Sprungmarken
20.04.2021

Kurzes Gastspiel der Weltpolitik

Empfang für Francois Mitterrand in Trier 1986
Das Besuchsprogramm von Francois Mitterrand umfasste einen Empfang, an dem Oberbürgermeister Felix Zimmermann, Bundeskanzler Helmut Kohl und Ministerpräsident Bernhard Vogel (v. l.) teilnahmen. Foto: Stadtarchiv
Der Kampf gegen den Terrorismus, die Vorbereitung des Weltwirtschaftsgipfels in Tokio und die Ost-West-Beziehungen – diese Themen der weltpolitischen Bühne prägten vor 35 Jahren, am 24. April 1986, das Treffen von Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Staatschef François Mitterrand in Trier. Am Rande kam aber auch ein Thema zur Sprache, dass für die Region bis heute wichtig ist und immer wieder die Gemüter erhitzt.

Bei einer Feier im Kurfürstlichen Palais, bei der sich Mitterand und Kohl auf Einladung von OB Felix Zimmermann ins Goldene Buch der Stadt eintrugen, erhielt der Gast von einer Grünen-Vertreterin eine Broschüre über das direkt an der Grenze zu Deutschland und Luxemburg gelegene Atomkraftwerk Cattenom. Das Heft war ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt und der Bürgerinitiative gegen das AKW.

Zudem gab es am Rand des Stadtrundgangs von Mitterrand eine Demonstration gegen das bis heute umstrittene und in beiden Ländern sehr unterschiedlich bewertete AKW an der Mosel. Der Staatspräsident, Kanzler Kohl und Ministerpräsident Bernhard Vogel konzentrierten sich in ihren Reden aber auf Gemeinsamkeiten beider Länder und die Bemühungen um die weitere europäische Einigung. Der mit dem Hubschrauber nach Trier eingeflogene Mitterrand betonte unter anderem, dass ihm schon seit 40 Jahren das Thema Europa nicht mehr aus dem Kopf gehe.

Vichy-Regime und Widerstand

Der Lebenslauf des 1916 geborenen und 1996 gestorbenen Staatsmanns zeigt aber nicht nur sein früheres Engagement für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch Widersprüche im politischen Leben des Mannes, der von 1981 bis 1995 Staatspräsident und eine der prägenden Figuren der Nachkriegszeit war. Der aus dem südwestfranzösischen Département Charente stammende Politiker studierte Literaturwissenschaft und Jura. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Soldat Mitterrand bei einem Tieffliegerangriff am 14. Juni 1940 verwundet. Er geriet in deutsche Gefangenschaft und wurde als Zwangsarbeiter eingesetzt. Am 16. Dezember 1941 glückte ihm die Flucht. Ab Mai 1942 arbeitete er für das Vichy-Regime im unbesetzten Teil Frankreichs, das mit Deutschland kollaborierte. Gleichzeitig hielt er über geheime Kanäle der Résistance Kontakt mit Charles de Gaulle, Chef der Exilregierung in London, und war an einem Widerstandsnetzwerk beteiligt. Die Rolle Mitterrands in dieser Zeit sorgte später immer wieder für heftige Kontroversen.

Ab 1946 war der Politiker der bürgerlich-gemäßigten Union démocratique et socialiste de la Résistance und gründete 1971 die Sozialistische Partei. Während der Vierten Republik (1946 bis 1958) gehörte Mitterrand elf Regierungen als Staatssekretär oder Minister an. In dem deutschen Kanzler Helmut Kohl fand er nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten einen Partner, mit dem er den Ausbau der Europäischen Gemeinschaft vorantrieb. Am 22. September 1984 trafen sie sich in Verdun, wo 1916 eine der blutigsten Schlachten des Ersten Weltkriegs getobt hatte. Vor dem
Beinhaus von Douaumont, in dem die sterblichen Überreste von 130.000 unbekannten Kriegstoten lagern, fassten sich die Staatsmänner an den Händen. Diese Szene gehört zu den bekanntesten Symbolen der deutsch- französischen Aussöhnung.

Nach dem Mauerfall im Herbst 1989 unterstützte Mitterand nach anfänglichem Zögern die Wiedervereinigung, betonte aber immer wieder, sie solle sich friedlich und demokratisch in den Grenzen der EU vollziehen. Zentral für ihn war die Wirtschaftsunion, vertieft durch eine gemeinsame Währung. Der Euro wurde dann nach seinem Tod eingeführt.

Petra Lohse