versorgung Beschäftigung, Wertschöpfung und Kaufkraft hier hält. Es trägt aber auch dazu bei, das gewaltige globale Problem Klimawandel zu mildern. Unser Konzept von 2001 ist heute allgemein akzeptierter Ausgangspunkt der regionalen Energiewende. Nach den Bürgersolarkraftwerken haben wir die Trierer Energiegenossenschaft (TRENEG) gegründet, damit möglichst viele Menschen mitwirken können. Das Solarkraftwerk Petrisberg ist ein wunderbarer Erfolg! Mit anderen regionalen Genossenschaften wollen wir Motor der Energiewende sein. Mit den Stadtwerken und der Volksbank haben wir wichtige Verbündete, was gar nicht hoch genug zu schätzen ist. Zudem hat uns der Stadtrat über alle Parteigrenzen hinweg all die Jahre unterstützt.
 
Gab es Rückschläge, wo sehen Sie Nachholbedarf?

Anders als in vielen anderen Städten haben wir den LA 21 als Verein entwickelt und nicht als Teil der Stadtverwaltung. Diese Distanz können wir in Kenntnis der oft komplexen Entscheidungsprozesse kritisch, aber eben auch loyal nutzen. Wir haben uns zum Beispiel im Bürgerhaushalt engagiert, aber auch darauf hingewiesen, dass die Finanzlage der Kommunen skandalös ist. Sie sind viel mehr Opfer als Täter. Wir wollen mittel- und langfristig unabhängig von parteipolitischen Auseinandersetzungen agieren. Diese Rolle sollte auch dann anerkannt werden, wenn sie unbequem ist. Der LA 21 ist nicht Gralshüter, gar monopolistischer Eigentümer des Nachhaltigkeitsprinzips. Unser Erfolg besteht darin, dass möglichst viele Institutionen und Personen dieses Leitmotiv teilen und sich dafür jeder und jede an seinem/ihrem Platz einsetzt. Dabei wollen wir Begleiter, Dienstleister, Verbündeter sein.
 
Wo sehen Sie vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrungen den größten Handlungsbedarf zur Durchsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips auf lokaler Ebene?

Oftmals unabhängig von uns haben viele verstanden, dass die Erde begrenzt ist. Nach einer neuen Untersuchung benötigen wir schon heute die Ressourcen von eineinhalb Planeten Erde, wenn wir unseren westlichen Konsumstil so fortsetzen und global ausdehnen. Der Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie wird zerstörerisch, wenn wir nicht verstehen, dass ein nur auf schnelle Erfolge ausgerichtetes Handeln noch tiefer in die Katas-trophe führt. Der Handwerker, der mittelständische Betrieb weiß das, anders als „die Märkte“, die Finanzkreisläufe, die börsennotierten Unternehmen, die uns vor sich hertreiben. Wir wollen mehr regionale Selbständigkeit in globaler Verantwortung. Dazu dienen Gespräche mit Handwerksinnungen, Betrieben, Gewerkschaften und Kirchen. Unser Projekt „Nachhaltige Beschaffung“ richtet sich an Behörden, kann aber auch für Unternehmen, Vereine und die Schulen wichtig werden.  
 
Benötigt der LA 21-Verein noch weitere Mitstreiter?

Wir wünschen uns noch mehr Mitglieder aus Institutionen, Kammern, Vereinen, Verbänden und natürlich Einzelpersonen. Wir würden uns freuen über noch mehr konkretes Engagement in unseren Arbeitsgruppen, im Vorstand sowie über neue praxisnahe Initiativen. Dafür finden Interessenten in der Geschäftsstelle in der Palaststraße 13 immer einen Ansprechpartner.     

Das Gespräch führte Petra Lohse